Protokoll der Sitzung vom 28.11.2012

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Es gibt deshalb Dinge, Herr Finanzminister, die Sie zweifelsfrei haben, und es gibt ganz andere, die Sie offenkundig nicht besitzen. Das, was Sie haben, sind vom äußeren Rahmen her finanzpolitische Idealbedingungen. Das, was Ihnen aber fehlt, ist der ernsthafte Wille zur Haushaltssanierung. Wie wackelig und auch löcherig das Fundament Ihres Haushalts ist, zeigen die nüchternen Fakten: Wir haben bei der wirtschaftlichen Entwicklung und Beschäftigung gute Rahmenbedingungen, auch wenn NRW hinter dem Bundestrends hinterherhinkt. Wir haben bei den Bundesmitteln einen Zuwachs. Wir haben die historisch höchsten Steuereinnahmen der Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens, und das alles auch noch in einer Phase historisch niedriger Zinsen.

Aber schon heute ist bekannt, dass das nicht dauerhaft so bleiben wird. Von daher fragen wir Sie, Herr Finanzminister: Wann und wie sonst wollen Sie den Haushalt in Nordrhein-Westfalen sanieren, wenn nicht in diesen Zeiten idealer Bedingungen?

(Beifall von der FDP)

Oder anders formuliert: Wenn Sie selbst unter Bestbedingungen 4,3 Milliarden € neue Schulden machen, sollte Ihnen das zeigen, wie dringlich eine grundlegende Kurskorrektur Ihrer Haushaltspolitik tatsächlich ist.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Schuldenbremse im Grundgesetz für Länderhaushalte 2020 auch keine Belastung. Das ist keine Bedrohung. Das ist kein Grund, sich zu beschweren oder deshalb zu stöhnen. Das ist ein Segen, damit wenigstens das absolut Notwendige geschieht, was ansonsten politische Mehrheiten aus sträflicher Bequemlichkeit unterlassen würden.

Der Grundsatz der Schuldenbremse ist nach gesundem Menschenverstand so elementar wie selbstverständlich. Man darf eben in einem Jahr nicht mehr Geld ausgeben, als man umgekehrt einnimmt. Sonst bekommt man dauerhaft ein Problem.

Wir als FDP-Landtagsfraktion sind davon überzeugt: Mit dem nötigen Ehrgeiz wäre diese Schuldenbremse schon bis zum Ende dieser Wahlperiode im Jahr 2017 zu erreichen, wenn Sie nur heute endlich damit anfangen würden, diese ernsthaft zu wollen.

(Beifall von der FDP)

Wir werben deshalb dafür, die Schuldenbremse auch in der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens festzuschreiben, aber natürlich nicht als Mechanismus zur Aufweichung von Bundesstandards, sondern eben mit harten Sanktionen bei der Zuwiderhandlung, damit sie tatsächlich greift.

Herr Finanzminister, Sie mögen in diesem Haus nicht so gerne auf die Opposition hören. Das mag an unserer Rollenverteilung liegen. Aber Sie könnten doch wenigstens auf das hören, was Ihnen Ihre

eigenen Gutachter aufschreiben. PWC rechnet es Ihnen vor, und Sie sehen: Sie haben keinen Spielraum für die Ausdehnung neuer staatlicher Leistungen. So lautet der gutachterliche Befund.

Sie werden das Minimalziel des Haushaltsausgleichs selbst im Jahr 2020 nur dann erreichen, wenn Sie jetzt so schnell wie möglich das Ruder herumreißen. Die Liste der Notwendigkeiten dafür ist lang. Wir haben Ihnen heute als ersten Aufschlag ein Zehn-Punkte-Programm mit wesentlichen Eckpfeilern zur Konsolidierung zur Abstimmung gestellt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das Wichtigste dabei, Herr Kollege, lautet: Alle Staatsaufgaben sind auf Notwendigkeit und Effizienz hin zu prüfen. Landesbetriebe und -beteiligungen müssen wir wirtschaftlich machen und sie überall dort, wo es geht, vernünftig privatisieren.

(Lachen von Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN])

Statt Ihren Aufwuchs um über 2.000 Stellen seit dem Jahr 2010 fortzusetzen, müssen weitere Synergien gehoben werden. Damit dies alles nicht zulasten von Beschäftigten und Bürgern geht, müssen Überstandards fallen, beispielsweise in der Umweltbürokratie, im Baurecht oder in der Personalratsarbeit. Wir brauchen ein Standardbefreiungsgesetz, das dem Leitbild folgt: Bundesvorgaben und EUVorschriften sind stets eins zu eins umzusetzen – ohne jeden landespolitischen Zuschlagsfaktor

obendrauf.

Dies sorgt im Übrigen auch für eine freiheitlichere Politik. Denn ein Staat, der alles regeln und kontrollieren will, ist nicht nur teuer, sondern ihm fehlt auch die Unterstützung seiner Bürger aus der Mitte der Gesellschaft.

Ob Bauskandale des BLB oder das Milliardengrab der WestLB – wenn man eines aus all diesen Vorgängen lernen kann, dann das: Der Staat ist selten der bessere Unternehmer und sollte daher seine Finger von allen Beteiligungen lassen, von denen private Dienstleister am Markt mehr verstehen.

(Beifall von der FDP)

Das ist kein tagespolitischer Schnellschuss.

Herr Börschel, Sie haben eben eingefordert, dass wir hier ehrlich mit dem Thema „WestLB“ umgehen. Ehrlich wäre es auch gewesen, Sie hätten darauf hingewiesen: In diesem Hohen Hause gibt es bereits seit über zehn Jahren Anträge der FDPLandtagsfraktion, die bereits damals, zu Zeiten, als es noch gewinnbringend möglich gewesen wäre, gesagt hat, dass die WestLB privatisiert werden solle.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie haben doch fünf Jahre lang regiert, Herr Kollege!)

Das hätte, Herr Kollege, den Steuerzahlern dieses Landes Aufwendungen in Höhe etlicher Milliarden Euro erspart.

(Beifall von der FDP – Zurufe von Hans-Willi Körfges [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie können das alles in Drucksache 13/2776 nachlesen. Da geht es los.

(Lachen von den PIRATEN und von Reiner Priggen [GRÜNE] – Heike Gebhard [SPD]: Fünf Jahre lang regiert!)

Deshalb sagen wir ausdrücklich: Das Grundproblem jeder öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung liegt darin, dass fachliche Erwägungen allzu häufig hinter politischen Entscheidungen zurücktreten.

Wir wollen keine Politik der am besten behaupteten Absichten, sondern der besten Ergebnisse. Alles andere ist nicht verantwortbar.

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mostofizadeh?

Normalerweise gern, aber ich würde die Haushaltsrede gern im Zusammenhang vortragen.

(Zuruf von der SPD: Welcher Zusammenhang?)

Jetzt nicht. – Bitte schön.

Die Haushaltsdaten zeigen, dass nur der schlanke Staat die einzig verantwortbare Entscheidung ist. Verglichen mit den letzten Haushaltsdaten von Schwarz-Gelb aus 2010, bevor Sie, Herr Finanzminister, ins Amt gekommen sind, planen Sie heute mit 6 Milliarden € mehr Steuereinnahmen. Warum hieraus keine strukturelle Haushaltskonsolidierung erwächst, ist klar: Sie geben 2012 auch knapp 6 Milliarden € mehr aus als 2010. Das zeigt: NRW hat kein Einnahmen-, sondern ein massives Ausgabenproblem.

Wir haben uns natürlich die Zahlen näher zu Gemüte geführt, die Sie, Herr Finanzminister, in der letzten Debattenrunde genannt haben. Sie haben gesagt, NRW zahle pro Kopf weniger als andere Bundesländer für die Dienstleistungserbringung. Mal abgesehen von den Synergieeffekten des größten Bundeslandes haben Sie gezielt die kommunalpolitische Aufgabendelegation herausgerechnet, obwohl Sie wissen, dass in fast keinem anderen Bundesland so viele Aufgaben – auch zu Recht – kommunalisiert sind wie in Nordrhein-Westfalen.

Deshalb haben wir uns Ihre Zahlen näher angeschaut und geprüft, was eigentlich das Statistische Bundesamt (Destatis) für die Ausgaben von Land und Kommunen im Vergleich der 13 Flächenländer, also ohne die drei Stadtstaaten, angibt. In puncto Effizienz steht NRW dabei an Platz 12 von 13: 5.700 € Ausgaben je Einwohner für Kern- und Nebenhaushalte zusammen. Ich glaube, dass das die ehrliche Einjustierung ist.

Deshalb ermuntern wir Sie: Orientieren Sie sich gern an anderen Bundesländern, aber vorzugsweise an den Vorbildern. Sechs andere Bundesländer haben bereits 2011 ausgeglichene Haushalte erreicht. Sie wissen: Weitere haben sie unmittelbar ab 2012 in der Haushaltsplanung. Das sollte auch Ihr Benchmark sein.

Der Auftritt des Landes auf Bundesebene ist leider nicht so rühmlich. So titelte die Presse gerade erst: „Kraft macht den Lafontaine“. Diesen Anschein hat es auch. Sie vernachlässigen Ihre eigenen Landesaufgaben, indem Sie zum Nachteil des Landes NRW die Rolle der Fundamentalverhinderer im Bund übernehmen.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: In Berlin, mei- nen Sie!)

In Berlin. – Da ist das Steuerabkommen mit der Schweiz. Wir sind bei der Analyse gar nicht weit voneinander entfernt. Was vorliegt, ist nicht perfekt, sondern ein Kompromiss. Aber er liefert planungssicher und dauerhaft Einnahmen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Planungssicher- heit für Steuerhinterzieher!)

Das ist besser als die weitere Verjährung zum Vorteil vieler Steuerhinterzieher.

(Martin Börschel [SPD]: Sie wollten doch selbst Nachverhandlungen! Was ist das denn für eine Heuchelei?)

Sie setzen lieber auf Kommissar Zufall und ein paar einprägsame Medienbilder.

Geradezu grotesk ist Ihr Verhalten als Beseitigungsblockade bei der kalten Progression. Ich frage, weil das gerade von Rednern angesprochen worden ist: Wie ist denn der Sachverhalt? Arbeitnehmer bekommen Lohnerhöhungen gerade zum Inflationsausgleich, gegebenenfalls auch einmal als Leistungsanreiz für größere Produktivität. Der Staat nimmt ihnen dafür mehr Steuern ab. Und in Sachen Kaufkraft hat man trotz Lohnerhöhung netto weniger als ein Jahr zuvor. Das ist Ihr Verständnis von sozialer Gerechtigkeit.

Herr Finanzminister, die Beseitigung der kalten Progression ist doch kein Steuersparmodell für Spitzenverdiener, sondern die Verhinderung einer ansonsten stattfindenden automatischen Steuererhöhung zulasten der Mitte der Gesellschaft.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie betrifft Tarifbereiche, für die die Gewerkschaften Lohnabschlüsse tätigen und auf die Straßen gehen. Sie ist über Steuermehreinnahmen gegenfinanziert, die noch aus den Preissteigerungen resultieren.

Dann Ihr letztes großes Projekt auf Bundesebene nach der signifikanten Erhöhung der Grunderwerbsteuer in NRW: die Einführung einer Vermögensteuer. Der Teufel steckt da schon im Detail. Deshalb sollten Sie Ihr Modell hier einmal näher präsentieren.