Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Weil der Bundesvorsitzende der FDP auch noch 30 Milliarden € Steuerentlastung ins Spiel gebracht

hat – er sagt natürlich wieder nicht, wie es funktionieren soll –, sage ich Ihnen sehr klar: Wir haben da ein anderes Konzept. Wir wollen Steuerentlastungen für Geringverdienende und keine pauschale Steuerentlastung für Besserverdienende. Wir wollen dieses Geld lieber in die Infrastruktur investieren: in bessere Schulen, in bessere Kindertagesstätten.

Sie sind doch die alte FDP: Elitegymnasium statt Chancen für alle; ausblutende Städte statt Solidarität zwischen Jung und Alt, zwischen Arm und Reich; stinkende Braunkohle statt Hunderttausende neue Jobs in der Umweltwirtschaft, die wir mit erneuerbaren Energien, mit einer emissionsarmen Mobilität beim öffentlichen Nahverkehr sowie in der Rad- und Elektromobilität schaffen wollen.

(Zuruf: Ha! Ha!)

Ich verspreche Ihnen, wir werden diese Unterschiede im Wahlkampf deutlich machen. Deswegen wird der 14. Mai ein schöner Tag. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Nächster Redner ist der FDP-Fraktionsvorsitzende Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU hat die verdienstvolle Aufgabe übernommen, mit dem hier vorliegenden Antrag noch mal eine Vielzahl von statistischen Größen zur Bilanzierung der Politik der Landesregierung vorzulegen. Dabei hätte es das gar nicht gebraucht. Es hätte schon allein ein schlanker Antrag gereicht, der zum Beispiel Herrn Mostofizadeh Gelegenheit gegeben hätte, hier die Rede zu halten, die er gerade gehalten hat. Denn alles, was man über diese Regierung wissen muss, konnte man seiner Rede entnehmen.

Was ist das für eine Regierungsfraktion, die sich im Jahr 2017 allen Ernstes noch an den Vorgängern aus dem Jahr 2010 abarbeiten muss?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Was für ein Armutszeugnis! Wenn man sieben Jahre Zeit hat, kommt man mit den alten Zahlen, und dann macht man den Vergleich noch nicht mal seriös. Dann kommen Sie allen Ernstes mit der Schuldenentwicklung und der Konsolidierung 2005 bis 2010 und wollen hier darlegen, damals sei bei der Stabilisierung der Finanzen weniger gemacht worden als jetzt.

Sind Sie noch zu retten? Wir hatten damals eine Weltfinanzkrise, und wenn Sie allein nur die Zinsentwicklung sehen: Würde Nordrhein-Westfalen heute so viel Zinsen zahlen, wie das im Jahr 2007 der Fall gewesen ist, wären die jährlichen Ausgaben allein für

die Zinsen 2 Milliarden € höher als jetzt. Das kehren Sie einfach unter den Teppich, weil es Ihnen nicht um eine ehrliche Bilanz, sondern um Schönfärberei geht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auch ein Blick in die Zeitungen der letzten Tage hätte schon enthüllt, wie die Landesregierung sich selbst sieht und was von ihrer Politik zu halten ist. Jetzt haben wir Wachstumszahlen bekommen, und Nordrhein-Westfalen hat wieder Wachstum. Darüber freuen wir uns auch. Im industriellen Bereich sind es allerdings nur 0,8%, verehrter Kollege Römer.

Wenn man die Preisentwicklung sieht, muss man sagen, dass es einen realen Verlust von Wirtschaftskraft gibt.

Der entscheidende Punkt aber, auf den ich hinaus will, ist ein anderer: 1,8 Prozent Wachstum …

(Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Bor- jans: Real!)

… sind unterdurchschnittlich! Verehrte Damen und Herren der Regierung, wenn Sie bereits ein unterdurchschnittliches Wachstum bejubeln, dann haben Sie weniger Ambitionen, als dieses Land NordrheinWestfalen verdient hat.

(Beifall von der FDP)

Jetzt will ich mal zwei oder drei Punkte in Bezug auf die Sache anführen.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bespricht sich mit Minister Dr. Walter-Borjans, Minister)

Frau Kraft, vielleicht schenken Sie mir Ihre Aufmerksamkeit auch noch bei diesem Punkt. Der Finanzminister kann gleich noch soufflieren, und die Piraten gehen ja auch noch ans Pult.

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Mir geht es nämlich um einen wichtigen Punkt: In Bielefeld und auch auf Ihrem jetzt durchgeführten Parteitag haben Sie ja Herrn Schulz zugejubelt. Herr Schulz spricht immer von dem 50 Jahre alten Industriearbeiter, der Angst davor hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Überall sonst in Westdeutschland muss der Mann gar nicht so viel Angst haben. In NordrheinWestfalen aber ist die Angst durchaus berechtigt; denn von allen westdeutschen Ländern haben wir die zweitschlechteste Arbeitsmarktentwicklung. Selbst Länder wie Thüringen sind besser als NordrheinWestfalen.

Das ist doch das reale Problem! Dem Mann aus Bielefeld, von dem Herr Schulz spricht, ist doch nicht mit einem fünf Monate längeren Bezug von Arbeitslosengeld I geholfen. Der braucht einen Arbeitsplatz! Und damit Arbeitsplätze entstehen können, braucht man eine andere Wirtschaftspolitik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Präsident der IHK NRW – übrigens hat auch der Kollege Duin selbst darauf hingewiesen, dass der Koalitionsvertrag anders geschlossen worden wäre, wenn er an den Koalitionsgesprächen mit den Grünen teilgenommen hätte – sagt doch: Immer, wenn es ein Gesetz aus Berlin oder Brüssel gibt, dann fällt der Landesregierung noch etwas ein, wie man es verschärfen kann. Und wenn es nichts aus Brüssel oder Berlin gibt, dann erfinden wir selber noch die Hygieneampel. – Das ist doch der Grund! Wenn man sieben Jahre lang eine solche Politik macht und dem Herrn Remmel jeder Wunsch von den Augen abgelesen und ins Gesetzblatt gebracht wird, dann gibt es irgendwann Schleifspuren am Arbeitsmarkt zu sehen. Und das muss enden!

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Ist ja lächerlich!)

Wenn Sie es mir nicht glauben, dann rufen Sie doch einmal bei Michael Vassiliadis an, der ist IG BCEVorsitzender und Ihr Genosse. Fragen Sie ihn doch mal, was er von Ihrer Energie- bzw. Klimapolitik und der teilweise ideologischen Politik im wirtschaftlichen Bereich, die Sie mit umsetzen müssen, so hält.

Ich komme zum zweiten Punkt, zur Bildung. Wir müssen uns hier jetzt nicht über die Statistiken austauschen. Die Lage ist schlechter als 2010. Sie ist schlechter, gerade bei den Kindern und Jugendlichen, die sich in der niedrigsten Kompetenzgruppe befinden, also einen besonderen Förderbedarf haben. Bei denen sind die nationalen Vergleichsergebnisse schlechter als 2010. Aus „Kein Kind zurücklassen!“ wurde „Mehr Kinder zurücklassen“.

(Beifall von der FDP sowie von Abgeordneten der CDU)

Und auch das hat Gründe! Genauer gesagt hat es einen Grund, Frau Kraft. Und der sitzt neben Ihnen. Das ist nämlich Ihre ideologisierte Schulpolitik, wo Vorhaben wie die Inklusion ohne klare Qualitätsvorgaben zu Lasten sowohl der Kinder mit Behinderung als auch der Kinder in den Regelschulen durchgedrückt werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben Sie davor gewarnt, beim doppelten Abiturjahrgang die Lehrerstellen am Gymnasium abzubauen. Sie haben es trotzdem gemacht. Das Ergebnis ist jetzt die G8/G9-Debatte.

(Zurufe von der SPD und den PIRATEN)

Ja, selbstverständlich! Die Unruhe am Gymnasium hat doch nichts mit dem G8 selbst zu tun, sondern mit der strukturellen Vernachlässigung, wodurch massenhaft Fachunterricht ausfällt. Das ist der Grund dafür, dass wir diese Debatte führen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen – wenn Sie es mir nicht glauben, Frau Kraft und Herr Mostofizadeh – jetzt noch Folgendes: Sie haben ja neulich gesagt, die Schulministerin Löhrmann sei die beste Schulministerin, die das Land jemals gesehen hat. Ich empfehle Ihnen einmal einen Blick in den Pressespiegel der Landesregierung. Instruktiv war letzte Woche ein Bericht über die Mitgliederversammlung der Grünen in Hamminkeln – Frau Löhrmann, Sie wissen es schon –; die sagten nämlich etwas ganz anderes. Sie sagten, sie sei die schlechteste Ministerin. Und es ging weiter. Ein Grüner, der im Lehrerberuf tätig ist, sagte – Zitat –:

„In meinem Kollegium ist die Stimmung absolut anti gegenüber meiner Chefin.“

Das zeigt, es gibt noch Grüne mit Realismus.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das muss sich also ändern. Wir wollen das ändern.

Ich komme zum dritten und letzten Punkt, zum Verkehr. Im Transitland Nordrhein-Westfalen gab es 388.000 km Stau. Im Jahr 2010 hatten wir, glaube ich, über 70 Millionen € für Investitionen in die Landesstraßen – für Neubau – eingesetzt. Ich glaube, Herr Groschek, wir sind jetzt bei 32 Millionen €.

(Minister Groschek: Engpässe beseitigen!)

Ja, ja, ja! Engpässe beseitigen, bla, bla, bla! Das Verhältnis 70 zu 30 spricht eine deutliche Sprache.

2011 haben Sie auf Druck der Grünen 170 Maßnahmen aus der Bedarfsplanung des Bundes aktiv abgemeldet, weshalb wir vom Investitionshochlauf des Bundes gegenwärtig weniger profitieren als wir müssten; denn wir müssten überdurchschnittlich hohe Verkehrsinfrastrukturinvestitionen vornehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Ist doch Quatsch!)

Ich bin jetzt gleich am Ende, Herr Präsident. – Das ist ein katastrophaler Umgang mit der Ökologie; denn ein Liter Benzin, der im Stau verbraucht wird, ist wirklich klimaschädlich. Im Übrigen ist es auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Menschen. Es hat einmal jemand ausgerechnet, dass in Nordrhein-Westfalen in jedem Jahr 100 Millionen Stunden Lebenszeit im Stau verbracht werden. Wir können aber Besseres tun, als auf die Rücklichter des Vordermanns zu schauen.

(Beifall von der FDP)