Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Ich sage zu Beginn: Für mich gilt – und das sollte für uns alle gelten –, dass Stellen, die im Haushalt ausgewiesen sind, auch dazu da sind, besetzt zu werden. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich diesen Grundsatz nicht nur vertrete, sondern dass ich auch danach handele. Als ich im vergangenen Jahr die 18-monatige Stellenbesetzungssperre in der Finanzverwaltung aufgehoben habe, ist das von Ihnen nicht nur positiv begleitet worden. In den Augen von Herrn Witzel war die Aufhebung der 18-monatigen Beförderungssperre plötzlich eine Massenbeförderung.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Gleichzeitig fordern Sie auch eine attraktivere Finanzverwaltung. Was Sie bei solchen Debatten an Widersprüchen loslassen, darf man gerne sammeln und allen Interessierten zur Verfügung stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Es hat in der Vergangenheit ganz sicher Haushaltszwänge gegeben, die meine Vorgänger – im Übrigen einschließlich des CDU-Vorgängers – dazu veranlasst haben, mit dem Instrument von Stellenbesetzungssperren zu arbeiten. Wir haben es aufgehoben. Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet Sie, die überhaupt keinen Anlass gesehen haben, es aufzuheben, am lautesten schreien, sobald Sie aus der Verantwortung heraus sind. Das machen Sie aber nicht nur in diesem Punkt. Sie gehören zu denen, die nur einen Tag aus der Verantwortung sein müssen und dann mit allem, was davor war, nichts mehr zu tun haben wollen. Dann machen Sie nur noch Opposition, und machen Sie das ruhig auch weiterhin.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gleichzeitig müssen wir sagen, dass es bei allem Einsatz für eine schnelle Besetzung – Herr Witzel, Sie haben dankenswerterweise auch darauf hingewiesen – Gründe dafür gibt, dass man Stellen nicht zu 100 % besetzen kann. Bei jedem Wechsel von einer Person zur anderen gibt es eine Phase, in der eine Stelle nicht besetzt ist. Wenn – das wissen wir auch – das Personal älter wird, dann ist die Zahl der Wechsel, die dadurch bedingt sind, dass jemand in Pension geht und jemand nachrückt, größer als üblich. Und dann ist auch die jeweilige Zeit, in der eine Stelle nicht besetzt ist, aufsummiert in einem Jahr größer als vorher.

Das müsste sogar dazu führen, dass die Stellenbesetzungsquote über die Jahre hätte leicht sinken müssen. Das hat sie aber nicht getan. Sie betrug – ich kann es noch einmal zitieren – in den Jahren 2005 96, im Jahr 2006 85, im Jahre 2007 96, 2008 95, dann 97 %. Wir können so weitermachen und werden dann feststellen: In den Jahren 2010, 2011, 2012 waren es immer 97, 98, 97 %. Jetzt hat es gerade eine leicht niedrigere Stellenbesetzungsquote gegeben. Die kann ich Ihnen auch noch einmal in anderen Zahlen darstellen. Es hat nämlich im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2010 jeweils 10.300 nichtbesetzte Stellen gegeben. In den Jahren danach bis heute sind es 6.900 nichtbesetzte Stellen.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Hört, hört, hört!)

Jetzt ist für die Aufgabenerledigung nicht nur interessant, wie viele Stellen nicht besetzt sind, sondern auch, wie viele Stellen besetzt sind. Da spielt eine Rolle, dass wir – und das auch wieder gegen den großen Protest Ihrerseits – eine Menge Stellen geschaffen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich erinnere nur – wir werden heute Nachmittag auch noch einmal über das Thema „Befristung“ reden – daran, an wie vielen Stellen wir alleine Stellen geschaffen haben, die es vorher gar nicht gab, obwohl die Menschen, die die Arbeit verrichtet haben, schon da waren, die sich aber nie sicher sein konnten, ob das Geld, das sie für ein Jahr bekamen, im nächsten Jahr auch noch kommt. Das nehmen Sie alles zum Anlass, heute zu kritisieren, obwohl Sie 2010 an dieser Stelle ein totales Chaos hinterlassen haben.

Wir redeten gerade über nichtbesetzte Stellen. Jetzt rede ich mal über besetzte Stellen. Da waren das 2007 278.000 und 2017 282.000. Das heißt, am Ende ist selbst mit einer relativ konstanten Stellenbesetzungsquote insgesamt die Zahl der Stellen größer geworden.

Sie haben hier immer das Beispiel der Lehrer und Lehrerinnen genannt. Am 1. Januar 2009 gab es 141.800 beschäftigte Lehrer. Am 1. Januar 2017 hatten wir 154.000 beschäftigte Lehrer, also 13.000

mehr, obwohl wir 200.000 Schüler weniger hatten. Das sind alles Dinge, die Sie jetzt mit Zahlen bespielen, die deutlich machen sollen: Die Versorgungsqualität habe nachgelassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das können wir jetzt für die Finanzverwaltung genauso weiterbetreiben. Heike Gebhard und MartinSebastian Abel haben die Zahlen schon genannt, wie viele es mehr sind im Bereich der Finanzverwaltung, wie viele es mehr sind im Bereich der Anwärter der Polizei. Sie haben eben dazwischengerufen, Sie hätten es ja verdoppelt. Ja, unsere Aufstockung von 1.100 auf 2.000 ist noch einmal fast eine Verdoppelung. Und das ist eine Verdoppelung, die in eine Größenordnung geht, in der sie spürbar wird und mit der nicht Lücken von vorher oder demografische Lücken halbwegs aufgewogen wird.

Ich bleibe bei der Aussage, dass Stellen, die nicht besetzt sind, besetzt werden müssen. Dann muss man aber auch sagen, dass nun einmal am 1. Januar – das sind ja alles Stichtagsbeobachtungen – Stellen, die kurz vorher eingerichtet worden sind, noch nicht besetzt sein können. Trotzdem müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um die Stellen, die wir ausgewiesen haben, weil wir die Versorgung bei Bildung, bei Sicherheit, in der Finanzverwaltung verstärken und verbessern wollen, zu besetzen. Dafür arbeiten wir. Da haben wir enorme Erfolge erzielt. Aber vor allen Dingen haben wir enorm viel dazugesetzt.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass Sie vor zwei Jahren hier lautstark geschimpft haben, dass nicht 15.000 Stellen in der Verwaltung abgebaut würden. Wie leise sind Sie in den letzten Jahren geworden? Wie oft reden Sie jetzt in Einzelfällen darüber, wo es zu wenig ist? Das nennen Sie jetzt differenziert, Herr Witzel. Nur, das Differenzierte, was Sie jetzt alles verstärkt haben wollen, passt mit dem, was Sie vorher gerufen haben, als es um 15.000 weniger Stellen ging, überhaupt nicht zusammen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Insofern ist, glaube ich, alles zu diesem Thema gesagt. Es gilt, Stellen zu besetzen, dafür zu arbeiten. Es ist richtig, dass wir eine Menge Stellen geschaffen haben, dass wir dafür sorgen, nicht bloß die altersbedingten Abgänge aufzufangen, dass wir wissen, dass wir in einem Wettbewerb stehen, erst recht in wirtschaftlich guten Zeiten, mit Jobs außerhalb der öffentlichen Verwaltung. Daran arbeiten wir. Sie werden sehen, wir werden auch noch weitere Schritte tun, mit denen wir die Attraktivität dieser Verwaltung stärken. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Seien Sie so nett, einen kleinen Augenblick am Pult zu bleiben. Der von Ihnen angesprochene Kollege Witzel hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort. – Bitte, Herr Kollege.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Finanzminister, Sie haben mich gerade angesprochen. Ihnen ist bekannt, dass wir mehrfach im Plenum gesagt haben: Wir gönnen jedem Beamten seine Beförderung, die er sich mit Leistung verdient hat.

Das, was wir kritisiert haben, ist, dass Sie offenbar so viel Zutrauen in die Richtigkeit der neuen Frauenquote haben, dass Sie, nachdem sie beschlossen war, zwei Tage später nach alten Recht entschieden haben, in einem stark abgekürzten Verfahren binnen drei Wochen anderthalbtausend Stellen besetzen zu müssen. Wenn Sie sich doch so auf das neue Dienstrecht gefreut haben, hätten Sie ja nur alles regulär laufen lassen müssen. Dann wäre das anders ausgegangen.

Sie haben in der letzten Woche eingeräumt, dass, wenn Sie es alleine zu entscheiden gehabt hätten, Sie nicht alles eins zu eins bei der Ausgestaltung von § 19 LBG so gemacht hätten, wie das mehrheitlich in der Regierung entschieden worden ist.

Was mich aber mit Blick auf Ihre eigene Finanzverwaltung interessiert, ist der Umstand, dass Ihnen die Deutsche Steuer-Gewerkschaft ausdrücklich sagt: Es gibt ein Besetzungsproblem. Es fehlen Hunderte von Stellen. Das ist ein Risiko für Steuergerechtigkeit, für die Gleichmäßigkeit des Vollzugs von Gesetzen. – Nach den Zahlen, die Sie vorgelegt haben, ist seit dem Jahre 2010 in der Finanzverwaltung die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Besetzung noch nie so hoch gewesen wie im letzten Jahr 2016. Insbesondere im Kapitel OFD und Finanzämter ist die Anzahl der unbesetzten Stellen massiv gestiegen. Die tatsächliche Anzahl von besetzten Stellen …

Ihre Redezeit, Herr Kollege.

… ist seit dem Jahre 2010 um über 500 gesunken. Wie verträgt sich das mit den Zielen Ihrer Politik?

Herr Minister, bitte.

Ich fange mal mit dem Letzten an. Auch hier gilt wieder und vor allen Dingen die Frage der besetzten Stellen,

wenn man in Abzug bringt, dass wir in der Zwischenzeit die Zuständigkeit für die Kraftfahrzeugsteuer abgegeben haben und damit ein Teil der Aufgaben auf die Bundesebene verlagert worden ist. Wenn man sich das vor Augen hält, dann ist auch die Zahl der besetzten Stellen gewachsen.

Dass wir es auf der anderen Seite in einer – ich sage es noch einmal – guten wirtschaftlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt durchaus auch mit einer hohen Konkurrenz zu tun haben, das nehme ich zur Kenntnis. Wir arbeiten auch daran, dass die Attraktivität weiter gesteigert wird. Diese Landesregierung hat gerade in den letzten Haushalten die Finanzverwaltung gestärkt. Das ist im Übrigen – anders als Sie behaupten – in der Verwaltung und bei den Beamtinnen und Beamten und bei den Beschäftigten auch sehr gut angekommen.

(Lachen von Christof Rasche [FDP])

Ich weiß von vielen Stellen, bei denen Sie heute auftreten als die Wahrer der Interessen der Beamten, dass die wissen, wie die damalige Landesregierung mit Beamten umgegangen ist. Wenn ich auf der Regierungsbank sitze, höre ich ja manche Randbemerkung aus Ihrer Fraktion – nicht von Ihnen persönlich –, wenn über Beamte geredet wird. Wenn sie sich diese Zwischenrufe im Protokoll durchlesen, wissen die Beamtinnen und Beamten auch sicher, wer ihre Interessen vertritt und wer nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Noch ein Punkt zu § 19 Abs. 6: Ich habe auch im Ausschuss ganz deutlich gemacht, dass ich die Ziele dieses Paragrafen, die Ziele der Frauenförderung, absolut unterstütze. Ich habe aber genauso deutlich gemacht – dazu stehe ich auch –, dass ich die Verwerfungen, die sich durch diese übergangslose Zeit jetzt für meine Verwaltung ergeben haben, natürlich den Beamtinnen und Beamten gegenüber nicht gut finde, und alles dafür tun werde, dass ich das soweit wie möglich eindämme. Das möchte ich tun, indem ich insgesamt die Verwaltung stärke. Das möchte ich tun, indem ich bei den Zielen bleibe und diese Ziele auch gegenüber den Beamtinnen und Beamten vertrete. Das ist bis jetzt bei den vielen Besuchen, die ich vor Ort wahrgenommen habe, auch so angenommen worden und so angekommen. Jeder kritischen Diskussion darüber stelle ich mich gerne. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Soweit die Kurzintervention und die Entgegnung darauf. – Nun hat sich für die CDUFraktion noch einmal Herr Kollege Dr. Optendrenk zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was die Kollegin Gebhard hier vorgetragen hat, war eine interessante Vermischung dessen, was wir auch ansonsten immer erleben, nämlich von Soll und Ist. Das Problem dieser ganzen Debatte – deshalb will ich Ihnen das an der Stelle noch einmal sagen – ist ganz klar das Problem von Soll und Ist.

Wir haben ein schönes Verhaltensmuster, an dem wir es an einem kleinen Baustein deutlich machen können. Der Minister hat auch wieder wortreich versucht, das ein Stück weit durch Allgemeinplätze und Willensbekundungen zu relativieren.

Die Frau Ministerpräsidentin hat von diesem Pult aus hier am 14. Januar 2016 erklärt, sie wolle mit der Landesregierung – und bitte das Parlament um beschleunigte Zustimmung – ganz schnell 500 zusätzliche Polizisten einstellen, Stichwort: Charlie Hebdo. Dann haben wir ein sehr vereinfachtes Verfahren gemacht, den Haushalt schnell zu genehmigen. Die Botschaft war: Wir wollen auch mehr Sicherheit. Wir wollen mehr Polizistinnen und Polizisten. Wir wollen die Ausbildungskapazitäten entsprechend erhöhen.

Ende 2016 ist der Status, dass wir etwa 1.600 Beamten- und Angestelltenstellen bei der Polizei unbesetzt haben und dass der gesamte Polizeibereich nicht nennenswert gestärkt ist. Von diesen 500 Stellen sind tatsächlich – und das ist die Auskunft der Landesregierung – nur 94 besetzt worden. Das heißt, 500 wurden Anfang 2016 versprochen, und am Ende des Jahres sind 94 besetzt. Wenn Sie in dem Tempo weitermachen würden, bräuchten wir zusammen die nächste Wahlperiode, damit die Ankündigung dieser 500 umgesetzt würde.

(Beifall von der CDU – Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Was ist denn Ihre Lösung? Wollen Sie sich Polizisten backen oder was?)

Das ist genau der Punkt, um den es hier geht. Sie machen Luftblasen, Wolken und Ankündigungen, und die Fakten sprechen gegen Sie. Das werden die Leute auch merken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/14399 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Unterausschuss Personal, an den Innenausschuss, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überwei

sungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Die Überweisungsempfehlung ist einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

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