Protokoll der Sitzung vom 28.11.2012

Sie dürfen sich nur nicht wundern, wenn Ihnen ziemlich viele entgegenkommen.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann nur noch einmal sagen: Es hatte eine Folge, dass Sie abgelehnt haben: Der Landtag hat sich aufgelöst. Das Thema „Haushalt und Finanzen“ stand im Mittelpunkt des Wahlkampfes, den Sie geführt haben. Die Menschen haben eine sehr klare Entscheidung getroffen. Sie haben Hannelore Kraft und ihrem Kabinett, SPD und Grünen eine deutliche

Mehrheit verschafft – genau vor dem Hintergrund dieser Diskussionen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn die Menschen haben verstanden, dass die Politik des Dreiklangs der richtige Ansatz ist. Natürlich müssen wir sehen, wo wir sparen können. Natürlich müssen wir jede Ausgabe auf den Prüfstand stellen, um zu sehen, ob wir mit weniger Aufwand das gleiche Ergebnis erzielen können.

Aber sie wissen auch ganz genau, dass es eine Frage von Generationengerechtigkeit ist, wenn nicht mehr genug Geld für Bildung da ist, wenn die Infrastruktur verrottet, wenn die öffentliche Sicherheit in Gefahr gerät, weil der soziale Zusammenhalt in die Binsen geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Genau an dieser Stelle geht es darum, etwas dafür zu tun, dass dieses Land auch in Zukunft noch wirtschaftlich stark und lebenswert ist und vor allen Dingen einen sozialen Zusammenhalt hat.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn

Dr. Papke?

Ja.

Herr Dr. Papke, bitte schön.

Herr Finanzminister, sind Sie wirklich der Auffassung, dass das mehrheitliche Mandat der Regierung, der Sie jetzt angehören, bei der letzten Landtagswahl auch ein Mandat für Sie persönlich ist, Ihre hemmungslose Verschuldungspolitik einfach fortzusetzen?

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Ich beziehe mich auf Ihre soeben vor dem Landtag getätigten Ausführungen. Muss man Sie wirklich so interpretieren? Sind Sie wirklich dieser Auffassung?

Herr Papke, mindestens 96 % der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen wissen, dass es gar nicht um das geht, worüber Sie immer reden. Deswegen stimmen Ihnen auch nur noch die restlichen 4 % zu.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Die Menschen wissen, dass es nicht um hemmungslose Verschuldung geht, sondern darum, die wirklich nachhaltige Konsolidierung des Haushalts sicherzustellen. Nachhaltig heißt, nicht allem anderen den Boden zu entziehen, was dafür nötig ist, anschließend überhaupt noch Steuereinnahmen zu

haben, also dass Menschen überhaupt Steuerzahler sind und nicht in der Transferzahlung hängen. Darum geht es, und das haben die Menschen verstanden, und dafür haben sie uns ihr Mandat gegeben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Etwas für die U3-Betreuung zu tun, damit Frauen und Männer in der Lage sind, ihrem Beruf nachzugehen, etwas dafür zu tun, dass Talente nicht liegenbleiben, etwas in Bildung zu investieren, etwas dafür zu tun, dass die Kommunen handlungsfähig bleiben – auch das ist Generationsgerechtigkeit.

(Beifall von der SPD)

Sie haben – was schlimm genug ist – die ganze Zeit nur angekündigt, Vorschläge zu machen, sind aber mit keinem rübergekommen. Viel schlimmer ist aber, dass Sie, wenn Sie diesen Haushalt zerschießen und die Landesregierung kritisieren wollen, immer mit Zerrbildern arbeiten, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Ich nenne ein paar Beispiele.

Ein Beispiel ist das Thema „Verschuldung“. Herr Optendrenk, Sie haben eine wunderschöne Grafik mit den absoluten Zahlen der Neuverschuldung herausgegeben. Wenn Sie die mit der Pro-KopfVerschuldung herausgegeben hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass acht Länder der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Haushalt 2012 eine geringere und sieben Länder eine höhere Pro-KopfVerschuldung vorsehen. Das heißt, dass NordrheinWestfalen mit seinem Haushalt, der auf dem Weg zur Konsolidierung ist, in der Mitte dieser LänderPhalanx steht. – Das ist das eine.

Das andere ist: Wer von den Ländern hat nicht nur einen wunderschön ausgeglichenen Haushalt, sondern zahlt sogar schon zurück? Ich nehme als Beispiel das Land Sachsen. Es hat jetzt einen leichten Überschuss, weil es im Jahr 2011 – das sind die Zahlen, die mir vorliegen – aus dem Umsatzsteuerausgleich 2,2 Milliarden, aus dem Länderfinanzausgleich ungefähr 1 Milliarde und von den Bundesergänzungszuweisungen 2,8 Milliarden bekommen hat. Das sind 6 Milliarden für 4 Millionen Einwohner. Wenn ich bei mehr als viermal so vielen Einwohnern 24 Milliarden – oder mehr: 25 Milliarden oder 26 Milliarden – zusätzliche Hilfen für den Haushalt von Nordrhein-Westfalen bekäme, hätten wir eine etwas andere Konsolidierung als Sachsen – um das mal deutlich zu machen.

(Beifall von der SPD)

Und das vor dem Hintergrund, dass NordrheinWestfalen – um auch damit aufzuräumen – in beiden Stufen des Länderfinanzausgleichs eben nicht Nehmerland ist, sondern 2,4 Milliarden für den Umsatzsteuerausgleich zahlt, um dann, wenn spitz abgerechnet wird, 200 Millionen zurückzubekommen!

Zweites Zerrbild: das ewige Thema „WestLB“. Gerade, weil Sie eben auch angemerkt haben, dass

ich auf eine lange Zeit des Wirkens der WestLB und der damit verbundenen Menschen zurückblicken kann, sage ich: Ohne die WestLB hätte der Strukturwandel im Ruhrgebiet und der Strukturwandel in unserem Land anders ausgesehen.

(Beifall von der SPD)

Dass wir heute als ein modernes Industrieland dastehen, das immer noch eine Menge zu schultern hat, vor allen Dingen weil Erwachsene und auch Kinder bei diesem Wandel zum Teil nicht mitgekommen sind, dass nicht die Bedrohung entsteht, dass daraus ein fester Block von Transferhilfeempfängern wird, sondern Steuerzahler, ist nicht durch Zudrehen von Geldhähnen zu erreichen, sondern durch Investitionen. Das ist richtig, das muss man tun.

Aber die WestLB hat damals entscheidend zur Finanzierung des Strukturwandels beigetragen. Vieles von dem, was heute an Verlusten aufgelistet wird, ist für einen Finanzminister alles andere als vergnüglich und schön. Es ist auch alles andere als eine notwendige Folgerung dessen, was damals gemacht worden ist. Es hätte anders ausgehen können. Deswegen ist das, was von Ihnen heute immer als Last und als zusätzliche Belastung gesehen wird, nicht wie Kai aus der Kiste irgendwo hergekommen, sondern es ist zerronnen, was vorher gewonnen wurde. Ärgerlich genug!

Deswegen haben wir jetzt in die Umstrukturierung der WestLB zu Portigon 1 Milliarde investiert. Herr Witzel berichtet vor den Medien, es seien noch 2,5 Milliarden dazugekommen. Das ist aber nichts anderes als das, was in der Zeit von Finanzminister Linssen – ungleichgewichtig verteilt zulasten des Landes und zugunsten der Sparkassen mit 4 Milliarden zu 1 Milliarde – an Garantien ausgesprochen worden ist, die in den nächsten Jahren ziehen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was für eine Überraschung, die da auf uns zukommt, nachdem Sie verhindert haben, das am Ende des Jahres 2010 in einen Nachtrag zu packen und zu sagen: Das legen wir uns zur Seite, weil diese Lasten auf uns zukommen werden.

Gestern, geschleust aus dem Bundesfinanzministerium, war auf einmal zu lesen: Da sind ja noch 50 Milliarden. – Das ist durch statistische Verrenkungen zustande gekommen. Das, was jetzt aus der WestLB in die Erste Abwicklungsanstalt geht, wird in der Statistik plötzlich als Staatsschulden gewertet, obwohl diese Papiere in allen anderen Landesförderbanken und Landesbanken weiterhin der Landesbank zugerechnet werden. Das soll hier wie eine zusätzliche Belastung aussehen.

Die Litanei, die die FDP mit ihrem Antrag vorgelegt hat, ist wunderbar. Man könnte sie der Reihe nach abarbeiten, wenn dafür die Zeit reichen würde.

Sie sagen unter anderem, Sie stehen mit Ihrer Leistung auf der Bundesebene davor, einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen. Gucken Sie sich das aber mal an! Sie ziehen von einem zweistelligen Milliardenbetrag an neuen Schulden 2,8 Milliarden ab und sagen, die seien konjunkturell. Bei uns aber sagen Sie – vorwiegend die CDU –, dass eine Störung des Gleichgewichts nicht besteht. Dann ziehen Sie all das ab, was für die Europäische Union, den Eurowirtschaftsraum, zu leisten ist, weil das nicht strukturell sei. Bei uns aber ist die WestLB natürlich strukturell, obwohl jeder weiß, dass das eine Belastung ist, die nicht zum strukturellen Defizit gehört.

(Christian Lindner [FDP]: Der Bund hat dem Land Nordrhein-Westfalen alle Lasten abge- nommen für Europa!)

Nächster Punkt: Sie verschieben das Betreuungsgeld um ein halbes Jahr und lassen sich dafür feiern, dass Sie damit Geld gespart haben. Sie greifen in die Kassen Ihrer Tochter KfW, die damit nicht mehr in der Lage sein könnte, zum Beispiel zur energetischen Sanierung anständige Programme vorzulegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie senken den Zuschuss in den Gesundheitsfonds, bedienen sich an allen Ecken und Enden aus Kassen anderer und erklären dann, Sie kämen zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt. Soll das die Seriosität sein, von der vor allen Dingen Herr Witzel immer wieder spricht?

Er sagt auch, wir hätten im Augenblick ideale Bedingungen. Erklären Sie den Leuten draußen einmal, dass das, was in Europa im Augenblick vor sich geht, die idealen Bedingungen für Haushalte der Gegenwart und der Zukunft sind!

(Christian Lindner [FDP]: Damit haben Sie in Ihrem Haushalt doch nichts zu tun! Das macht alles der Bund!)

Außerdem reden Sie von Rekordsteuereinnahmen. Ja, was denn sonst? In jeder Gesellschaft, in der die Kosten wachsen, würden schon konstante Steuereinnahmen zu einer Schwächung und einem Abbau staatlicher Leistungen führen. In jedem Unternehmen brauchen Sie steigende Umsätze, wenn Sie wachsende Kosten ausgleichen und eine wenigstens gleichbleibende Rendite erzielen wollen. Das bedeutet: Wachsende Steuereinnahmen sind die Mindestvoraussetzung. Sie reichen aber noch lange nicht, um den Haushalt morgen ausgleichen zu können.

Trotzdem haben wir all das immer wieder dafür eingesetzt, auf beiden Seiten zu konsolidieren. Sehen Sie sich einmal den Haushaltsverlauf seit 2010 an! Wir sind mit unseren Istwerten immer unter den Sollwerten geblieben. Wir haben eine Linie, die den Abbau der Neuverschuldung zeigt. Wir haben einen Pfad bis 2020, der darauf hinweist, dass wir unter

normalen Bedingungen die Schuldenbremse einhalten werden – unter normalen Bedingungen. Dafür brauche ich mir gar keine wunderschönen Bedingungen auszurechnen.

All diese Dinge wollen Sie nicht wahrhaben. Sie wollen sie wegreden. Sie müssen Zerrbilder bemühen, um sich das schönzurechnen oder schlechtzurechnen, wie auch immer man es sehen will.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Lindner?

Ja.