Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Die Redezeit.

Schön, dass Sie bei mir so viel genauer auf die Redezeit achten als bei der Kollegin Freimuth, aber sei’s drum. –

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich empfehle Ihnen einfach unsere Sondervoten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: Absolut geschlafen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Gibt es den Wunsch, weitere Redebeiträge zu halten? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache.

Ich stelle fest, dass der Landtag den Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II (WestLB), Drucksachennummer 16/14300, zur Kenntnis genommen hat.

Der Dank an alle Beteiligten ist mehrfach ausgesprochen worden, aber ich will ihn gern noch einmal offiziell wiederholen. Das war sicherlich eine nicht ganz einfache, langwierige Arbeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir sind aber noch nicht ganz am Ende dieses Tagesordnungspunktes angelangt, da wir noch den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennummer 16/14516 vorliegen haben. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen

möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Piraten, der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe auf:

11 Fortschritt durch Industrie 4.0 für NRW gestal

ten – Investitionen und Innovation für gute Arbeit fördern

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/12853

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk Drucksache 16/14418

Entschließungsantrag des Abgeordneten Schwerd (fraktionslos) Drucksache 16/12906

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14521

Ich möchte Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Antrag gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses liegen mittlerweile vor.

Mit diesen Vorbemerkungen eröffne ich die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion der Kollege van den Berg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser wunderschönes Bundesland Nordrhein-Westfalen hat eine Tradition in Sachen Industrie, aber vor allen Dingen auch eine Tradition in der Frage, wie industrieller Wandel passiert. Das galt für die erste industrielle Revolution mit Mechanisierung und dem Einsatz der Dampfkraft. Das galt für die zweite, bei der die Massenfertigung, Fließbänder und die elektrische Energie Treiber wurden. Das galt für die dritte, als die Elektronik und die Automatisierung die Produktion veränderten. Und wir stehen nun vor der Frage: Wie geht es weiter?

Wir können Wandel, und wir müssen jetzt führend sein bei dem, was vor uns steht, der sogenannten vierten industriellen Revolution, bei der es darum geht, intelligente, digital vernetzte Systeme mit Produktion zu vernetzen.

Es geht nicht mehr darum, einzelne Produktionsschritte zu optimieren, sondern es geht um die Betrachtung ganzer Wertschöpfungsketten und der Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Im Extremfall, meine Damen und Herren, kann das heißen, dass wir über Losgrößen eins sprechen.

Die Ministerpräsidentin hat dieses Thema sehr früh erkannt und auf die politische Agenda unseres Landes gesetzt. Am 29. Januar 2005 gab es die Regierungserklärung, die dieses Thema in den Fokus unserer landespolitischen Debatte gerückt hat. Und es ist seitdem einiges passiert.

Wir alle haben hier die Entwicklung in OstwestfalenLippe beraten mit dem Kompetenz-Cluster „it’s OWL“, was zu einer Marke geworden ist, die weit über unser Bundesland hinausstrahlt.

Jetzt geht es darum: Wie definieren wir, was uns in der vierten industriellen Revolution wichtig ist, und wie wollen wir sie politisch gestalten? Ich will es auf drei Kernpunkte fokussieren, die diesen politischen Gestaltungsprozess beschreiben wollen.

Der erste Punkt ist: Das Entwickeln wird wichtiger als das Wachsen. Das gilt in Zeiten des Umbruchs umso mehr. Wer Kundenwünsche künftig befriedigen will, muss digitale Kanäle bedienen können. Er muss in

der Lage sein, die Chance, die sich aus diesen digitalen Strukturen ergibt, auch aufzugreifen und umzusetzen. Untersuchungen zeigen, dass gerade Mittelständler gegenüber der Digitalisierung immer noch abwartend sind. Sich nur auf Erfolgen von gestern auszuruhen, kann aber schlimme Folgen haben, meine Damen und Herren. Deswegen ist hier der erste Punkt, wo wir ansetzen und wofür wir werben müssen.

Der zweite Punkt – das galt für die vorherigen industriellen Revolutionen genauso – ist: Uns ist wichtig, die Wirtschaft dient dem Menschen, nicht umgekehrt. Flexible Arbeitswelten bieten Chancen, aber eben auch Risiken. Wir denken daher von Anfang an auch in NRW auch an Arbeit 4.0. Wir haben ein Fortschrittskolleg an den Unis in Paderborn und Bielefeld auf den Weg gebracht, und wir nehmen die Tarifpartner sehr bewusst in diesen Prozess von Anfang an mit. Das zeigt sich auch in der im April 2016 gegründeten Allianz, wo gerade die Mitbestimmung 4.0 gewährleistet werden soll.

Der dritte Punkt, den ich anführen will, ist: Wir müssen den Anspruch haben, die klügsten Produkte und die klügsten Dienstleistungen zu entwickeln. Wenn es bei 4.0 eben nicht mehr nur um einzelne Produktionsschritte geht, sondern ganze Wertschöpfungsketten betrachtet werden können, dann haben wir auch die Chance, über die ganze Wertschöpfungskette zu optimieren, das heißt, auch Themen wie eine zirkuläre Wirtschaft in den Blick zu nehmen. Die Wiederverwertbarkeit von Rohstoffen wird bei solchen Fragestellungen natürlich zentrales Thema.

Bei der Kreislaufbetrachtung rückt eben die Effektivität von Produkten ins Zentrum. Heute glauben ja ganz viele, dass es immer nur um Effizienzbetrachtungen geht und dies der entscheidende Faktor sei. Wenn wir aber ein kluges Produkt haben, bei dem die Rohstoffe wiederverwendet werden können, dann dürfen wir sogar verschwenderisch sein, dann dürfen wir davon viel produzieren, meine Damen und Herren, erst recht in einer Welt mit immer mehr erneuerbaren Energien.

Die zirkulare Wirtschaft ist daher immer ein Auftrag, Produkte auch neu zu erfinden. Sie fordert nicht Einsparung oder Verzicht, sie fordert zu neuen Ingenieurleistungen auf. Wer das radikal zu Ende denkt, entdeckt ganz neue Facetten der Rohstoff- und Energiewelt. Auch der Kohlenstoff kann zum Beispiel in diesem Zusammenhang in Kreisläufen geführt werden. Ich bin sehr froh, dass wir mit Minister Duin in der nächsten Woche hierzu einen besonderen Akzent im Bereich Closed Carbon Cycle Economy setzen werden und einen Lehrstuhl hierzu auf den Weg bringen.

Die Redezeit.

Deswegen, meine Damen und Herren, werbe ich für diesen Antrag, Frau Präsidentin. Viele beschäftigen sich damit. Der VCI hat jüngst noch eine Studie dazu vorgestellt, die diese Chancen zeigt.

Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen unseren Antrag zur Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Stein.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Der digitale Wandel bietet enorme Chancen für unseren Wohlstand und auch für Beschäftigung in unserem Land. Gerade die mittelständisch geprägte Industrie könnte vom digitalen Wandel enorm profitieren. Denn laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation ist ein zusätzliches jährliches Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozentpunkten durch Industrie 4.0 möglich. Das ist Wachstum, das Nordrhein-Westfalen dringend braucht.

Seit 2010 wächst die Wirtschaft an Rhein und Ruhr unterdurchschnittlich. In den Jahren 2010 bis 2015, in Ihrer Regierungszeit, lag das Wirtschaftswachstum um 39 % unter dem Bundesdurchschnitt.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Zum Thema!)

Unter Schwarz-Gelb – zum Vergleich – 2005 bis 2010 lag es dagegen knapp 14 % darüber. Einen traurigen Höhepunkt haben wir 2015 erreicht. Während die Wirtschaft in Deutschland um 1,7 % wuchs, verzeichnete die Wirtschaft in NRW null Wachstum, Platz 16 von 16, Herr Duin.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Zur Sache!)

Die Folgen des unterdurchschnittlichen Wachstums sind auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. NordrheinWestfalen weist die höchste Arbeitslosenquote aller westdeutschen Flächenländer auf. Seit dem Regierungswechsel 2010 ist die Arbeitslosigkeit in den übrigen Bundesländern fast dreimal so schnell gesunken wie in Nordrhein-Westfalen. Bei einer Entwicklung nur im Schnitt der übrigen Länder wären heute in Nordrhein-Westfalen 70.000 Menschen weniger arbeitslos, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

Nordrhein-Westfalen braucht daher dringend eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, die Wohlstand und Arbeitsplätzen wieder Vorrang einräumt. Daher ist es wichtig für den Wachstumstreiber Digitalisierung, auch wenn einige den Sinnzusammenhang gerade für mich verständlicherweise nicht verstehen

konnten, Vorrang einzuräumen. Daher ist es wichtig, für den Wachstumstreiber Digitalisierung die richtigen politischen Weichenstellungen zu setzen. Das machen Sie einfach nicht, Herr Duin.

Wir haben dieses Thema in den vergangenen fünf Jahren mit weit mehr als 20 Anträgen zum Breitbandausbau, zu Industrie 4.0, zur digitalen Bildung oder zur Start-up-Förderung immer wieder zum Gegenstand der Debatte hier in diesem Landtag gemacht. Deshalb freuen wir uns auch – das ist das Einzige, worüber wir uns im Zusammenhang mit diesem Antrag freuen –, dass zum Ende der Legislaturperiode auch SPD und Grüne endlich die Bedeutung des Themas erkennen und ihren ersten – ihren ersten! – eigenen Antrag überhaupt zu Industrie 4.0 hier zur Debatte stellen.

(Beifall von der CDU)

Wie ich schon erwähnte, ist das aber leider wirklich schon das einzig Positive, was man über Ihren Antrag sagen kann.

Statt sich ernsthaft mit den grundlegenden Rahmenbedingungen für einen gelingenden digitalen Wandel zu beschäftigen, setzen Sie auch beim Zukunftsthema Nummer eins wieder einmal Ihre ideologische Brille auf. Gute Arbeit und Kreislaufwirtschaft ist alles, was Ihnen zu Industrie 4.0 einfällt.

Damit Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Natürlich sind beides wichtige Themen. Aber bevor wir über gute Arbeit und Kreislaufwirtschaft im Zusammenhang mit Digitalisierung, mit Industrie 4.0 debattieren, müssen wir erst einmal die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass unsere Wirtschaft den digitalen Wandel überhaupt erfolgreich bewältigen kann.

Das heißt, wir brauchen zu allererst eine gigabitfähige Infrastruktur, Herr Duin. Jeder fünfte Haushalt im Land hat noch kein schnelles Internet. Neun von zehn Gewerbegebieten in unserem Land haben bislang noch keinen Anschluss an schnelles Internet. Der Ausbau tritt nach wie vor auf der Stelle.

Um Ihr selbstgestecktes Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit mindestens 50 MBit/s bis 2018 zu erreichen, müssten in den verbleibenden knapp zehn Monaten dieses Jahres mehr Haushalte an das schnelle Netz angeschlossen werden als in den gesamten letzten fünf Jahren zusammen. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich.