Protokoll der Sitzung vom 01.12.2016

Mann, Mann, Mann, da wird er aber viele Leute angetroffen haben, um mit denen zu sprechen. Aber hallo!

(Beifall von den PIRATEN und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie damit auf Ihr Schulkonzept abzielen, liebe Kollegen von der CDU, muss ich Ihnen bei aller Kritik an dem Konzept von Grünen und SPD sagen: Das, was Sie umsetzen wollen, ist das allerschlechteste aller Konzepte.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Sie entledigen sich der politischen Verantwortung und sagen einfach: Lasst die Schulen das mal machen; die kriegen das schon irgendwie hin.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie bei der FDP!)

Sie tragen damit den Streit in jede einzelne Schule und in jede einzelne Schulkonferenz.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau!)

Auf der Veranstaltung, auf der Frau Dr. Bunse und Frau Gebauer waren, haben die Eltern und auch die Kollegen gesagt, dass sie das nicht wollen.

Die nächste Frage ist doch: Was ist denn mit der Mobilität in NRW? Was passiert denn mit den Schülern,

die auf ein G9-Gymnasium gehen, deren Eltern umziehen müssen, und dann gibt es an der neuen Schule G8? Das führt unweigerlich dazu, dass diese Schüler das Schuljahr wiederholen müssen.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Liebe Kollegen von der CDU, Sie schreien hier ständig: „Wirtschaftsstandortfrage“. Es ist doch ein Nachteil für den Standort NRW, wenn es keine Sicherheit im Schulsystem gibt.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen kein Elitegymnasium und ein Gymnasium für die vielleicht nicht ganz so fitten Schüler – das kann man vielleicht auch anders ausdrücken –; wir wollen ausreichend Lernzeit für alle Schüler. Die Diskussion, die hier gar nicht geführt wird – hier geht es um G8 und G9 –, ist: Es geht doch gar nicht nur darum, Stoff zu vermitteln. Lasst uns doch diesen Schülern diese neun Jahre geben, lasst uns doch mit den Unis kooperieren und lasst uns doch überlegen, was jemand, der fitter ist, schon zusätzlich machen kann, anstatt immer zu überlegen: Wie kriegen wir den schneller durch dieses System geschleust? Das finde ich den komplett falschen Ansatz.

(Beifall von den PIRATEN)

In der gestrigen Pressemitteilung dann so zu tun, als ständen Sie an der Seite der Eltern, finde ich einfach unglaublich. Sie haben sich hier im Sommer der Debatte verweigert, wie alle anderen Fraktionen auch. Sie hätten bereits im April 2015 den Elternwillen ernst nehmen können, als hier Hunderttausend Unterschriften lagen. Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie haben sich kraftvoll enthalten.

In Ihrer Pressemitteilung heißt es: Als CDU-Fraktion stehen wir an der Seite der Eltern, Schüler und Lehrer, die sich die Wahlmöglichkeit für ein echtes G9 wünschen. – Ich frage mich wirklich, ob das nicht peinlich ist. Schließlich ignorieren Sie den Elternwillen seit Jahren, genau wie alle anderen.

Wir haben zu Beginn des runden Tisches im Dezember 2014 einen Antrag eingebracht, der damals die Forderung enthielt: Lasst uns schon während des runden Tisches Ausstiegskonzepte formulieren, damit wir, sollte der runde Tisch scheitern, sofort handeln können. Sie waren genauso wie alle anderen in diesem Haus empört darüber, wie wir diesen Vorschlag machen konnten. Wie konnten wir das wagen!

Wir, meine Damen und Herren, stehen an der Seite der Eltern in diesem Land. Wir haben Unterschriften gesammelt, und wir haben die Initiative G9 jetzt unterstützt. Wir freuen uns, dass das jetzt weitergeht.

Einen Satz möchte ich noch sagen. Ich habe letztens auf der Heimfahrt WDR gehört, und dabei ging es um Populismus in diesem Land. Es hieß – und das hat mich selber überrascht –, dass G8 und G9 auch ein

Thema sei, in dessen Zusammenhang die Menschen gesagt haben: Wir verstehen Politik nicht. 80 % der Bevölkerung möchte G8, sprich das Turboabi, nicht, sondern möchte lieber ein G9, und hier wird herumgeschwurbelt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie diesen Hokuspokus sein, und nehmen Sie den Elternwillen endlich ernst!

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Martin- Sebastian Abel [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kaiser, ich empfehle Ihnen, nicht nur die Zeitungen vom September, sondern vielleicht auch die „WZ“ vom 22. November zu lesen, wo ausdrücklich steht: „Kein Weg ins Chaos“. Das sage ich nur kurz am Rande.

Die Diskussion um die Ausreifung der verschiedenen Vorschläge zur Frage G8/G9 geht bei allen Parteien voran, und das zeigt, dass wir alle dieses Thema sehr ernst nehmen. Das ist auch richtig so.

Ihr Antrag, lieber Herr Kaiser, zeigt, dass es gut gewesen wäre, wenn jemand von Ihrer Fraktion auch zum runden Tisch gekommen wäre;

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

denn dann könnten Sie sich im Anschluss qualifiziert zu dem äußern, was da passiert ist. Ich kann nur sagen: Das war eine sehr ruhige und sehr sachliche Diskussion, bei der alle – auch wir – sehr viel lernen konnten. Selbst ein Blick in die öffentlich verfügbare Präsentation aus der Sitzung hätte geholfen. Insofern frage ich mich: Wer hat Sie beraten, einen solchen Antrag hier vorzulegen?

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ja!)

Erstens. Sie wollen ein echtes, neues G9. Was genau Sie sich darunter vorstellen, bleibt allerdings vage. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie nicht zum alten G9 mit 179 S-I-Stunden zurück wollen? Ist es richtig, dass Sie bei Ihrem Vorschlag die vorhandene Stundentafel sowie die curricularen Grundlagen des laufenden neuen Schulversuchs mit 188 S-I-Stunden ebenfalls nicht ansteuern, obwohl der erste Jahrgang gerade jetzt in der für die Thematik nicht ganz unwichtigen Klasse 10 angekommen ist? Trifft es zudem zu, dass Sie zwar G8 beibehalten, aber einen dazu parallelen neuen G9-Aufschlag mit 180 S-IStunden ohne weitere differenzierende Angaben wollen, ohne auf die bereits gegen Schuljahresende

vorliegenden und vom Land finanzierten Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitforschung zu G8 und G9 zurückzugreifen?

Ich finde das nicht besonders differenziert im Vorgehen. Sie als alter Hase der Schulpolitik müssten doch wissen, dass es gerade in schulpolitischen Fragen auch sehr aufs Detail ankommt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie all das hier nicht beantworten können, dann ist das, was Sie vorlegen, nichts anderes als die bildungs- und finanzpolitisch völlig verantwortungslose Generierung einer neuen Schulform ins Blaue hinein, die die Debatte entgegen allen Empfehlungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des runden Tisches in die Schulen trägt und Gift für die Mobilität der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern wäre.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens. Sie wollen die Landesregierung mit der umgehenden Vorbereitung einer neuen G9-Stundentafel sowie der Entwicklung neuer Lehrpläne beauftragen. Finden Sie eine solche Vorgehensweise angemessen? Irritiert es Sie kein bisschen, dass wir in diesem Hause aktuell mindestens so viele präferierte Modelle wie Fraktionen haben?

Auch dass ich den Gesetzentwurf des Bürgerbegehrens aus unterschiedlichen Gründen nicht gutheißen kann, insbesondere hinsichtlich der Frage, wie die Finanzierung aussieht, nämlich eine Finanzierung des Gymnasiums zulasten aller anderen Schulformen und ein Zurück zur Halbtagsschule, das möchte ich hier einmal feststellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie von der CDU meinen, in dieser Frage einen Schnellschuss abgeben zu müssen, dann legen Sie doch einen aussagekräftigen Schulgesetzentwurf hierzu vor und suchen Sie sich Mehrheiten! Streiten sie erneut mit den Verbänden um die Verteilung der Stunden auf die Fächer und klären Sie, wie Sie unter Einhaltung von KMK-Bildungsstandards einen anschlussfähigen Neuaufschlag bei den Lehrplänen machen wollen! All dies kann man tun. Als verantwortungsbewusste Politikerinnen und Politiker aber bitte gut vorbereitet und in seriöser Weise!

(Beifall von den GRÜNEN und Wolfgang Große Brömer [SPD])

Drittens, lieber Herr Kaiser: Sie wollen, dass alle Gymnasien selbst entscheiden können, ob sie als Halbtags-, offene oder gebundene Ganztagsschulen arbeiten. Das ist längst Praxis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr als ein Viertel aller Gymnasien mit mehr als 81.000 Schülerinnen und Schülern werden im gebundenen Ganztag geführt. Die übrigen Gymnasien,

in Ihrer Terminologie Halbtagsschulen, haben aber umfangreiche, erweiterte freiwillige Bildungsangebote entwickelt. Die Welt in den Gymnasien ist heute viel differenzierter, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich speise meine Erfahrungen nicht aus Schulbesuchen in den Herbstferien, sondern aus dem Besuch von immerhin 100 Gymnasien in den letzten Jahren in diesem Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bilde mir ein, einen ziemlich guten Einblick zu haben.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich bleibt mein Haus nicht untätig. Deswegen haben wir den runden Tisch auch gemacht. Die Fragen sind alle aufgefächert. Aber natürlich nimmt sich mein Haus auch nicht heraus, irgendetwas vorzubereiten, ohne dass es dazu einen Auftrag der Bevölkerung und einen Auftrag dieses Parlaments gibt. Das betrachte ich als demokratische Kultur, zu der ich mich ausdrücklich auch verpflichtet fühle und die ich sehr wertschätze.