Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Wir brauchen doch eine Wirtschaftspolitik, bei der nicht Wachstum über allem steht, sondern Menschen und Umwelt ebenfalls wichtig sind. Dann haben wir es wirklich mit Nachhaltigkeit zu tun, und die Zukunftsfähigkeit von uns, zukünftigen Generationen und unserer Wirtschaft kann gesichert werden. Sie sind da komplett anderer Meinung.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie.

Ich bin beim letzten Satz.

Ja, ich ahnte es. Deshalb würde ich Ihnen gerne noch mitteilen, dass Herr Kollege Hovenjürgen Ihnen sehr gerne eine Frage stellen möchte.

Eine Kurz-vor-Ende-Frage. Bitte schön.

Wie auch immer. – Herr Kollege, bitte.

Frau Kollegin Brems und Herr Präsident, herzlichen Dank dafür, dass diese Zwischenfrage möglich ist. – Frau Kollegin Brems, ich hatte in meiner Rede ausgeführt, dass der Grenzwert für neue Kraftwerke 0,01 mg/m³ beträgt und Uniper in Gesprächen mit dem Ministerium angeboten hat, einen Wert von 0,004 mg/m³, also eine deutliche Unterschreitung dieses Grenzwerts, zu liefern. Trotzdem hat das Ministerium auf einem Wert von 0,002 mg/m³ bestanden.

Insofern ist das ein deutlicher Hinweis des Unternehmens gewesen, alle Anstrengungen zu unternehmen. Trotzdem unterläuft man noch einmal den Ansatz. Ich finde das im Umgang – das gilt auch für das, was Sie jetzt hier ausgeführt haben – nicht ganz fair.

Das interpretieren wir jetzt einmal als Frage.

Als Frage. Entschuldigung. Zum Schluss stand ein Fragezeichen, Herr Präsident. Sie haben vollkommen recht.

Okay. Ich habe die Frage schon irgendwie gehört. Aber ich will an dieser Stelle noch einen Punkt deutlich machen. Man muss dann in einer Region nicht nur das eine Kraftwerk betrachten, sondern die Region an sich

(Michael Hübner [SPD]: Das hat er doch ge- rade gesagt!)

mit weiteren Kraftwerken in der Umgebung und allem, was da sonst noch ist. Ehrlich gesagt, war ich bei Gesprächen mit dem Unternehmen nicht dabei. Ich kann hier nicht für das Ministerium sprechen. Das werden Sie mir sicherlich zugestehen.

Sie haben aber an meinen Ausführungen eben gemerkt, dass wir hier auf keinen Fall zusammenkommen. Deswegen lehnen wir natürlich Ihren Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Dieser Antrag der FDP ist in mancherlei Hinsicht durchaus bemerkenswert. Im Titel und auch weiter im Text ist von ideologischen Blockaden die Rede. Das ist ein deutlicher Ausdruck einer eher postfaktischen Empörung, was im Folgenden zu begründen sein wird.

(Michael Hübner [SPD]: Danke!)

In der wirtschaftspolitischen Rationalität und Argumentationslogik der FDP gelangt eine ausgeprägte Nähe zur neoklassischen Wirtschaftstheorie zum Ausdruck –

(Heiterkeit von Michael Hübner [SPD])

zugegeben mit gelegentlichen kleineren Abmilderungen, die dann aber an Schwammigkeit in den Aussagen nichts zu wünschen übrig lassen.

(Beifall von den PIRATEN und Michael Hüb- ner [SPD])

Ich referenziere hier konkret auf einen Beitrag in „DIE ZEIT“ vom 6. Januar 2017 mit dem Titel „Lindners Weg ins Ungefähre“. So ziemlich das Einzige, was nicht ungefähr ist, ist die Ausrichtung der FDP an der Neoklassik. Das hat sie mit dem SVR, den Sachverständigen aus dem Wirtschafts-Waisen-Haus, gemeinsam. Gewissermaßen als Adepten, also als Individuen, denen im Spätmittelalter in der Alchemie unterstellt wurde, den Stein der Weisen gefunden zu haben und somit die Herstellung von Gold zu beherrschen, interpretieren die FDPler die neoklassische Schule der Volkswirtschaftslehre als wissenschaftlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Herr Brockes, einmal eine Frage: Ist Ihnen folgende Zahl bekannt?

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

5,974 x 1024. Das ist die Masse unserer Erde in Kilogramm – natürlich mit Ihnen und Herrn Lindner darauf und mit allem Drum und Dran. Zugegeben: Die Zahl ist sehr groß. Aber sie ist eben endlich, und sie ist auch die Marke für eine Grenze.

(Heiterkeit von Michael Hübner [SPD] – Diet- mar Brockes [FDP]: Mit Piraten oder ohne?)

Auch. – Solche Grenzen kennt die Neoklassik aber nicht. Denn es heißt: Oh, Vater unser; Wachstum, Wachstum, Wachstum.

Obwohl – das muss man zugestehen –: Die Ökonomik war verführt von den Erfolgen der Naturwissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den Erfolgen von Physik und Chemie. Und sie trat an mit dem Ziel, eine Art Physik der Wirtschaft zu etablieren – ein Triumph der Messbarkeit und Vorhersagbarkeit für die Ökonomie. Was herauskam, war ein verkürztes System von Vorausannahmen, von sogenannten Axiomen, deren Hinterfragung man sich bis heute konsequent verweigert.

Hier sind einmal fünf herausgegriffen: Erstens der Homo oeconomicus, das wirtschaftlich rational handelnde Individuum, mit zweitens voller Information über einen drittens idealen freien Markt, viertens das marktwirtschaftliche Gleichgewicht eines idealen

Marktes und fünftens die Substitution. Geht ein Rohstoff zu Ende, wird substituiert. Es gibt einen neuen Stoff, wo auch immer.

Ich frage mich, wie Sie in Zukunft in 19 Jahren zum Beispiel Silber ersetzen wollen. Dann ist das nämlich vorbei.

Der Homo oeconomicus mutierte zu einem Homo postfacticus, dessen Verhalten in der soziologischen Gruppe selbst den Pavianhügel übertrifft. Die Information unterliegt dem Overload. Man kann ja von einer Rosine schließlich nicht erwarten, dass sie die volle Information über den Kuchen besitzt. Und der freie Markt ist eine Fiktion.

Die Naturwissenschaft sagt heute, dass 99,9 % der Realität – das heißt gerade für die Ökonomie, dass letztlich immer alles an materielle Prozesse gekoppelt ist – einer Nichtlinearität, einer Nichtgleichgewichtsthermodynamik gehorcht.

Wir wissen heute: Die Natur kennt keine Deals. Sie ist weder bösartig noch gnädig, weil das gar nicht ihre Kategorien sind.

Die neoklassische Theorie entpuppt sich damit als eine schlechte Heilslehre, die es zudem noch nicht einmal geschafft hat, die Brücke zur Mikroökonomie, zur Spieltheorie, diesem Schnick-Schnack-Schnuck für Ökonomen, zu schließen.

Das wäre sie also, die Begründung für die postfaktische Empörung der FDP. Und die wissenschaftliche Rationalität der FDP löst sich in ein Logik-Wölkchen auf: Huhu, 42! – Aber ich mag euch von der FDP. Ihr seid manchmal einfach schnucklig.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!)

Ich schließe mit einem fröhlichen „quod erat demonstrandum“ und bin durchaus bereit, der FDP als Partei eine deutlich größere Kompetenz als uns Piraten zuzugestehen, und zwar in Glaubensfragen. Also: Gute Nacht – oder besser: Live long and prosper, wenn ihr gelassen werdet!

Liebe Piratenfraktion, Antrag ablehnen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN und Michael Hüb- ner [SPD])

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben mit dieser Debatte und insbesondere mit diesem Antrag der FDP-Fraktion sozu

sagen die Endmoräne einer Strategie der Opposition, die glaubte, die Landesregierung für bestimmte wirtschaftliche Daten verantwortlich machen zu können, die zwischenzeitlich die öffentliche Debatte geprägt haben.

Das hat vielleicht im letzten oder vorletzten Jahr noch öffentlichen Anklang gefunden. Jetzt ist das allerdings der letzte Rest an Suppe, der noch übrig ist und hier zubereitet wird – ein bisschen nach dem Motto: Smörrebröd, Smörrebröd, röm, pöm, pöm, pöm. Alles wird durcheinandergeschmissen, und dann einmal in die Luft! Am besten, es bleibt viel beim politischen Gegner hängen. Das ist die Strategie zwei Monate vor der Landtagswahl, einen solchen Antrag mit einer solchen Begründung zu stellen.

Sie trauen sich ja noch nicht einmal, die Einführung Ihres Antrages so, wie Sie ihn schriftlich niedergelegt haben, hier in irgendeiner Weise zu begründen, nämlich einen Zusammenhang herzustellen zwischen der wirtschaftlichen Situation und bestimmten umwelt- oder wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Landesregierung, weil – das ist ganz klar – die Fakten einfach gegen Sie sprechen. Das müssen Sie dann, bitte schön, auch zur Kenntnis nehmen.

Die Wirklichkeit in Nordrhein-Westfalen ist zurzeit eine andere. Wir brauchen da gar nicht Institute zu zitieren, die vielleicht nicht so weit von uns entfernt sind, sondern können uns auch auf Wirtschaftsinstitute und Verbandsorgane berufen, die der Landesregierung normalerweise nicht so nahe stehen. Alle malen ein gutes Bild von der Wirtschaft in hellen und leuchtenden Farben, wie man es selber nicht besser machen könnte.

Der ifo-Geschäftsklimaindex der gewerblichen Wirtschaft Nordrhein-Westfalen ist im Februar 2017 auf seinem höchsten Wert der letzten zweieinhalb Jahre. Er liegt damit exakt auf dem gleichen Niveau wie in Gesamtdeutschland.

Die gute Stimmung in der Wirtschaft bestätigen auch die aktuellen Umfragen der IHKs in Nordrhein-Westfalen sowie des Handwerks. Die rheinische Wirtschaft schreibt: Große Stabilität prägt die regionale Wirtschaft. – Der Bericht der Ruhrkonjunktur titelt: Konsum treibt die Wirtschaft an; Konjunktur zeigt sich in Topform. – Die IHK Nord Westfalen gibt in ihrem Bericht zum Besten: Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs. – Der Westdeutsche Handwerkskammertag titelt: Gute Konjunktur bringt Umsatzzuwächse und Beschäftigungsaufwuchs im Handwerk.

Besser könnte es in Nordrhein-Westfalen nicht laufen. Für 2017 stehen die Zeichen wirklich gut – auch für einen weiteren konjunkturellen Aufschwung. Die Zahlen sind positiv.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hätten Sie hier an dieser Stelle würdigen müssen, bevor Sie