Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Dieses Vorgehen der Landesregierung basiert auf einer Konsultation auch mit den Betroffenen. Am Dienstag hat es ein ausführliches Gespräch mit den Vertretern des Handwerks, der Dachdecker, den Entsorgern und auch den Vertretern der Müllverbrennungsbranche in Nordrhein-Westfalen gegeben. Es hat sich in der Tat herauskristallisiert, dass wir ein Regelungsproblem haben, das wir nicht kurzfristig klären können, auch nicht mit Erlassen, sodass wir Zeit brauchen, um die Anforderungen der Europäischen Kommission zu erfüllen, nämlich den Nachweis zu führen, gefährliche Stoffe aus dem Kreislauf auszuschleusen.

Um dieses Fristproblem zu lösen, enthält der Antrag des Landes die Forderung, die Deklaration HBCD als gefährlicher Stoff für ein Jahr auszusetzen und während dieser Zeit eine entsprechende Nachweisregelung gegenüber der Europäischen Kommission zu finden.

Darüber wollte ich Sie gerne unterrichten, bevor wir dann in die Debatte einsteigen. Das ist der Diskussions- und Bezugspunkt für die morgige Bundesratsentscheidung. Da, meine ich, macht es Sinn, dass man sich auch auf diese Frage bezieht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt eröffne ich die Aussprache zu dem vorliegenden Tagesordnungspunkt. Als erster Redner hat der Kollege Hausmann für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grundlage unseres Antrages ist eine fatale Entscheidung, die der Bundesrat getroffen hat. Seit dem 1. Oktober 2016 sind HBCD-haltige Dämmmaterialien gemäß der Abfallverzeichnis-Verordnung des Bundes als gefährlicher Abfall zu handhaben. Das heißt, Polystyrol-Dämmstoffe müssen seit dem 1. Oktober 2016 getrennt gesammelt und entsorgt werden. Das heißt, seitdem

darf zum Beispiel Styropor, das das Brandschutzmittel HBCD enthält, nicht mehr zusammen mit übrigem Bauschutt entsorgt werden.

Meine Damen und Herren, das ist eine Entscheidung, die nur Leute treffen können, die nie auf einer Baustelle waren, die nie gesehen haben, wie dieses Material eingebaut oder ausgebaut, entsorgt wird.

(Beifall von der CDU)

Das Material wird gesägt, es zerkrümelt, es zerbröselt, es ist elektrostatisch haftend. Das heißt, kleinste Teile von diesem Material sind nicht nur dort direkt in der Entsorgung zu finden, wo sie in den Container hineingehören. Ich würde mal behaupten, an nahezu jeder Baustelle, wo das Material eingebaut worden ist, ist es auch heute noch in den Baugruben, in den Auffüllungen rund um das Gebäude nachzuweisen. Wenn das alles jetzt unter diese Entsorgungsregelung fallen soll, dann weiß ich nicht, wie man damit in der Praxis umgehen soll.

Gleichzeitig ist der Preis für die Entsorgung von 156 € pro Tonne auf über 6.000 € pro Tonne, Stand Oktober 2016, gestiegen. Das bringt für die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe unbezahlbare Kostensteigerungen in bestehenden Werksverträgen. Das führt bei Betrieben zu Kündigungen, zu Baustellenstillstand, zu drohenden Entlassungen. Das ist eine unerträgliche Situation für unser Handwerk.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks hat darauf hingewiesen, wie bedrohlich die Situation ist. Wir sehen hier – deshalb haben wir den Antrag eingebracht – die rot-grüne Landesregierung in der Verantwortung.

Was wurde bisher gemacht? – Herr Minister Remmel hat in einem relativ belanglosen Papier die Probleme beschrieben, aber es zeichnete sich keine Lösung ab. Nachdem wir die beteiligten Stellen im Bauministerium und Umweltministerium angeschrieben haben, haben wir gesagt: Okay, dann müssen wir einen Antrag stellen, dann müssen wir es plenar machen. – Gleichzeitig sind andere Bundesländer vorangegangen, das Saarland, Sachsen, und haben gesagt: Wir müssen hier einschreiten. Wir müssen im Bundesrat aktiv werden.

Ich freue mich, dass Sie, Herr Minister, jetzt eingelenkt haben, Sie auch dazu bereit sind, im Bundesrat aktiv zu werden und somit unserem Anliegen und unserem Antrag nachkommen und hier eine Veränderung mitbewirken wollen. Das ist zugegebenermaßen in letzter Sekunde, aber wenn das morgen wirken soll, dann ist es gerade noch rechtzeitig.

Meine Damen und Herren, ich will noch darauf abheben, was es bedeutet, wenn Sie das auf ein Jahr be

fristen. Das ist der Knackpunkt in der ganzen Geschichte, wo Sie sich ja auch von den Anträgen des Saarlandes und Sachsens unterscheiden. Denn diese einjährige Befristung – wir sehen, dass Sie sich bewegt haben; wir würden dem auch zunächst einmal zustimmen – reicht jedoch wahrscheinlich nicht aus.

Ich habe Ihnen eben die Problematik geschildert, wie es sich auf den Baustellen darstellt und es sich sicherlich auch in den nächsten Jahren noch darstellen wird. Es ist auch kein Geheimnis, dass nach dieser EG-POP-Verordnung jetzt immer weitere Baustoffe nach und nach untersucht werden. Das heißt, diese Liste, in der Sie handeln müssen, was momentan der Dämmstoff Styropor ist, wird sich erweitern.

Das bedeutet, wir haben eine immer größere Problematik auf Baustellen, sodass diese Übergangsfrist absolut unzureichend ist. Ich weiß auch, woher sie kommt. Umweltverbände gehen momentan hin und sagen: Na ja, das ist doch eine wunderbare Chance. Jetzt könnt ihr doch an einem herrlichen RecyclingKonzept für diese tollen Stoffe arbeiten. – Aber in diesen tollen Stoffen ist nach wie vor das HBCD drin, und die Möglichkeiten, es auszuschleusen, die sie gerade angesprochen haben, stehen großtechnisch noch gar nicht zur Verfügung. Ich bezweifle, dass das in einem Jahr gelingen wird.

(Beifall von der CDU)

Vor dem Hintergrund, was bei den Handwerksbetrieben zurzeit schon auf Halde liegt, die einfach nicht mehr können, weil mit diesem Material bis unters Dach alles vollgestopft ist, müssen Sie an der Stelle anders handeln.

Wir gestehen Ihnen zu, Sie haben auf unseren Antrag reagiert, Sie haben eingelenkt. Es ist ein gutes Zeichen für das Handwerk, auch ein gutes Zeichen für die Politik, dass man darauf reagiert. Das muss vollzogen werden. Wir werden dem auch zustimmen. Aber behalten Sie bitte im Kopf, dass es nicht reichen wird, wenn Sie an diesem einen Jahr in der Befristung festhalten. Es wird bis zu diesem Zeitpunkt kein großtechnisches Recycling und keine Weiterverwertung geben. Die Handwerksbetriebe brauchen aber, da solche Werksverträge oft über ein oder zwei Jahre laufen, eine Planungssicherheit, und die ist mit dieser einjährigen Befristung nicht gegeben. Das ist sozusagen der Knackpunkt, den Sie hier leider wieder einbauen und den wir für absolut bedauerlich halten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Ellerbrock von der FDP-Fraktion.

Ich möchte die im Landtag vertretenen Fraktionen jetzt darüber informieren, dass Herr Hovenjürgen für

die antragstellende Fraktion gerade mitgeteilt hat, dass der Antrag entgegen der vorliegenden Tagesordnung nicht direkt abgestimmt, sondern in den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – natürlich inklusive des Änderungsantrags – überwiesen werden soll. Dort soll er dann gemäß unserer Geschäftsordnung in öffentlicher Sitzung abschließend behandelt werden. Darauf können Sie sich jetzt in der Debatte und bei Ihrem weiteren Verhalten einstellen.

Herr Kollege Ellerbrock, jetzt haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein Problem. Wir müssen auf der einen Seite den Handwerkern helfen, wir müssen Rechtsunsicherheiten vermeiden, und wir müssen auf der anderen Seite selbstverständlich eine geordnete verantwortbare Entsorgung kostengünstig ermöglichen.

Wenn wir jetzt den Antrag in die Ausschüsse überweisen, was ich ausdrücklich begrüße, dann stelle ich für die FDP-Fraktion auch den Antrag, dass wir dieses nicht nur im Bauausschuss, sondern vor allen Dingen, weil es ein Handwerksproblem ist, auch im Wirtschaftsausschuss mit bearbeiten.

(Beifall von der FDP)

Herr Minister, Sie haben heute ein ungewöhnliches Verfahren gewählt, darüber zu Beginn der Beratung dieses Tagesordnungspunktes zu berichten. Das beflügelt sicherlich die Diskussion, die wir in den Ausschüssen fortsetzen können. Ich finde richtig, dass Sie den einen richtigen Schritt in die richtige Richtung getan haben.

Ich möchte Ihnen einmal die Beantwortung meiner Kleinen Anfrage vor Augen halte. Auf die Frage, ob die Landesregierung beabsichtige, dem Aufruf der Bundesumweltministerin nachzukommen und im Bundesrat eine Entschließung zur Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung voranzutreiben, damit derartige Abfälle nicht mehr als gefährlich einzustufen seien – das ist dieses Styropor –, antworten Sie: Die Landesregierung beabsichtigt nicht, aufgrund temporärer Entsorgungsprobleme

(Ralph Bombis [FDP]: Aha!)

einer einzelnen Abfallart eine ökologisch sinnvolle Regelung der Abfallverzeichnis-Verordnung zurückzunehmen.

Meine Damen und Herren, wenn der Umweltminister jetzt sagt, das Problem sei erkannt, es handele sich also nicht nur um ein temporäres – wie er anfangs angenommen hat – Entsorgungsproblem, sondern es handele sich um ein erhebliches Problem, und wenn er letztendlich sagt, wir müssten diese Ausnahmeregelung zumindest fortschreiben – dann müssten wir vielleicht auch noch die Ausnahmeregelung

um andere Stoffe erweitern; darauf hat Herr Kollege Hausmann eindeutig hingewiesen; sonst sind das Stellschrauben ohne Ende, ist es Bürokratismus ohne Ende –, dann muss man sagen: Er ist nicht immer beratungsresistent.

(Lachen von Ralph Bombis [FDP] – Zuruf von Minister Remmel)

Das ist eine Formulierung, zu der ich mich als Opposition hinreißen lassen kann.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, was ist das Problem? – Das Problem ist, dass aufgrund einer Bundesratsverordnung im Nachgang einer EU-Verordnung die Abfallverzeichnis-Verordnung geändert worden ist und Styropor – ich sage es mal so knapp – als gefährlicher Abfall einzustufen ist. Ist das überhaupt ein Problem? – Natürlich ist es ein Problem. Es muss getrennt gesammelt werden, es muss getrennt transportiert werden, es muss getrennt verwertet werden, es muss getrennt als Reinfraktion letztendlich verbrannt werden.

Das halten normale Müllverbrennungsanlagen schon von der Temperatur nicht aus. Denn Styropor – das wissen Sie selbst – ist leicht, hat ein sehr großes Volumen und einen sehr hohen Brennwert. Das halten die Anlagen nicht aus. Deswegen wurde Styropor früher zusammen mit Bauabfällen als Baumischabfall verwertet, und das soll nach den jetzigen Vorstellungen wieder ermöglicht werden.

Hat das auch zu Ihrer Beratungsoffenheit geführt? Wissen wir denn, um welche Mengen es sich insgesamt handelt? Wohin kommen die jetzt? Hätte eigentlich Nordrhein-Westfalen überhaupt die Verbrennungskapazität, das überhaupt in Reinfraktion zu verbrennen? Das sind Fragen – die kann man vielleicht im Ausschuss noch näher diskutieren –, die für uns wirklich wichtig sind.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Der Minister hat auf unseren Antrag – Kollege Hausmann, ich glaube, das müssen wir zugestehen – einen richtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Wenn die Opposition der Regierung zu neuen Einsichten und zu neuen sachgerechteren Handlungsmöglichkeiten verhelfen konnte, dann sind wir als Opposition unserem Auftrag nachgekommen. Sie haben sich dem nicht verweigert. Das muss man positiv darstellen. Es gilt, dem Handwerk zu helfen, die Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und eine vernünftige Entsorgung zu gewährleisten. – Frohe Weihnachten allerseits!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Watermann-Krass.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von dieser Seite her kann ich auch nur sagen: Problem erkannt! Die Landesregierung hat gehandelt.

(Zurufe von der CDU)

Den Hinweis sowohl von Herrn Hausmann als auch von Herrn Ellerbrock fand ich jetzt gut, und die Situation ist zurecht beschrieben worden. In dem Bereich ist aber auch mit Nachdruck versucht worden, für Aufklärung zu sorgen.

Deswegen kann ich es nur sehr begrüßen, dass das Umweltministerium reagiert hat und dass Gespräche mit Verbänden, Firmen, Entsorgern und Anlagenbetreibern gesucht worden sind. Mit dem Erlass vom 25. Oktober 2016 sowie einer Ergänzung zum 2. November 2016 ist eine Klarstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen vorgenommen worden.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Eine schnecken- hafte Reaktion!)

Der Abfall muss nicht getrennt gesammelt werden. Eine Vermischung mit weniger heizwertreichen Abfällen ist zulässig. Der vermischte Abfall ist zwar ein gefährlicher Abfall, aber – und Sie fragten ja gerade nach den Kapazitäten, Herr Ellerbrock – 14 von 16 Hausmüllverbrennungsanlagen in NRW sind für die Verbrennung von gefährlichem Abfall zugelassen. Dennoch sind die Probleme damit noch nicht restlos behoben; denn das Problem liegt vielmehr bei den Entsorgern, sprich den Annahmestellen für die Aufbereitung des Mülls. Von diesen haben nämlich wiederum nur wenige eine Genehmigung für gefährliche Abfälle.