Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Sieveke, lieber Herr Lürbke, es ist Ihnen und Ihrer Fraktion kurz vor einer Landtagswahl scheinbar nicht mehr möglich, sich mit einem Thema differenziert und sachlich auseinanderzusetzen. Sie verfallen in das regelmäßige Muster: Schelte an der Polizei, Schelte an dem Verein, Schelte am Innenministerium.

(Angela Freimuth [FDP]: Keine Schelte an der Polizei!)

Es wäre an dieser Stelle wichtig, sich ganz klar auf diejenigen zu konzentrieren, die verantwortlich sind: Das sind die Täter, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In Ihrem Antrag schreiben Sie – ich zitiere –: „Eskalierende Fan-Gewalt in Nordrhein-Westfalen.“ Diese Überschrift ist schlichtweg falsch. Wir reden hier nämlich nicht von Fangewalt –

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Was war das denn?)

nicht, wenn man das Ganze differenziert betrachtet. Wir haben es bei dem Spiel Dortmund gegen Leipzig mit zwei Situationen zu tun, und beide Situationen haben nichts miteinander zu tun.

Die eine Situation ist die vor dem Stadion. Dort kam es vor Spielbeginn zu Gewaltszenen, die rein gar nichts mit Fankultur zu tun haben. Wer Familien, wer Frauen, wer Kinder mit Getränkekisten und Mülltonnen bewirft, der ist kein Fan, der ist Straftäter.

(Beifall von der SPD)

Hier darf es in der Differenzierung keine zwei Meinungen geben. Es gibt keine Fangewalt. Man darf sie nicht als Fangewalt bezeichnen, weil friedliche Fans Fußball feiern wollen und keine Gewalttaten begehen.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, der Inspekteur der Polizei hat es im Innenausschuss bereits ausführlich dargestellt. Die Gewaltexzesse haben sich innerhalb weniger Sekunden aus einer Stimmung, die bis dahin zwar feindselig, aber störungsfrei war, entwickelt. Die Polizei Dortmund hat darauf richtig reagiert und unter Zuhilfenahme von Pfefferspray und Mehrzweckeinsatzstock die Situation in kürzester Zeit bereinigt. Für diese Vorgehensweise bedanke ich mich ausdrücklich bei den Einsatzkräften.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Die andere Situation ist die im Stadion. Zahlreiche Banner wurden kurz vor Spielbeginn auf der Südtribüne entrollt, die klar feindselig gegenüber den Fans von RB Leipzig waren und teilweise eindeutig zu Straftaten aufgerufen haben.

Ich bin selbst Fußballfan. Ich gehe regelmäßig ins Stadion wegen des Sports, wegen der Atmosphäre. Man muss auch eine besondere Leidensfähigkeit haben, wenn man MSV-Fan ist. Auf die Atmosphäre, die dort herrscht, können die deutschen Vereine stolz sein, das sucht man im Rest Europas vergeblich. Darauf will ich gleich noch einmal zurückkommen.

Manche – ich auch – lassen sich von der Atmosphäre mitreißen. Aber Atmosphäre, Stimmung, sportliche Konkurrenz dürfen nicht verwechselt werden mit offen ausgetragener Feindseligkeit. Das, was auf der Südtribüne passiert ist, war genau das: offener Hass gegenüber dem Gegner, und das plakativ quer über die Südtribüne verteilt.

Meine Damen und Herren, ich persönlich glaube nicht, dass jeder wusste, was auf diesen Bannern stand. Ich glaube sogar, dass viele auf der Südtribüne den Inhalt dieser Banner heute nicht unterschreiben würden. Manche wussten es tatsächlich nicht, aber das ging eindeutig zu weit. Das ist nicht zu tolerieren. Diese Situation – anders als vor dem Stadion – hat aber nichts mit der Präsenz der Polizei in Dortmund zu tun. In solchen Fällen sind in erster Linie die Fans gefragt. Jeder Fan muss sich in Zukunft stärker hinterfragen, ob er so etwas wirklich mitmachen will und ob das nicht zu weit geht.

Ich denke, man braucht keine Banner, um für Stimmung zu sorgen, sondern man braucht Fans – echte Fans. Dazu zählen übrigens, meine Damen und Herren von CDU und FDP, auch die allermeisten Ultras.

(Beifall von der SPD – Frank Herrmann [PIRATEN]: Gute Erkenntnis!)

Die allermeisten, aber nicht alle. Wenn wir uns jetzt gemeinsam die volle Südtribüne vorstellen – 25.000 Menschen –, und wir würden aus diesem Bild alle Gewalttäter abziehen, dann würde eines übrig bleiben: eine riesige, unvorstellbare Menschenmenge, die Fußball friedlich feiern will,

(Nadja Lüders [SPD]: Gelbe Wand!)

die für Stimmung sorgt. Die Anzahl der Gewalttäter in dieser Kurve beträgt weniger als 1 %. Dieses Problem ist selbst friedlichen Ultrafans bekannt, aber die friedlichen Ultrafans schützen diese Täter zum Teil.

Noch einmal: Wir dürfen in dieser Debatte Fans, Ultras und Straftäter nicht in einen Topf werfen. Das Problem sind die Straftäter, die das Fan-Sein für ihre Zwecke missbrauchen, die sich feige in einer anonymen Masse verstecken.

(Beifall von Nadja Lüders [SPD])

Ein weiteres Problem sind aber die Ultras, die Straftäter decken.

Meine Damen und Herren, ich habe mir in Europa einige Fußballspiele anschauen dürfen. In England und Spanien gibt es keine Stehplätze mehr. Tickets kosten über 100 €. Die Bratwurst und das Bier dazu gibt es dort nicht mehr. Aber dort gibt es auch keine Stimmung mehr. Wenn wir die einmalige Fankultur in den deutschen Stadien erhalten wollen, dann muss jetzt etwas passieren. Hier spreche ich alle Beteiligten an, die für Fußball verantwortlich sind.

(Beifall von der SPD)

Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir diese Fankultur mit Stehplätzen, mit Gästekontingent, mit dem Bier und der Bratwurst in diesem Land erhalten wollen, dann ist der Fußball in Deutschland in den nächsten Jahren am Scheideweg und muss sich anders orientieren.

Ich möchte gerne noch einmal auf das Schreiben zurückkommen. Herr Sieveke, Herr Lürbke, Sie müssten es eigentlich besser wissen. Der Brief von RB Leipzig bezog sich ausschließlich – und dieser Brief ist Ihnen sogar vorgelesen worden – auf die Bitte von RB Leipzig, den Bus in besonderer Weise zu schützen. Dem ist die Polizei in Dortmund, wie ich finde, sehr gut nachgekommen.

Frau Paul hat meines Erachtens die richtigen Zahlen zitiert. Bei allen Dingen, die bei diesem Spiel passiert sind, die wirklich verachtenswert sind, die nicht zu tolerieren sind, darf man den Blick darauf nicht verlie

ren, dass in Deutschland die Zahlen, was Gewalttaten im Stadion angeht, rückläufig sind, weil viele, weil fast alle, die im Fußball Verantwortung tragen, gemeinsam an Konzepten arbeiten. Um es deutlich zu sagen: Trotzdem bleibt es dabei, dass 25 % der Arbeitszeit unserer 18 Einsatzhundertschaften in Nordrhein-Westfalen für Fußballspiele aufgewandt werden müssen.

Das ist immer noch zu viel. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich das reduziert. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Laschet jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden in dieser Aktuellen Stunde über ein ernsthaftes Thema. Frauen und Kinder wurden im öffentlichen Raum angegriffen. Die Betroffenen haben eine mangelnde Polizeipräsenz beklagt. Gastmannschaften mussten um Polizeischutz bitten, weil sie in Nordrhein-Westfalen besonders schlechte Erfahrungen gemacht haben. Polizisten sind verletzt worden.

Unser Kollege Sieveke hat heute in der Debatte beginnend mit dem Zitieren des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Herrn Plickert, eine sachliche Rede gehalten und ruhig Fragen gestellt, die Sie, Herr Minister, gerade nicht beantwortet haben. Ihre Reaktion war die Reaktion, die wir in Fragen der inneren Sicherheit leider seit Monaten erleben.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben jetzt leider noch einmal belegt, dass Ihnen eine Gabe abhandengekommen ist, die ein guter Politiker braucht: zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Den Menschen zuhören.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Hört, hört!)

Ich kann Ihnen das kurz belegen.

(Zurufe von der SPD)

Um 9:55 Uhr, acht Minuten vor dem Beginn dieser Debatte, schickt Herr Jäger sein Redemanuskript an die Journalisten. Darin steht das, was wir gerade hier gehört haben:

Scheinbar ist es Ihnen und Ihrer Fraktion nicht möglich, wenige Monate vor der Wahl ein Thema sachlich und differenziert zu betrachten.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der CDU)

Das hat diese Debatte leider erneut gezeigt.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Marc Lürbke [FDP]: Hört, hört! Das ist jawohl eine Unverschämtheit! – Klaus Kaiser [CDU]: Un- glaublich! – Zuruf: Ein Skandal ist das! – Wei- tere Zurufe)

Stattdessen verfallen Sie hier in bekannte Wahlkampfmuster: Schelte an der Polizei, Schelte an den Vereinen, Schelte am Innenministerium. Und ich sage Ihnen Herr – Klammer auf – Redner der CDU – Klammer zu …,

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

weil er noch nicht wusste, wer geredet hat.