Nach dem Nullwachstum im Jahr 2015 – Platz 16 aller Bundesländer, der letzte Platz –, nachdem in den ersten beiden Quartalen des letzten Jahres der Bund um 10 % besser gewachsen ist als wir hier in Nordrhein-Westfalen, muss man feststellen, dass Sie die Grundlagen dafür, kein Kind zurückzulassen, nicht geschaffen haben. Die Bilanz Ihrer Wirtschaftspolitik aus der Sicht der Betroffenen hat Unternehmerpräsident Kirchhoff Anfang des Monats überdeutlich auf den Punkt gebracht. Er sagt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
Wir sind heute nicht mehr so gut wie zu Beginn der Legislatur Kraft. Nordrhein-Westfalen braucht ein neues Grundempfinden für Wirtschaft. Überall kümmert man sich mehr um uns als in Nordrhein-Westfalen. Bei den Auflagen sattelt Nordrhein-Westfalen im Vergleich mit dem Bund immer nur drauf. NRW darf kein Naturschutzreservat werden.
Sein Vorgänger, Horst-Werner Maier-Hunke, hatte vor einigen Jahren den flehenden Appell an die Politik gerichtet, zu einer Willkommenskultur für die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu kommen. Wie weit muss dieses ehemals starke Industrieland abgesunken sein, dass Unternehmer flehen müssen, dass sie in Nordrhein-Westfalen wieder willkommen geheißen werden?
Geht man tiefer in die Ursachen hinein, dann sieht man, dass all Ihr Gerede vom Strukturwandel, von der Unvermeidbarkeit, dem Ausgeliefertsein der
Nachfrage aus den BRIC-Staaten dummes Zeug ist. In den Jahren 2010 bis 2015, in Ihrer Regierungszeit also, ist das Wachstum fast 40 % schwächer gewesen als im Bund, fast 40 % schwächer als in allen anderen Bundesländern, die die gleiche Weltkonjunktur, die gleiche Bundesregierung und die gleiche nationale Entwicklung haben.
Bei den gleichen Rahmenbedingungen war es zu Zeiten einer anderen Regierung von 2005 bis 2010 ganz anders. Der Wert lag damals 14 % über dem Durchschnitt. Gab es da keinen Strukturwandel? Gab es da keine Schwankungen in den BRICStaaten? All Ihre Ausflüchte sind also durch diese Zahlen entlarvt.
Ihre Stagnationsverwaltung in der Wirtschaftspolitik führt zu industriellem Rückbau, Deindustrialisierung durch Desinvestitionen: Während noch 2011 zwei Drittel der Investitionen der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen wieder am eigenen Standort in Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben, werden zehn Jahre später bestenfalls noch 50 % hier investiert. Die Unternehmen laufen Ihnen davon. Und was ist Ihre Antwort? – Sie streichen die Flächen für Gewerbe und Industrie um fast 4.000 ha im Land zusammen. Das ist Platz für über 100.000 Arbeitsplätze, wenn man es addieren würde.
Nordrhein-Westfalen benötigt nach sieben Jahren wirtschaftspolitischer Stagnationsverwaltung zwei Dekaden Vorsprung für Wachstum und Arbeitsplätze.
Wir benötigen eine Wirtschaftspolitik, die mehr darf, als die Lage schönzureden, die mehr darf, als immer nur das Schlimmste zu verhindern. Es ist ein Drama, wenn man Herrn Minister und Herrn Staatssekretär gelegentlich mit übernächtigtem Gesichtsausdruck nach offensichtlich langen Verhandlungen sieht und dann mitbekommt, was herausgekommen ist, nämlich zum Beispiel minimalste Änderungen am Tariftreuevergabegesetz im Sinne der Wirtschaft. Nordrhein-westfälische Wirtschaftspolitik muss wieder Wirtschaftspolitik machen dürfen, muss wieder das letzte Wort bei Flächenentwicklungen, bei Energiepolitik und bei anderen wesentlichen Fragen für die nordrhein-westfälische Wirtschaft haben.
Nordrhein-Westfalen benötigt eine Entlastungsoffensive, einen Bürokratieabbau und eine Absenkung der Abgabenlast. Nordrhein-Westfalen muss die innere Bergmannskapelle ein bisschen herunterdimmen, offen sein und Gehör für die Zukunftschancen insbesondere im Bereich der Digitalisierung finden.
Nordrhein-Westfalen kann Gewinner der Digitalisierung werden. Dazu benötigt man Mut und Tempo. Ja, dieser Wandel benötigt Mut und Tempo. Ihnen fehlt beides. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es war der erwartete Antrag der CDU. Wir werden ihn vielleicht noch einmal erleben. Es war sicherlich auch der erwartete Inhalt.
Nichts Neues! Die Dinge, die Sie gerade erzählt haben, Herr Wüst, sind immer dieselben. Wir wissen, warum Sie diese Reden immer und immer wieder hier halten und zum Teil auch von Ihren Fraktionskollegen halten lassen. Sie haben die Hoffnung, dass sich das Zerrbild, das Sie von unserem Land zeichnen, in den Köpfen festsetzt. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Sie können das hier tausendmal erzählen. Dieses Zerrbild wird sich nicht in den Köpfen der Menschen in Nordrhein-Westfalen verankern.
Diesmal haben Sie sozusagen als Kronzeugen die Unternehmensverbände herangezogen. Persönlich von mir: Ich habe vielleicht auch durch meine berufliche Sozialisierung immer großen Respekt vor Unternehmerpersönlichkeiten gehabt. Wenn ich jetzt allerdings feststelle, dass die Unternehmensverbände regelmäßig vor Wahlen ein wenig zu Vorfeldorganisationen ihnen geneigter Parteien werden, dann – das muss ich sagen – schwinden bei mir Respekt, Verständnis und Vertrauen. Das ist sicherlich keine gute Basis für weitere Gespräche.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle einige andere Unternehmen und Vertreter von Unternehmensverbänden zitieren. Mal sehen, wie sie dieses Land Nordrhein-Westfalen sehen, wenn sie nicht die politische Absicht haben, dieses Land ein wenig schlechtzureden.
Ich zitiere zunächst eine Pressemitteilung der IHK Nord Westfalen vom 22. Dezember 2016. Im Rückblick wird hier festgestellt:
„95 % der Betriebe beurteilen die aktuelle Situation zum Jahreswechsel mit gut … oder zumindest befriedigend.“
Unternehmer nrw zeichnet ein schon fast depressives Bild von Unternehmen in diesem Land. Lassen Sie uns mit den Unternehmen einen Blick nach vorne wagen. Wie sind die Geschäftsaussichten für die nächsten zwölf Monate? – Hierzu führt die IHK in ihrem Konjunkturbericht aus:
Lassen Sie mich als Letztes noch das Handwerk zitieren. Wir haben viel über das Handwerk gesprochen. Die sehr erfolgreiche und von Herrn Bombis geleitete Enquete hat hier wirklich Bemerkenswertes geleistet. Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch einmal das Handwerk zitieren. Das Handwerk führt in einer Pressemitteilung vom 11. Januar dieses Jahres aus:
Das Geschäftsklima des Wirtschaftssektors Handwerk hat in den beiden Halbjahren der sieben Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 mit 90 und 91 % historische Spitzenwerte erreicht.
Historische Spitzenwerte, meine Damen und Herren – das ist das Bild, welches Unternehmen von diesem Land zeichnen, wenn sie es so zeichnen, dass sie keine politische Intendierung haben. Darauf sollte man immer und immer wieder aufmerksam machen.
Herr Wüst hat zum Schluss versucht, anhand eines Beispiels – es scheint sein Lieblingsbeispiel zu sein – darzulegen, dass die Digitalisierung und vor allen Dingen die Breitbandversorgung in diesem Land nicht funktionieren.
Lassen Sie mich aus der Erhebung des TÜV Rheinland drei Zahlen nennen, wie weit wir in den unterschiedlichen Bundesländern mit dem Ausbau auf 50 Mbit sind. Ende 2015 hatten wir in Nordrhein-Westfalen 76,2 %. Mitte 2016 waren es 77,4 % und Ende
Uns ist immer vorgehalten worden, wir hätten keine Dynamik beim Breitbandausbau. Diese Dynamik haben wir aber. Relativ einfach kann man – nach Adam Riese und mit Schürmanns Rechenbuch, das sagte meine Oma immer – nachrechnen: 4 mal 4,8 plus 82,2 ergibt auf jeden Fall einen Wert von über 100. Über 100 % streben wir sicherlich nicht an, aber die 100 % werden wir an dieser Stelle auf jeden Fall so erreichen.