Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Neuntens. Familien mit besonderen Belastungen müssen sich auf die Gesellschaft deutlich verlassen können. Gerade die familiäre Pflege bedarf der intensivsten Stärkung. In diesem Bereich müssen wir uns noch verbessern. Insbesondere Familien mit behinderten Kindern brauchen gesellschaftliche Solidarität, und sie müssen das konkret spüren.

Zehntens. Familien mit Zuwanderungsgeschichte – da hat Nordrhein-Westfalen eine große Tradition – benötigen Bildung, Gesundheit und Zugang zum Arbeitsmarkt. Das ist die große Chance einer gelingenden Integration. Gesellschaftliches Engagement und

soziale Netzwerke müssen deshalb unterstützt werden.

Elftens. Wir benötigen eine Stiftung „Starke Familien“; dabei stellen wir uns das Prinzip der Zustiftung vor.

Zwölftens. Lassen Sie mich das sagen: Familienpolitik ist kein „Gedöns“. – Sie wissen ja, wer das gesagt hat. Familie muss vor die Klammer gezogen werden. Eine Landesfamilienkonferenz und ein Wettbewerb um familiengerechte Kommunen können zum erforderlichen Paradigmenwechsel beitragen.

Ich komme zum Schluss. Was kommt, wenn Familie geht? – Der Staat ist dramatisch überfordert, wenn er glaubt, die grundlegende Solidarität, die von der Familie ausgeht, ersetzen zu können. Der Staat braucht die Familien wegen ihrer sozialen Bindekraft. Deshalb ist der Schutz von Ehe und Familie in der Verfassung mehr als begründet. Das ist die zeitgemäße Betrachtung!

Wir treffen damit ausdrücklich den Willen der Bevölkerung. Familie wird den Deutschen immer wichtiger. 1998 waren 68 % der Bevölkerung der Überzeugung, dass ihnen die Familie ein Gefühl von Sicherheit gibt. Heute sind es bereits 79 %, die die Familie ins Zentrum stellen. Weit über drei Viertel der Befragten sagen, dass Ihnen Familie das Wichtigste überhaupt ist. Wenn das kein Auftrag für die Politik ist, dann weiß ich es auch nicht!

Resümee: Die Enquetekommission zur „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ hat sehr gut gearbeitet. Das sage ich trotz unterschiedlichster Sichtweisen im Einzelfall und im Respekt vor dem Andersdenkenden in den auf demokratischem Fundament arbeitenden Parteien im Landtag NordrheinWestfalen. Auch wenn die CDU-Fraktion nicht allen Empfehlungen zustimmen kann, werden wir der Gesamtpräsentation zustimmen, weil sie die ganze Diskussionsbreite aufzeigt.

Ein wichtiger Hinweis am Rande: Die Katholische Kirche in Nordrhein-Westfalen mit ihren fünf Bistümern hat am 17. Januar dieses Jahres ein bemerkenswertes Papier zur Familienpolitik in NordrheinWestfalen herausgegeben – modern und zeitgemäß. Man kann den vielen Experten nur dankbar sein und ihnen zu dieser Arbeit gratulieren. Das ist ein starker Aufschlag.

Darin wird eine stärkere Priorisierung der Landespolitik zugunsten der Familienpolitik gefordert. Ich denke, das ist ganz im Sinne der Enquetekommission. Des Weiteren wird in dem Papier gefordert – ich zitiere –, „eine Prüfung aller Gesetzesvorhaben auf ihre generationenübergreifende Familienverträglichkeit zu installieren“, damit die Vokabel „Querschnittsaufgabe“ künftig weniger zur Ausweichlegitimation dient, sondern operativ wirksam wird.

Die Tagespolitik hat jetzt ein großes Aufgabenheft vor sich, das es ab sofort zu bearbeiten gilt. Es bleibt noch viel zu tun im Land Nordrhein-Westfalen bis wir Familienland Nummer eins sind. Machen wir uns also auf den Weg! – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Genau auf den Punkt, Herr Kollege Kern. Die Redezeit war gerade vorbei. Vielen Dank. – Nun hat für die Grünen Frau Kollegin Velte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte einen Dank an alle Mitglieder der Kommission voranstellen. Wir haben gestritten. Wir haben gelernt, dass – zu meiner großen Überraschung – Familie ein extrem emotionales Thema ist. Wir haben lange gebraucht, bis wir uns so weit zusammengerauft hatten, dass wir unsere Sichtweisen ein Stück weit einander angleichen konnten.

Heldin dieses ganzen Prozesses – diese Bemerkung sei mir gestattet – ist Frau Ingrid Hack als Vorsitzende, die es immer wieder geschafft hat, auch zerstrittene Positionen zusammenzuführen. Ich finde, da hat sie eine Menge Verdienst erworben.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Fast 40 % der in Nordrhein-Westfalen lebenden Familien haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Die Wurzeln ihrer Großeltern liegen nicht in Deutschland. Sie machen einen wesentlichen Teil Nordrhein-Westfalens aus. Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass wir dieses Thema in der Kommission immer mit diskutiert haben. Wir haben im Zusammenhang mit den vielen Familien mit Migrationsgeschichte immer wieder überlegt: In welcher Situation sind sie betroffen? Wie gehen sie mit der Situation um? – Wir haben eigene Handlungsempfehlungen entworfen, die sich speziell um die Belange der Familien mit Wurzeln in anderen Ländern kümmern.

Eine ganz wichtige Fragestellung – das hat hier noch niemand erwähnt – ist die Anerkenntnis der Mehrsprachigkeit der Familien, der Kinder, und die Anerkenntnis der Diversität dieser jeweiligen Communitys. Dazu haben wir Handlungsempfehlungen verabredet.

Unser übereinstimmendes Ziel ist es, dass alle Kräfte, die sich um diese Kinder kümmern, armutssensibel und kultursensibel ausgebildet werden müssen. Das ist in einem Land wie Nordrhein-Westfalen sehr wichtig. Da schon viele Menschen in diesem Bereich tätig sind, können wir in Nordrhein-Westfalen sehr stolz auf die Erzieherinnen und auf die Lehrer

und Lehrerinnen sein, die diese Kunst bereits beherrschen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Häufig war auch die Rede von Gebührenfreiheit, vom Familienfördergesetz usw. Wir haben sehr viel darum gestritten, wie es gelingen kann, dass wir zueinanderkommen und uns um diejenigen Menschen in unserem Land kümmern, die unter dem Stichwort „einkommensarm“ in unseren Städten leben. Das ist mir ein großes Anliegen.

Es hat mich sehr schockiert, dass es von Teilen der Kommission hieß – Frau Hack hat es bereits erwähnt –: Das Thema „Einkommensarmut“ interessiert uns eigentlich nicht. – Als Kommission haben wir dann gemeinsam entschieden, dass die Einkommensarmut mit Blick auf Familie ein wichtiges Thema ist. Wir haben sehr lange den von KeKiz vorgetragenen Ergebnissen gelauscht; wir haben auch den Ergebnissen von Herrn Prof. Dr. Strohmeier gelauscht, der sehr deutlich gemacht hat, welche Folgen die Einkommensarmut von Familien auf die Kinder und auf das gesellschaftliche Gedeihen hat.

Gemeinsam haben wir uns darauf verständigt, dass wir die Quartiere, die Stadtteile, die Straßenzüge, in denen diese Menschen leben, noch einmal neu in den Blick nehmen und uns überlegen: Mit welchen Instrumenten gelingt es uns, dort die höchste Qualität hineinzubringen? Wie können wir unsere Stadtteile so aufwerten, dass sich Familien dort auch wertgeschätzt fühlen? Wie viel Grün können wir in diese Stadtteile hineinbringen? Wie viel Bildung können wir in diese Stadtteile hineinbringen? Wie kann es gelingen, dass die Eltern und die Familien dort besser und stärker an Gesellschaft teilhaben können? Das war eine ganz wesentliche Frage, die wir viele Stunden diskutiert haben; denn in einer Gesellschaft wie der unseren gelten diese Eltern zum Teil als abgehängt.

Die Investitionen, die wir als Land in unseren Kommunen tätigen wollen, und für die wir entsprechende Forderungen an den Bund stellen, müssen auch gerade diese Menschen in den Blick nehmen. Das erfordert eine gewisse Wertschätzung der Familien. Wer Familien, denen es nicht so gut geht, nicht wertschätzt, schätzt Familie insgesamt nicht wert.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Ich komme zum Schluss und bleibe beim Thema. Wir alle haben betont, wie wichtig uns Familie ist. Umso dramatischer ist es, wenn die Frage des Familiennachzugs bei geflüchteten Menschen kritisch diskutiert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und vielen Dank an die Kommission.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ver- einzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Velte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Kerbein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als zwei Jahre ist es her, dass wir gemeinsam die Einsetzung der Enquetekommission zur „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ beschlossen haben. Heute ist das Parlament zusammengekommen, um die Ergebnisse und die Empfehlungen der Enquetekommission zu beraten.

Im Rahmen dieser Kommission konnten wir zentrale Anliegen für Familien gemeinsam mit Vertretern aus den Verbänden, mit zahlreichen Experten und Praktikern erörtern und erfreulicherweise in den Fokus der Landespolitik rücken. Sie spiegeln sich im Gesamtbericht der Enquetekommission und in den 169 Handlungsempfehlungen wider. Dabei enthält jeder Bereich eine Vielzahl von Vorschlägen und Vorhaben, von denen wir Freie Demokraten etliche unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Wir konnten nicht allen Vorschlägen zustimmen. Wo es uns notwendig erschien, haben wir dann eigene Vorschläge entwickelt.

Besonders im Fokus der Enquetekommission stehen die Herausforderungen der unterschiedlichen Familienformen und die Stärkung von Bildung und Betreuung der Kinder sowie die Familienzeit.

Familien bedeutet für die Freien Demokraten auch, aber nicht nur, die Lebensgemeinschaft von Ehepaaren mit ihren leiblichen Kindern. Familie ist heute jedoch mehr: Alleinerziehende, Patchworkfamilien und gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern als Familie zusammen.

Weitere Kernanliegen gerade der FDP-Fraktion sind der Abbau bürokratischer Hürden, die Stärkung familiärer Freiheit und der Infrastrukturausbau.

(Beifall von der FDP)

Diese Themen wollen wir Freie Demokraten auch in 2017 weiter voranbringen.

Von den familienpolitischen Themen, die die Kommission behandelt hat, möchte ich besonders auf das Thema der wirksamen Familienpolitik eingehen. Die Faktoren Effektivität und Effizienz zeigen ein hohes Potenzial für die Familienpolitik in NRW. Nicht nur die Haushaltskonsolidierung steht dabei im Vordergrund, sondern besonders die Frage, wie die öffentlichen Gelder wirtschaftlich eingesetzt werden, damit die Ziele auch erreicht werden.

Hierzu hat die Kommission eine Reihe von Handlungsempfehlungen einstimmig beschlossen. Diese

zeigen auf, wo Politik ansetzen muss, damit die Wirksamkeit von Maßnahmen für Familien verbessert wird. Drei zentrale Schwerpunkte möchte ich nennen.

Erstens. Die Enquetekommission erachtet es als notwendig, dass das Land präzisere familienpolitische Ziele benennt. Auf dieser Basis lässt sich überprüfen, ob und inwiefern familienpolitische Leistungen wirksam sind.

Zweitens. Das Land soll darüber hinaus gemeinsam mit den Kommunen auch die Datenlage verbessern. So schätzen Experten, dass ein Großteil von kommunalen Daten für Fragestellungen der Familienpolitik nicht geeignet ist. Die Kommission empfiehlt daher, bereits bestehende Daten besser für wirtschaftliche Untersuchungen nutzbar zu machen.

Drittens. Die Aufarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Themen lässt für die Enquetekommission nur einen Schluss zu. Das Land soll, ja muss eine Machbarkeitsstudie durchführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Leistungen der Familienpolitik in Anspruch nimmt, muss sich auch sicher sein, dass sie wirklich hilfreich sind. Dabei wollen wir die Eltern und deren Kinder unterstützen. Wir wollen der Familienpolitik in NRW zu ihrer Wirksamkeit verhelfen.

Wir sind der festen Überzeugung: Wenn so vorgegangen wird, dann klappt es auch mit der Präventionsrendite.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir Freie Demokraten sind außerdem davon überzeugt, dass glückliche Familien der beste Nährboden für das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen zu mündigen und selbstständigen Personen sind.

(Beifall von der FDP)

Die Hervorhebung der Eigenverantwortung von Familien und Familienmitgliedern bei der Gestaltung des Alltags war ein wesentliches Ziel unserer Anhörung „Glück und Zufriedenheit von Familien“. Viele Sachverständige betonen, dass Glück in Familien einen sehr hohen Stellenwert hat.

Familien und deren Mitglieder zeigen sich erfreulicherweise größtenteils sehr zufrieden mit ihrem Lebensalltag. Die eigenverantwortlich und gemeinsam gestaltete Zeit hat für viele Familien einen sehr viel höheren Anteil an Zufriedenheit und Wohlbefinden als die finanzielle Ausstattung.