Herr Kollege Berger! Herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Ich habe zwei Anmerkungen. Zum einen bin ich gerade sehr entsetzt, welche Sachen Sie hier alles durcheinander in einen Topf werfen.
Ja, die kommt sofort. Die Frage lautet, Herr Berger: Haben Sie Kontakte zu türkischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die hier in Deutschland zu Gast an Universitäten sind und dort arbeiten, die Ihnen ein wenig über die Lage in der Türkei und den Befürchtungen, die sie haben, wenn sie zurückkehren, erzählen können? Mich würde interessieren, ob Sie diese Kontakte haben.
Herr Bas, vielen Dank für diese Frage. Ich habe hier explizit gesagt, dass ich zustimme, dass die Freiheit in der Türkei bedroht ist. Da gibt es überhaupt keinen Dissens, auch nicht von der CDU. Wir glauben allerdings, dass es relativ einfach und zu kurz gesprungen und etwas billig ist zu sagen: Die Freiheit in der Türkei ist bedroht, und deswegen müssen wir Wissenschaftlern jetzt den Weg hierhin eröffnen.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Probleme in der Türkei ernsthaft lösen wollen, dann müssen Sie das schon auf anderen Wegen tun.
Dann müssen wir uns über den Türkei-Beitritt unterhalten. Da müssen wir uns auch über die Frage unterhalten, ob wir in Kommunalparlamenten türkische Politiker haben wollen. Das ist der Umgang mit der Türkei. Wenn Sie Probleme in der Türkei lösen wollen, tun Sie das jedenfalls nicht über internationalen Wissenschaftsaustausch.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Lesen Sie eigentlich die Texte, bevor Sie reden oder nicht? Man, man, man! – Zuruf von Torsten Sommer [PIRATEN])
Vielen Dank. Ihre Redezeit ist auch abgelaufen, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.
Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist ein Grundpfeiler, auch einer freiheitlichen offenen Gesellschaft, und braucht auch internationale Kooperation. Mir will aber gleichwohl nicht in den Kopf, warum Sie diesen Antrag so formuliert haben.
Ich vermisse Verhältnismäßigkeit und Augenmaß. Ihr Antrag differenziert nicht die Freiheit der Forschung,
die Internationalität der Forschung, die zwar durchaus in Teilen miteinander korrespondieren, aber dennoch nicht identisch sind, und der materiellen Förderung von Forschung.
Niemand darf daran gehindert werden, seine Gedanken in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, seiner Neugier und seinem Erkenntnisinteresse nachzugehen. Wenn Ansichten und Forschungsvorhaben unter Strafe gestellt werden, dann ist die Forschungsfreiheit in höchster Not. Die Entwicklung in der Türkei ist nicht nur mit Blick auf die Presse- und Meinungsfreiheit besorgniserregend, sondern wenn vermeintlich unliebsame Wissenschaftler ausgetauscht und Menschen mit kritischen Stimmen eingesperrt werden, gibt es auch einen massiven Eingriff in die Forschungsfreiheit.
Verfolgte Wissenschaftler verdienen – das will ich in aller Ausdrücklichkeit für die FDP-Fraktion hier feststellen – den Beistand und die Solidarität der internationalen Gemeinschaft. Insofern sind wir mit Ihrem Antrag völlig d’accord.
Diese politische Verfolgung allerdings mit der Situation in den USA unter der neuen Trump-Administration oder – noch gravierender – mit der aus meiner Sicht sehr bedauerlichen Entscheidung Großbritanniens zum Verlassen der EU gleichzusetzen,
(Beifall von der FDP – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das wird nicht gleichgesetzt! Da werden unterschiedliche Umstände aufge- führt! Mit Gleichsetzung hat das nichts zu tun!)
schlägt aber aus meiner Sicht absolut fehl. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Präsidentschaft Donald Trumps wird die Forschungsfreiheit sicherlich nicht prioritär auf ihrer Agenda führen; ist auch manchmal zu komplex für 140 Zeichen. Die angestrebte Neuausrichtung der Umweltbehörde ist sicherlich auch Bestandteil einer Politik, die die Forschung über den Klimawandel in Misskredit bringen soll. Das muss uns nicht gefallen; gefällt mir auch nicht.
Es soll eine Behörde umstrukturiert und auf die Aufgabenüberprüfung und Kontrolle beschränkt werden. Und ja, daraus ergeben sich möglicherweise auch andere Finanzierungsnotwendigkeiten für Forschung, entweder aus anderen Kapiteln des US-Haushalts oder gegebenenfalls durch Think-Tanks. Darin aber eine Beschneidung der Forschungsfreiheit zu sehen, ist aus meiner Sicht doch zu weitreichend.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Exakt! – Nadja Lü- ders [SPD]: Ich weiß gar nicht, von welchem Antrag Sie reden!)
Gleiches gilt im Übrigen auch für die geplanten Kürzungen im Bereich des wissenschaftlichen Fördertopfes National Endowment for the Humanities. Den Geisteswissenschaften in den USA droht der Verlust von 150 Millionen Dollar, aber doch nicht der Verlust der Forschungsfreiheit.
Unter Ihrer Regierungsverantwortung wird in Nordrhein-Westfalen bundesweit am wenigsten für Lehre und Forschung je Student ausgegeben.
(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Karl Schultheis [SPD]: Das ist doch kleinkariert!)
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betragen in Nordrhein-Westfalen gerade einmal 2 % vom BIP
und liegen damit deutlich unter denen der USA. Es ist schon erstaunlich, welches selbstgerechte Urteil Sie hier fällen.
Vorwurf einer Beschneidung der Forschungsfreiheit würde ich jedenfalls daraus nicht ableiten. Aber wenn Sie sich den Schuh selbst anziehen, dann bitte. Ich sehe keine Flüchtlingswelle US-amerikanischer Wissenschaftler nach Nordrhein-Westfalen. Oder glauben Sie ernsthaft, dass die Forschungsbedingungen in Nordrhein-Westfalen besser und attraktiver sind als in Harvard oder Yale?
Aber völlig daneben – das will ich hier doch anmerken – ist die Einbeziehung von Großbritannien. Ja, der Brexit wird internationale Forschungskooperationen ganz sicher nicht erleichtern. Kooperationen mit britischen Wissenschaftlern haben je nach Ausgestaltung des Brexit – wir wissen da ja noch keine Details – möglicherweise die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Kooperationen mit der Schweiz, mit Japan oder auch mit australischen Wissenschaftlern.
Besteht aus Ihrer Sicht nur in den EU-Mitgliedstaaten Forschungsfreiheit? Das ist doch absurd. Dieser Antrag ist auch ein Affront gegenüber dem Vereinigten Königreich.