Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Gleichwohl wird deutlich, dass die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit ihren Aufgaben auch in Zukunft nicht alleingelassen werden. Schlussendlich kommt hier auch der Respekt gegenüber den enormen Leistungen zum Ausdruck, die im Zuge der großen Flüchtlingsbewegung landesweit erbracht wurden.

Ich freue mich auf die weitere Beratung in unseren Ausschüssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Thönnissen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dahm, mir drängte sich gerade der Eindruck auf, dass wir von Gerechtigkeit und Fairness eventuell unterschiedliche Auffassungen haben. Aber dazu komme ich gleich noch.

Für die Aufnahme, die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern erhalten die Kommunen vom Land auch künftig eine pauschale Kostenerstattung nach Maßgabe des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Der Entwurf dieses 10. Gesetzes zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes hat im Vergleich zu den letzten Entwürfen eine positive Entwicklung genommen, sicherlich auch durch die kritische Begleitung durch die CDU-Fraktion,

(Minister Ralf Jäger: Nur dadurch!)

die hier maßgeblich zur Verbesserung im Sinne der Kommunen beigetragen hat. Herr Innenminister, ich freue mich, dass Sie das auch so sehen.

(Michael Hübner [SPD]: Wer hat das denn auf- geschrieben?)

Ja, es gab Verbesserungen beim FlüAG. Aber gerecht, auskömmlich und fair ist es immer noch nicht. Bislang erfolgte die Auszahlung der FlüAG-Pauschale lediglich auf Basis einer fiktiven Quote. Nun soll es mit dem FlüAG 2017 die Systemumstellung hin zu einer tatsächlichen FlüAG-Pauschale je Flüchtling und Monat geben.

Aber es gibt weiterhin Mängel, zum Beispiel erstens die tatsächliche Monatspauschale von 866 € – Sie haben sie angesprochen – je Flüchtling je Monat. Ob dieser Wert auskömmlich ist, ist nie überprüft worden. Ein neues Gutachten der Universität Leipzig zeigt für Sachsen auf, dass die tatsächlichen Kosten höher sind. Die tatsächlichen Kosten sind auch in Nordrhein-Westfalen höher. Und für die Kommunen

ist es schlimm bis dramatisch, dass die entsprechenden Daten, die noch nicht erhoben sind, erst im Sommer 2017 vorliegen sollen und die tatsächlichen Aufwendungen auch dann erst beziffert werden können.

Herr Minister, Sie haben eben gesagt, das Geld folgt den Köpfen. Das ist eine Aussage. Es fragt sich nur: Wann folgt das Geld den Köpfen? Auch Herr Dahm hat gesagt:

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie müssen aner- kennen, dass wir jede Menge machen!)

Wir werden zukünftig … Wann ist das genau?

Zweiter Kritikpunkt: Das neue FlüAG ist nicht viel mehr als im Wesentlichen die Weiterleitung von Bundesmitteln. Der Bund zahlt 670 € pro Flüchtling pro Monat und damit dreiviertel der Pauschale für die Kommunen. Der Anteil der Landesmittel an der Flüchtlingskostenpauschale liegt mit 196 € bei nicht einmal 25 %. Das Land zieht sich also zum Teil aus der Flüchtlingskostenerstattung zurück.

Punkt drei: Es bleibt dabei, dass die Landeserstattung nicht den realen finanziellen Herausforderungen der Städte und Gemeinden durch die Flüchtlingszahlen gerecht wird.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hübner zulassen?

Gerne am Ende, jetzt lieber nicht.

Dann kommen wir gleich darauf zurück.

Die Kommunen bleiben auf einem erheblichen Anteil ihrer Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden sitzen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Die CDU-Fraktion hat mit dem Modell einer nachgelagerten Spitzabrechnung ein faires Modell vorgeschlagen,

(Beifall von der CDU)

das die Kommunen entsprechend der realen Belastung unterstützt. Dann wäre es fair. Es gibt keine Berücksichtigung der Gruppe der bestandskräftig abgelehnten geduldeten Ausländer im Rahmen der pauschalen Finanzzuweisungen.

Punkt vier: Die Pauschalerstattung des Landes ignoriert demnach auch die 45.000 Geduldeten in Nordrhein-Westfalen, für die eben das Land nicht zahlt, sondern nur für künftig Geduldete für drei Monate.

Der fünfte Kritikpunkt: Der Bund stellt den Ländern insgesamt 2 Milliarden € für 2016, 2017 und 2018 für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung. NRW erhält davon 434 Millionen € pro Jahr. Diese Mittel des Bundes müssen den Kommunen aber auch unmittelbar und sofort zur Verfügung gestellt werden und dürfen nicht erst einmal im Landeshaushalt versickern.

(Beifall von der CDU)

Andere Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg entlasten ihre Kommunen bereits seit Jahren auch bei der Unterbringung und Integration von anerkannten Asylbewerbern.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das FlüAG ist nur dank der Bundeszahlungen, die, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, 75 % der Leistungen ausmachen, besser als in den Vorjahren. Aber es ist immer noch nicht gerecht und vor allen Dingen – und das ist der entscheidende Punkt – für die Kommunen weiterhin nicht auskömmlich.

Ich freue mich deshalb auf eine intensive und vertiefende Diskussion im Kommunalausschuss und bedanke mich bis hierhin für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Jetzt nehmen wir, wie Sie ja gesagt hatten, die Frage von Herrn Kollegen Hübner noch auf. Bitte.

Frau Thönnissen, es ist sehr nett, dass Sie die Frage zulassen. – Wir stellen ja rund 4,5 Milliarden €, davon 2 Milliarden € über das FlüAG, den Städten und Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Sie haben gerade ausgeführt, dass wir nur einen kleinen Teil der Bundesmittel kofinanzieren würden – so will ich das einmal verstanden wissen – und dass wir nur einen ganz kleinen Teil drauflegen.

Ist Ihnen erstens bewusst, dass wir – anders als der Bund – zwölf Monate als Basis haben? Und ist Ihnen zweitens bewusst, dass, wenn wir alles zusammenrechnen, was der Bund in dem Bereich übernimmt, im Ergebnis 4,5 Milliarden € der knapp 1 Milliarde €, die der Bund übernimmt, gegenüberstehen würden?

Herr Hübner, wenn Sie mir richtig zugehört hätten, dann hätten Sie auch mitbekommen, dass ich über den prozentualen Anteil gesprochen habe. Ich glaube, da trifft meine Angabe zu. Auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen: Es ist so. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Düker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Thönnissen, Sie müssen jetzt ganz stark sein; denn ich muss Sie leider enttäuschen. Dieses Gesetz hat nichts, aber auch gar nichts mit den zahlreichen CDU-Anträgen aus der Vergangenheit zu tun, sondern schlicht und einfach damit, dass wir mit diesem Gesetz die zweite Stufe der Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden umsetzen. Da zeigen wir uns – im Gegensatz zu Ihnen – vertragstreu. Das will ich auch gleich ausführen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn die Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden beruhte auf einer Dreistufigkeit.

In der ersten Stufe haben wir das sogenannte Übergangsjahr 2016 geregelt, in dem wir ja noch keine Systemumstellung vornehmen konnten, und zwar mit Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände. Ich sage es nur noch einmal rückwirkend: Es ging um die 10.000 € mit den Problemen der Verwerfungen, die wir auch immer wieder diskutiert haben.

Jetzt sind wir aber in der zweiten Stufe. Auch diese Umstellung auf eine Monatspauschale wurde genau so mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbar.

Liebe Frau Kollegin, ausdrücklich wollten alle drei kommunalen Spitzenverbände nicht das, was Sie wollen, nämlich eine nachgelagerte Spitzabrechnung. Vielmehr war die Vereinbarung von Monatspauschalen ausdrücklich im Sinne der Städte und Gemeinden. Genau so machen wir es jetzt auch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich hatte gerade noch ein Gespräch mit Verwaltungsbeamten aus meinem Wahlkreis genau dazu. Die Frage, wie viel ein Flüchtling kostet – Sie müssen einmal mit den Praktikern reden –, ist für eine Gemeinde nicht einfach zu beantworten. Wie berechnen Sie denn zum Beispiel den Verwaltungskostenanteil eines Mitarbeiters im Sozialamt oder den Verwaltungskostenanteil eines Mitarbeiters im Wohnungsamt? Im Grunde ist ja die gesamte Kommunalverwaltung mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen beschäftigt.

Deswegen ist hier auch im Sinne der Kommunen eine nachgelagerte Spitzabrechnung ein Bürokratiemonster, das außer Ihnen niemand haben will. Deswegen werden wir weiter an dieser pauschalen Erstattung festhalten.

Jetzt kommt die dritte Stufe. Auch das ist vereinbart. Insofern müssen Sie das hier nicht immer wieder als

Forderung vortragen. Die Frage, wie wir denn die realen Kosten ermitteln, war auch Gegenstand dieser Vereinbarung. Das haben wir auch mehrfach vorgetragen. Die Vereinbarung können Sie auch im Internet nachlesen. Vielleicht schauen Sie einmal hinein.

Wir brauchen ja endlich eine reale Aufstellung der Istkosten, weil angesichts dieser Probleme jede Stadt sagt, sie koste ein Flüchtling etwas anderes. Das ist wahrscheinlich auch richtig, weil überall unterschiedliche Kosten anfallen. Aber am Ende – bis jetzt ist mir das noch nicht vorgetragen worden – hat keiner eine Systematik entwickelt, wie wir diese Kosten tatsächlich erfassen können. Das ist nämlich im Detail schwieriger, als man denkt.

Insofern fahren wir mit der Vereinbarung in dieser zweiten Stufe erst einmal sehr fair und gut mit den Kommunen, indem wir sagen: Wir machen diese Pauschale.