Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Da werden die zu erwartenden Steuereinnahmen schön hochgeschrieben, die Vorsorge – das ist noch viel schlimmer – für zukünftige Pensionslasten wird drastisch gekürzt, globale Mehrausgaben werden erhöht, und der Bau- und Liegenschaftsbetrieb wird weiter als Melkkuh der Nation benutzt.

Mittlerweile ist der Finanzminister an der Stelle sogar so weit, dass er alle diese Tricksereien und Sondereffekte braucht. Er muss sein ganzes Repertoire aufbieten, um wenigstens den Anschein eines gerade eben noch soliden Haushalts aufzubieten. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, Herr Minister.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schauen wir uns beispielsweise an, wie das mit der Beteiligung des Bundes an allen möglichen Lasten ist. Natürlich gibt es ganz viele Lasten, die derzeit das Land und die Kommunen zu tragen haben. Wenn aber alleine der Bund seit 2010 seine Zuweisungen an das Land um 4,1 Milliarden € – von 5,8 Milliarden € auf 9,9 Milliarden € – erhöht hat und Sie jetzt

gleichzeitig 55 Milliarden € Steuereinnahmen pro Jahr erwarten – 2010 waren es im Ist 38 Milliarden € –, die Neuverschuldung in einem Jahr aber nur um 3,3 Milliarden € – von 4,9 Milliarden € auf 1,6 Milliarden €; das ist ja wohl die realistische Vergleichssumme – senken, dann stehen Ihnen, muss man sagen, in dieser Zeit rechnerisch 51 Milliarden € Mehreinnahmen zur Verfügung. Sie senken aber die gesamte Neuverschuldung über Ihre Wahlperiode hinweg nur um 17 Milliarden €.

Nach Adam Riese werden also 34 Milliarden € für etwas anderes verwendet – sicherlich zum Teil für sinnvolle Dinge wie die Finanzierung der Kommunen. Dabei handelt es sich um den Anteil von 23 % am GFG-Steuerverbund. Aber das erklärt es bei Weitem nicht. Sie alle – auch in der Regierung – wissen: In guten Zeiten sorgt man für schwierige Zeiten vor.

Wir hatten insbesondere in der Zeit zwischen 2010 und 2015 gute Zeiten, bevor die Sonderlasten kamen, die wir jetzt alle miteinander zu schultern haben. Und auch heute haben Sie Steuereinnahmen, von denen andere Generationen nur zu träumen wagten. Da wurde über ein durchschnittliches Steuerwachstum von 1 % gesprochen. Sie kommen gar nicht unter 4 % pro Jahr daher. Wann, wenn nicht in solchen Zeiten, wollen Sie denn mit dem Geld sparsam umgehen?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Kein Wunder, dass der PwC-Nachhaltigkeitsindex, der jedes Jahr für alle Länder unabhängig erstellt wird, Nordrhein-Westfalen inzwischen auf Platz 11 sieht. Das Land ist von 2015 auf 2016 von Platz 8 auf Platz 11 abgesunken.

Wenn man einmal den neuen Verteilungsschlüssel des Länderfinanzausgleichs bzw. der Bund-LänderFinanzbeziehungen zugrunde legen würde, dann würden wir ab 2020 damit, wenn es so bleibt, nur noch auf Platz 13 liegen. Das ist doch nicht der Anspruch unseres Landes. Es kann auch nicht der Anspruch Ihrer Landespolitik sein, im Vergleich der Haushaltspolitik aller Bundesländer auf Platz 13 zu liegen – noch ganz knapp vor Bremen.

Das alles zeigt, dass Sie mit Ihrer Haushaltspolitik am Ende sind. Leider zieht sich dieses Ende aber noch bis zum 14. Mai 2017 hin.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb ist auch eine solide und robuste Schuldenbremse umso wichtiger. Die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse ist ja kein Selbstzweck, sondern konkretisiert das Prinzip der finanziellen Nachhaltigkeit.

Wohin es geht, wenn man das so macht, wie es in der letzten Plenardebatte hier von Rot-Grün eingebracht worden ist, sehen Sie ganz deutlich bei der Koalitionsbildung von Rot-Rot-Grün im Land Berlin.

Jede löchrige Schuldenbremse wird bei passender Gelegenheit sofort ausgehebelt. Das ist ja offensichtlich Ihre Blaupause hier. So verstehen wir jedenfalls Ihren Antrag, den Sie da eingebracht haben. Denn Sie haben schon in der Verfassungskommission mit der 5-Milliarden-€-Kreditermächtigung für den BLB versucht, durch ein Hintertürchen zu gehen. Ausgerechnet der besondere Schweiz-Freund Minister Walter-Borjans soll also eine Schuldenbremse bekommen, die löchriger ist als ein Schweizer Käse.

Herr Minister, wenn Sie in der Zeitung mit dem Satz „Eine schwarze Null heißt, wir schaffen den Staat ab“ zitiert werden, dann will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Das mag ihr Grundverständnis sein.

(Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Bor- jans)

Das haben Sie gegenüber der „Rheinischen Post“ als Zitat freigegeben.

(Widerspruch von Minister Dr. Norbert Walter- Borjans)

Sie können gerne nachher erklären, dass Sie es anders gesagt haben. Aber damals haben Sie es nicht dementiert.

(Christian Lindner [FDP]: Immer dieser Streit um die Zitate!)

Das Zitat stammt aus der „Rheinischen Post“ vom 7. März 2016. Da steht:

„Finanzminister Walter-Borjans: Eine schwarze Null heißt, wir schaffen den Staat ab.“

Und das ist das Grundverständnis vom Staat? Wir haben ein anderes Staatsverständnis, Herr Minister.

Aber weil Ihnen inzwischen an allen Ecken und Enden das Hemd zu kurz wird, kürzen Sie bei der Zukunftsvorsorge. Sie erzählen, Bayern habe eine geringere Zukunftsvorsorge bei Pensionslasten als Nordrhein-Westfalen. Wer aber keine Schulden macht und Schulden tilgt, muss auch nicht so viel für das vorsorgen, was er später nicht mehr bezahlen kann. Sie leben weiter auf Pump.

(Beifall von der CDU)

Hätten Sie nicht die Koalitionsfraktionen veranlasst, dass wir inzwischen eine Änderung des fraktionsübergreifenden Konsens aus dem Jahre 2005 haben, den damals noch Minister Groschek als Sprecher im Unterausschuss Personal mit eingeführt hat. Damals haben wir vereinbart, dass wir Zukunftsvorsorge für jede neu eingestellte Beamtin und jeden neu eingestellten Beamten treffen wollen, und zwar mit dem Ziel, 70 % der zukünftigen Pensionslasten im Haushalt aus einem solchen Fonds zu decken. Wenn Sie das nicht im letzten Jahr gekündigt hätten, dann müssten wir jetzt nicht in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 1 Milliarde € mehr in diesen Fonds einzahlen.

Sie haben das auf 200 Millionen € gedeckelt und gesagt: Das ist ja gar nicht so hoch verzinslich; da können wir das Geld besser ausgeben. – Sie sparen es ja nicht; Sie geben es einfach mehr aus. Damit produzieren Sie ein weiteres Loch von bis zu 9 Milliarden € bis zum Jahr 2025, und Sie hängen dem nächsten Parlament den nächsten Mühlstein um den Hals.

Deshalb brauchen Sie auch in diesem Haushaltsplan wieder Sondertilgungen des Bau- und Liegenschaftsbetriebs. Das innere Darlehen ist dann schneller getilgt. Das mag für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb sogar gut sein. Eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen Sie ja nicht. Aber 2019 fehlt dann das Geld in der mittelfristigen Finanzplanung. Um es rheinisch auszudrücken: Wat fott es, es fott.

Deshalb veranschlagen Sie alle möglichen Positionen, verschieben alles Mögliche in die Zukunft und etatisieren bei den Herausforderungen, die wir aktuell haben – innere Sicherheit und Ähnliches –, dann kw-Vermerke. Diese kw-Vermerke gelten für Stellen, die im Konsens dieses Hohen Hauses eingerichtet worden sind, wofür wir sogar beschleunigte Verfahren durchgeführt haben. Da tun Sie so, als wäre die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen ab 2019 wieder völlig harmlos, sodass man die Stellen einfach wieder abbauen könnte. Sie realisieren in der mittelfristigen Finanzplanung auf einmal diese kw-Vermerke alle wieder. Wer soll Ihnen denn glauben, dass diese mittelfristige Finanzplanung solide ist? Kein Mensch!

Herr Finanzminister, dieses Land muss wieder auf den Boden einer soliden Finanzpolitik und nicht nur einer intensiven Finanzkommunikation. Hören Sie endlich auf, entschlossen auf Kosten der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder zu konsumieren, und tun Sie das, was Ihre Hauptaufgabe ist. Diese besteht nämlich nicht darin, ganz viel Kommunikation irgendwo außerhalb des Parlamentes und außerhalb des Ministeriums zu machen. Sie sind doch der Haushaltsminister des Landes. Das kann man nicht in Teilzeit machen.

(Beifall von der CDU)

Ihre Kommunikationsblase „Effizienzteam“ ist inzwischen auch geplatzt. Inzwischen geben Sie wieder mehr Geld für alle möglichen Mieten aus, als Sie beim Effizienzteam angeblich einsparen wollten. Sie hatten in der vorhergehenden mittelfristigen Finanzplanung noch behauptet, entsprechend einsparen zu wollen.

Ich kann nur folgendes Fazit ziehen: Offensichtlich setzen Sie – außer beim Ausgabenwachstum – nur in einem einzigen Bereich in Nordrhein-Westfalen auf Wachstum, nämlich bei den Stellen in den Ministerien; ganz nach dem Motto – analog zu Willy Brandt, nur leider falsch verstanden –: Mehr Bürokratie wagen!

In Ihrer Wahlperiode sind 567 Stellen netto neu dazugekommen. Noch nie gab es mehr Stellen in den Ministerien; noch nie gab es so viel Ministerialbürokratie; noch nie war der Anteil der Ministerialbeamten am Gesamtpersonal des Landes so hoch. Es geht offensichtlich nicht um mehr Polizisten, mehr Lehrer und mehr andere Mitarbeiter in unserem Landesdienst, sondern um mehr Ministerialbürokratie, um mehr in Ihrem Umfeld. Und das ist nicht mehr Leistung, sondern das ist mehr Bürokratie.

Wer sich dann noch wundert, dass die Steuerung dieses Landes dazu führt, dass wir im Grunde einen Stillstand haben, der muss sich gar nicht mehr wundern; denn die Leute arbeiten zwar, aber sie arbeiten mehr gegeneinander als für das Land. Das ist nicht ein Vorwurf an die Mitarbeiter, sondern liegt am Steuerungsversagen dieser Regierung.

(Beifall von der CDU)

Am Haushalt von Rot-Grün erkennt man eines: Ihr Haltbarkeitsdatum ist am 14. Mai 2017 abgelaufen. – Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Zimkeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Optendrenk, das war das laute Pfeifen im dunklen Wald. Es erinnerte mich sehr an Reden, die wir hier 2012 über das Verfallsdatum rot-grüner Regierungen in NRW gehört haben. Das sollten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Wählerinnen und Wählern überlassen. Wir gehen sehr gelassen in diese Auseinandersetzung, weil wir wissen, dass das Bild, das Sie hier gerade gemalt haben, nichts mit der Realität zu tun hat.

Die Menschen in diesem Land wissen das auch. Das kann man sehr gut an Ihrer Äußerung zum Strukturwandel deutlich machen. Herr Optendrenk, ich kann verstehen, dass Sie das da, wo Sie herkommen, vielleicht nicht nachvollziehen können. Wo Landwirtschaft sehr stark ist, vollzieht sich der Strukturwandel sicherlich langsamer. Aber wenn Sie wie ich aus dem Ruhrgebiet kämen, dann wüssten Sie, dass dieser Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen funktioniert

(Zuruf von der CDU: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

und dass es mit diesem Strukturwandel in NordrheinWestfalen gelingt, die Menschen mitzunehmen.

(Lachen von der CDU)

Sie lachen hier vorne. Da kann ich Ihnen nur empfehlen: Fahren Sie einmal nach England. Fahren Sie einmal nach Wales.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Genau! Da ist es noch schlimmer als hier! Das ist das Krite- rium! Richtig gut!)

Fahren Sie einmal nach Nordfrankreich oder nach Belgien. Schauen Sie sich einmal an, was dort mit den Regionen der ehemaligen Kohle- und Stahlindustrie passiert ist und wie es bei uns im Ruhrgebiet aussieht. Dann merken Sie: Wir können Wandel in Nordrhein-Westfalen. Sie können ihn nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie verzichten mit dem, was Sie gerade als Haushaltspolitik vorgetragen haben, auf jeglichen Gestaltungsanspruch. Wir nehmen diesen Gestaltungsanspruch wahr. Wir konsumieren nicht auf Kosten zukünftiger Generationen, sondern wir investieren in die Zukunft.

Sie sprachen gerade von Bilanzen. Wir halten unsere Wahlversprechen. Uns wird von der Opposition immer vorgeworfen, wir hätten in der Haushaltspolitik unsere Wahlversprechen gehalten. Ja, da sind wir anders als CDU und FDP.

Ich greife einmal das Beispiel „Landesjugendplan“ auf, das wir jüngst diskutiert haben. Als Sie 2005 an die Regierung gekommen sind, hatten Sie versprochen, mehr Geld für Jugendliche bereitzustellen. Sie haben es aber nicht getan. Wir haben es 2010 auch versprochen, und wir haben es gehalten. Dies gilt auch für Studiengebühren und Kitagebühren.