Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Wider- spruch von der SPD)

und legt durch einen politisch festgelegten Landeshochschulentwicklungsplan Prioritäten fest. Das vermindert grundsätzlich die Attraktivität von NordrheinWestfalen für internationale Wissenschaftler, um sich hier anzusiedeln.

(Beifall von der CDU)

Viertens. Sie haben die Einführung von Zivilklauseln begünstigt. Diese Zivilklauseln sollen einen Großteil von möglichen Forschungsvorhaben politisch diskreditieren. Internet und Teflon-Pfanne wären mit Ihrer Politik in Nordrhein-Westfalen schon grundsätzlich nicht möglich gewesen.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Fünftens. Sie haben ein Programm „Fortschritt NRW“ aufgelegt, das Sie eben erwähnt haben. Dieses Programm hat – und wen wundert es – in erster Linie soziale Innovationen im Blick und nicht technologische. Diese Schwerpunkte des Programms „Fortschritt NRW“ sind auch noch Maßstab der Forderung. Im Klartext heißt das: Jedes EFRE-Projekt muss durch Ihren rot-grünen Filter laufen, und erst dann kann eine Förderung gewährt werden. Das ist das Gegenteil von Freiheit.

Sechstens. Sie unternehmen viel zu wenig im Zukunftsbereich Digitalisierung. In Nordrhein-Westfalen fehlt es an Voraussetzungen für das digitale Lernen, den digitalen Wissensaustausch und eine digitale Forschungsstrategie. Wir brauchen mehr Vernetzung von IT-Kompetenzen, digitalen Plattformen, Hochschulclouds, Blended-Learning-Formaten. Es heißt ja auch die Digitalisierung, Digitalisierung ist ja weiblich, das liegt Ihnen so am Herzen. Es bleibt also die Frage im Raum stehen, warum Sie ausgerechnet an dieser Stelle das weibliche Element nicht fördern.

(Michael Hübner [SPD]: Wie sind Sie denn drauf?)

Siebtens. Die beschämendste Zahl – und jetzt komme ich wieder auf einen etwas ernsteren Punkt zurück –, die wir in diesem Haus in Nordrhein-Westfalen im Bereich Forschung hinnehmen müssen,

sind die Investitionen für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt.

(Beifall von der CDU)

Baden-Württemberg gibt 5 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus, Bayern 3,17 %, Berlin 3,64 %, Niedersachsen 2,96 %, Sachsen 2,66 %, Hessen 2,88 %, Deutschland im Schnitt 2,88 % des BIPs. Die Bundesregierung hätte gerne im Schnitt 3 %. Und wie sieht es in Nordrhein-Westfalen aus? – Nach sieben Jahren Svenja Schulze wendet Nordrhein-Westfalen lediglich 1,98 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auf.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Damit liegen wir wieder einmal deutlich unter dem Schnitt. Wir sind Viertletzter im Bundesranking. Mit dieser Zahl versündigen Sie sich hier im größten Land der Republik an der Zukunft.

(Michael Hübner [SPD]: Teilen Sie das doch einmal auf!)

Wir werden immer wieder Zeiten mit Nullwachstum hinnehmen müssen.

Alle diese sieben Punkte zeigen in aller Klarheit und Eindeutigkeit, dass Sie, Frau Ministerin Schulze, keine Antenne für das Thema Forschung haben und dass Sie das Thema Technologie nur nachrangig behandeln.

In Ihrer siebenjährigen Tätigkeit haben wir in diesem Haus so gut nie über das Thema Forschung gesprochen, und es gab auch keine nennenswerten Initiativen aus den Reihen der regierungstragenden rotgrünen Fraktionen. Sie hätten ja auch einmal zu dem Thema etwas sagen können. Das haben Sie so gut wie nicht getan.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben die Tages- ordnung mitgestaltet. Sie hatten nie etwas zu beantragen!)

Deswegen nenne ich Ihnen jetzt einmal einige Punkte und Leitlinien, die dazu beitragen werden, dass Nordrhein-Westfalen wieder einen innovatorischen Impuls erhält.

Meine Damen und Herren, da machen wir uns nichts vor: Die Herausforderungen sind gewaltig. Durch Digitalisierung entstehen fast täglich innovative Technologien und Geschäftsmodelle. Neue Anbieter erobern in kürzester Zeit den Markt und stellen etablierte Positionen infrage. Neue Wettbewerber kommen derzeit vor allem aus den USA. Und beispielsweise bei Cloudcomputing und Big Data haben deutsche Unternehmen oftmals das Nachsehen.

Ein erster grundlegender Ansatz durch internationale Vergleiche belegt: Hochschulen sind in Forschung und Lehre besonders erfolgreich, wenn sie über ihre

Angelegenheiten weitgehend frei entscheiden können.

(Beifall von der CDU)

Ich empfehle Ihnen daher eine weitreichende Hochschulautonomie, starke Hochschulpräsidien und flache Führungshierarchien. Das ist auch christdemokratischer Ausdruck unserer Überzeugung von der Eigenverantwortlichkeit der Wissenschaft.

(Karl Schultheis [SPD]: Dafür stehen Sie ja!)

Neue Freiheiten, die wir einführen werden, müssen durch neue Anstrengungen in der Digitalisierung ergänzt werden. Wir brauchen eine Stärkung der digitalen Lehre durch neue digitale Lernformate wie Simulationsmodelle, interaktive Videos oder neue Lernwelten wie Serious Games.

Für einen besseren Informationsfluss benötigen wir mehr Anstrengungen im Bereich Open Access. Dr. Paul hat im Ausschuss immer wieder auf diesen Punkt hingewiesen, ein für mich essentieller Punkt des weltweiten Austausches auch von Ergebnissen.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Letztlich brauchen wir, Frau Ministerin, eine leistungsfähige Forschungsinfrastruktur, die mit Wissenschaftsorganisationen, Universitäten, Forschungseinrichtungen auch digital vernetzt ist und die Vorhaben bewältigen könnte wie Bestandsanalysen zum Forschungsdatenmanagement, Aufbau einer Forschungsdateninfrastruktur oder aber, wenn Sie weiterdenken, vielleicht auch die Digitalisierung unseres kulturellen Erbes.

Aber alle diese Aktivitäten finden nicht statt. Sie werden von Ihnen in keinem Plan erfasst, der irgendwo aufgeschrieben wird. Alles das findet nicht statt, aber davon bräuchten wir hier mehr.

(Beifall von der CDU)

Will man Spitzenforschung weiter fördern, dann gilt es, die besten und innovativsten Köpfe nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Grundsätzlich richtig ist dabei der Weg des Tenure-Track-Programms, um planbare Karrierewege für exzellente junge Wissenschaftler zu schaffen.

Aber wir benötigen gleichzeitig auch mehr unbefristete Stellen im Hochschulsystem, damit sich diese jungen Wissenschaftler auch entfalten können. Außerdem benötigen wir ein förderliches Klima, was disruptive Innovationen begünstigt. Wenn man da die besten Köpfe gewinnen will, kann man zum Beispiel Förderpreise wie den Sofja-Kovalevskaja-Preis in Nordrhein-Westfalen ähnlich etablieren, um diese Leute anzuziehen. Ein Hochtechnologiestandort lebt von seinen exzellenten Köpfen.

(Nadja Lüders [SPD]: Was? Was für Köpfe?)

Naturwissenschaftliches Verständnis – das ist auch für mich ein ganz wichtiger Punkt – fördert Technikmündigkeit und bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Offenheit unserer Gesellschaft für Innovation. Deshalb empfehle ich Ihnen auch, das „T“ wieder in den Namen des Ministeriums zurückzuintegrieren und einen landesweiten Pakt für die MINTFächer aufzulegen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir benötigen darüber hinaus in Nordrhein-Westfalen eine eigenständige Hightechstrategie. Ausgangspunkt für eine solche Hightechstrategie könnte ein Spitzencluster sein – auch in wettbewerblicher Vergabe von Fördermitteln. Schwerpunkt einer Hightechstrategie muss die Förderung wichtiger Technologien wie zum Beispiel Mikroelektronik, Anwendungsszenarien autonomer Systeme oder Medizintechnik sein.

Wir brauchen eine Verbindung dieser neuen Themen zu den Bereichen Arbeit, Datenschutz, Privatheit und Selbstbestimmung, Mensch-Maschine-Interaktion.

Besonders interessant erscheinen die Bereiche Ressourceneffizienz in Produktion und Konsum, schnellere und vernetzte Kommunikationssysteme, autonome Robotik, Big Data, künstliche Intelligenz, Medizininformatik und dezentrale Energiewelten.

(Karl Schultheis [SPD]: Das sind ja ganz neue Themen! – Heiterkeit von der SPD)

Frau Ministerin, ich finde es sehr traurig, dass Sie in sieben Jahren zu all diesen Zukunftsthemen in diesem Haus nie ein Wort gesagt haben.

(Nadja Lüders [SPD]: Wo waren Sie?)

Darüber hinaus haben Sie auch im Zukunftsbereich Stammzellforschung das Care-Institut von Münster nach Bayern vertrieben.

(Beifall von der CDU und Angela Freimuth [FDP] – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben ausführlich Gelegenheit gehabt, über die Gründe und Ursache zu sprechen, die unsere großartige Wissenschafts- und Forschungslandschaft behindern. Über diese Fragen haben wir bisher – das finde ich schade – viel zu wenig gesprochen. Ich hätte mir eine Aussprache über diesen Punkt eigentlich schon viel früher und intensiver hier und im Ausschuss gewünscht.

(Karl Schultheis [SPD]: Dazu brauchen Sie aber Gesprächspartner!)

Ein Problem ist, dass die Gesprächspartner, mit denen Sie sich umgeben und mit denen sich die Landesregierung umgibt, Wirtschaftsvertreter oder Vertreter anderer Gruppen sind, die disruptiven Innovationen ablehnend gegenüberstehen.

(Karl Schultheis [SPD]: Können Sie das noch einmal wiederholen?)

Das führt dazu, dass in diesem Land bestehende Strukturen konserviert werden. Dieser Blickwinkel muss dringend verändert werden.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Michael Hüb- ner [SPD])