Die schätze ich ja auch. – Frau Beer, man sollte sich jetzt aber einmal auf das Wesentliche konzentrieren, denke ich. Der Punkt ist doch, dass mit diesem Programm, wie auch immer es auslaufen wird, zunächst einseitig eine Schulform ganz massiv belastet ist. Diese Schulform – das habe ich mir jedenfalls berichten lassen – muss dann auch Lehrerpersonal zur Verfügung stellen, ohne dass sie dafür mehr Lehrerpersonal bekommen hat. Dafür muss dann unter Umständen auch regulärer Unterricht gekürzt werden.
Das ist der eigentliche Punkt, über den die FDP in ihrem Antrag diskutiert hat und über den auch wir diskutieren, nicht die vielen Punkte, die Sie gerade angerissen haben.
Damit komme ich zu einer wunderbaren Schleife, Frau Bunse. Das verbinde ich nämlich mit der Antwort in Richtung FDP; das will ich doch gerne tun.
Also: Eins und eins ist zwei, und einen Flüchtling kann man nicht teilen; der zählt auch nur einmal. Wir haben Folgendes gemacht – und das ist auch die Antwort auf das, was Frau Schmitz vorgetragen hat; das ist einmalig in diesem Haus, das will ich noch einmal sagen –: Die Zugewanderten sind zu uns gekommen. Bevor die Umverteilung in die Kommunen passiert ist, bevor sie in den Schulen angekommen waren, hat die Landesregierung die Stellen zur Verfügung gestellt. Normalerweise ist die Systematik anders, das wissen Sie eigentlich auch. Dann werden die allgemeinen Schuldaten abgefragt: Wer ist wo?
Das haben wir umgekehrt. Das heißt, wir haben die Ressourcen fortlaufend vorher zur Verfügung gestellt. Entweder kann der oder die Geflüchtete in der internationalen Förderklasse am Berufskolleg oder im Vorkurs sein, in beiden geht nicht. Das heißt, die Schulen haben die Mittel bekommen, und sie können jetzt differenzierter als vorher eingesetzt werden. Die Haushaltsmittel sind erst einmal bis zum Jahr 2017/18 beschrieben. Wir müssen dann natürlich schauen, wie sich das fortsetzt. Wer kommt denn wo an?
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es jetzt losgeht. Die Berufskollegs werden ja nicht in ein Zwangskorsett gesteckt, sondern sie entscheiden sich, dieses Programm anzunehmen und sich zu engagieren. Viele nehmen es wahr, weil sie sagen: „Jetzt können wir diese Vorstufe anlegen“, im Übrigen auch mit multiprofessionellen Teams, Frau Bunse. Wir haben hier im Haus lange genug darüber geredet, wie das zusammengeht. Damit haben wir die Basis, die Zugänge. Wir brauchen jeden Platz, um das Recht auf Bildung für die Menschen, die zu uns gekommen sind, unabhängig von der Bleibeperspektive umzusetzen. Das ist ein Baustein, der sinnvoll ist und der das Ganze ergänzt.
Ich habe die Debatten um die Frage der Schulpflicht in Bayern noch im Ohr. Dazu haben wir den Experten hier gehabt. Was war das denn? Es ist ein Potemkinsches Dorf gewesen.
Da sind die Plätze und die Schulpflicht ausgerufen worden, aber die Lehrer waren nicht da. Dann wurde staatlicherseits ein Großteil der Geflüchteten von der Schulpflicht befreit, weil die Optionen gar nicht existierten.
Das gibt es in Nordrhein-Westfalen so nicht, sondern wir bringen jeden jungen Menschen so schnell wie es geht in die Schule und ins Bildungssystem, in die Weiterbildung, jetzt in das System der Vorkurse. Der Weg führt dann in die Internationalen Förderklassen und möglichst natürlich auch in die berufsqualifizierenden Maßnahmen.
Wir müssen auch bei jedem hinschauen, was richtig ist. Ist es der Weg in die Schule? Mit welchen Vorerfahrungen kommen sie? Ist es der Weg, der gegebenenfalls direkt in den Arbeitsmarkt führt, mit unterschiedlichen Maßnahmen? Auch die Bundesagentur für Arbeit ist ja dabei.
Ich stelle allen beteiligten Kolleginnen gern die Gesamtübersicht der Maßnahmen zur Verfügung. – Die Ministerin hält sie dankenswerterweise hoch. Man bekommt sie über das Bildungsportal. Wir haben sie vorgelegt und diskutiert.
Das Sittengemälde, das Sie hier aufgezeigt haben, Frau Schmitz, funktioniert so nicht. Es ist einfach nur ein plumper Versuch, hier, nachdem das Programm gerade erst angelaufen ist, schlechte Stimmung dafür zu machen.
Alle anderen Dinge werden wir weiter begleiten, natürlich auch in der nächsten Legislaturperiode. Dann werden die Stellen auch haushaltstechnisch fortgeschrieben. Das ist die Koalition, die die Stellen aufgebaut und nicht abgebaut hat. So geht es auch weiter.
Ich verweise noch einmal auf meinen Beitrag von eben. 10.000 Stellen hatten Sie schon abgeschrieben. 700 Millionen €, 14.000 Stellen wollte der Kollege Witzel streichen. All diese Dinge wollen wir doch einmal nebeneinanderstellen. Wer hat was gemacht?
Wir sind verlässlich in dem weiteren Fortschreiben der Ressourcen. Das werden wir weiterhin tun. Durch einen solchen Antrag lassen wir uns nicht verwirren. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, schauen darauf und führen es weiter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir das Programm „Fit für mehr!“ für eine sinnvolle Ergänzung der Bildungsangebote für geflüchtete junge Menschen, die in NRW leben, halten. Das ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung.
Im Feststellungsteil Ihres Antrags, liebe Frau Schmitz, ist das eine oder andere sicherlich nicht verkehrt, aber in Ihrem Forderungskatalog wird es schon etwas abenteuerlich. Sie fordern seit zwei Jahren, die Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr auszuweiten. Jetzt wird ein schulisches Angebot gemacht, und Sie sagen: Das ist aber nicht richtig; das sollen lieber die Träger machen. – Das erschließt sich mir nicht. Eigentlich ist es doch schön, wenn es ein weiteres schulisches Angebot gibt.
Dann hieß es gerade – auch von Ihnen, Frau Dr. Bunse –, dass das aber nicht die Berufskollegs machen sollen.
Ich habe überlegt: Welche Schule kann es denn sonst machen? Die Grundschule bietet sich nicht gerade als Erstes an, die Realschule vielleicht auch nicht. Ich finde, das Berufskolleg ist tatsächlich der geeignete Ort, wenn ich von Menschen zwischen 18 und 25 Jahren rede, wenn es nicht die Universität ist, weil entsprechende Vorkenntnisse vorhanden sind.
Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Dr. Bunse zulassen?
Mein Punkt war, warum bis jetzt ausschließlich die Berufskollegs damit betraut sind; da haben Sie mich vielleicht falsch verstanden. Ich frage Sie jetzt trotzdem. Frau Beer hat mir gerade konzediert, es handele sich ja um Vorkurse und nicht um eine Vorklasse; da hatte sie sich gerade versprochen.
Meine Frage ist: Glauben Sie wirklich nicht, dass ein Vorkurs auch von einem Träger oder an einer anderen Schulform eingerichtet werden kann?
Von einem Träger sowieso; dazu komme ich gleich. Es gibt durchaus Angebote von Trägern. Ich habe mich einmal kundig gemacht und kenne durchaus Berufskollegs, die mit Trägern zusammenarbeiten, an denen zum Beispiel ein praktischer Anteil absolviert wird. Ich glaube, dass die Schulen da sehr flexibel aufgestellt sind.
Doch ich frage noch einmal. Wenn ich von einer reinen Schule ausgehe, welche soll es denn übernehmen? Ich weiß nicht, ob man das ans Gymnasium oder an die Gesamtschule anbinden soll. Viel mehr Schulformen fallen mir jetzt für die Altersstufe, ehrlich gestanden, gar nicht ein. Insofern meine ich, dass natürlich prioritär das Berufskolleg für diese Altersgruppe zuständig ist.
Ich weiß nicht, ob das eine Zwischenfrage war. Das können wir vielleicht gleich machen, ich würde jetzt gern meinen Gedanken zu Ende führen.
Es geht nicht darum – Frau Beer hat das auch gesagt –, die Dinge auf die Schule zu verengen, sondern darum, wirklich zu schauen: Wo steht dieser junge Mensch, und welche Bildungsangebote müssen wir machen? Das geht nur, wenn alle zusammenarbeiten: die Schulen, die Agentur für Arbeit, die Kommunalen Integrationszentren, die Kammern, die Universitäten, wer auch immer.
Ich meine, dass diese Vielfalt genau das Richtige ist. „Fit für mehr!“ ist eine Möglichkeit, um auch Wartezeiten zu vermeiden. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es ja mehrere Termine, zu denen man mit einem Vorkurs anfangen kann, um dann in die Internationale Förderklasse zu kommen. Ich fände es gut, wenn es da angesiedelt ist, wo die Internationalen Förderklassen sind, um nicht einen weiteren Bruch zu haben und an die nächste Institution wechseln zu müssen. Es ist doch prima, wenn man da schon die Leute, die Kollegen kennenlernt und dann ohne Bruch, ohne Ortswechsel einen Schulabschluss machen oder in die berufliche Ausbildung gehen kann. Ich empfinde das durchaus als sehr positiv.
Ein Problem ist jedoch – das wird von den Berufskollegs auch so berichtet –, dass man für die Internationalen Förderklassen und jetzt auch für „Fit für mehr!“ Kollegen braucht, die eine Qualifikation in Allgemeinbildung und besonders im Fach Deutsch haben. Die werden jetzt eingestellt. Wenn sie dann möglicherweise in drei, vier, fünf Jahren nicht mehr gebraucht werden, wird man sie nicht einfach entlassen können, sondern dann wird es schwierig, Fachkräfte einzustellen. Dieses Problem muss man angehen. An der Stelle muss man auch prüfen, ob man nicht Klassen verkleinern kann, damit die Leute – gerade in den Fächern, in denen Lehrermangel besteht – trotzdem den Job bekommen. Darauf muss man achten.
Nach einem Monat schon zu sagen, „Fit für mehr!“ sei nicht der richtige Weg, halte ich nicht für richtig. Ich würde der ganzen Sache gerne eine Chance geben und denke, dass viele Kollegen an den BKs das im Moment ganz engagiert in Angriff nehmen. – Vielen Dank.
Danke, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal daran erinnern, über welche Herausforderungen wir hier sprechen. Unterjährig kommen die jungen Menschen zu uns, also nicht so wie sonst in Deutschland üblich: soundso viele Kinder in dem und dem Alter zum Schuljahresbeginn. Ich könnte Sie ja angreifen und sagen: Weil die Kanzlerin vor zwei Jahren die Grenzen geöffnet hat, kommen auf einmal ganz viele Menschen, auch in die Schule! Das ist aber nicht mein Stil!
Unser Schulsystem hatte das also irgendwie zu verkraften. Wir müssen sehen, wie wir das schaffen. An dieser Aufgabe beteiligen sich mit großem Engagement die Administration und das Parlament durch die Schaffung neuer Stellen sowie ganz viele Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. Ich nutze die Gelegenheit – da dieser Antrag nicht viel nach vorne Führendes enthält –, um allen Beteiligten, vor allem den Lehrerinnen und Lehrern, dafür zu danken, mit welch großem Engagement sie sich der Herausforderung stellen, gute Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen zu organisieren.
Jetzt zur Herausforderung: Die jungen Menschen kommen nicht ins Berufskolleg, nachdem sie schon andere Schulen besucht haben. Sie sind 18 bis 25 Jahre alt; da hat Frau Pieper völlig recht. Deswegen wäre es ziemlich kontraproduktiv, sie in die Grundschulen zu geben, weil dort die Alphabetisierung stattfindet.
Manche Jugendliche waren schon in einer Schule, manche sprechen schon Englisch oder gar mehrere Sprachen. Andere wiederum sind noch nicht alphabetisiert. Das entspricht nicht dem klassischen Bildungsauftrag unserer Berufskollegs. Viele Berufskollegs haben etwas Zusätzliches gefordert, weil die Jugendlich erstens unterjährig kommen und zweitens die Ausgangslagen so unterschiedlich sind, zum Teil wie in der Grundschule, und zwar am besten vor dem Einstieg in die normalen Bildungsgänge des Berufskollegs. Das war der Wunsch. Diesen Wunsch hat
auch das Parlament formuliert: möglichst pragmatisch, möglichst unbürokratisch, möglichst so, dass es relativ schnell hilft, und möglichst mit den Mitteln, die wir dafür zur Verfügung haben. – Das war der Ansatz für „Fit für mehr!“.
Mitten im Schuljahr, zum 1. Februar, einen neuen Bildungsgang aufzulegen, ist nur gelungen, weil sich so viele Leute dahintergeklemmt haben. Auch dafür bin ich ausgesprochen dankbar.
Ich sage noch einmal, dass es viele andere Angebote gibt. Die sind alle nachzulesen. Es gibt die Anschlussmöglichkeiten in den BKs, aber auch außerhalb der BKs, und es gibt weitere Möglichkeiten.
Bevor das Ganze abschließend geklärt war, Frau Schmitz, hat es die eine oder andere öffentliche Äußerung gegeben: Wer weiß, ob das so gut ist. – In allen Fällen konnten die Irritationen aufgeklärt werden. Inzwischen ist mit allen Beteiligten gesprochen worden. Die Hauptpersonalräte haben gesagt, dass sie den Artikel schon geschrieben hatten, bevor sie ganz genau informiert waren, und das nun nicht mehr so sehen würden.