Was den Frauen wirklich nicht gerecht geworden ist und was ich jetzt an dieser Stelle anprangere, ist, dass wir um das Thema „wichtige Ereignismeldung“ gefühlt zwei Monate lang Zeugen vernommen und uns nur eine Woche und drei Tage mit den Opfern beschäftigt haben.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir alles für Geschichten gehört? Was haben wir alles für Kampfrhetorik erlebt in den Sitzungen und auch hier? Welche Kausalketten wurden da aufgemacht? Und wurde auch weitschweifend über Sachverhalte gesprochen, die mit der Kölner Silvesternacht nichts zu tun hatten?
Lassen Sie mich auch etwas erzählen. Aber ich erzähle nicht die Geschichte eines Bundesinnenministers, der noch nicht einmal willens war, anzuerkennen, dass die Hälfte der Sexualdelikte innerhalb des Bahnhofs oder unmittelbar vor dem Eingang des Bahnhofs stattfand
doch, lesen Sie mal Ihren Egg nach; da steht das drin – und damit in seinem Zuständigkeitsbereich. Er schob einzig und allein die Verantwortung auf NRW ab, eine Taktik, die scheinbar beliebt ist und gerade in anderen Zusammenhängen wieder beobachtet werden kann.
Ich erzähle auch nicht die Geschichte einer Oberbürgermeisterin von Köln, die meinte, die Landespolizei sei alles schuld, weil das ja so in der Zeitung stünde und sie ihr umfangreiches Wissen auch aus dieser allein bezog.
Ich erzähle auch nicht die Geschichte des höheren Dienstes, der höheren Führungsbeamten der Kölner Behörde. Da gibt es nämlich keine Geschichte. Die waren in der ganzen Nacht überhaupt nicht da; die waren zu Hause.
Ich erzähle auch nicht die Geschichte eines Einsatzleiters, der, als der Mob schon über drei Stunden in vollem Gange war, immer noch die Einschätzung vertrat: Das ist doch alles nur Kindergeburtstag.
Lassen Sie mich etwas anderes erzählen, und zwar drei Kurzgeschichten von drei anderen in der Nacht Beteiligten.
Erste Geschichte – von einer städtischen Mitarbeiterin, die für die Hohenzollernbrücke zuständig war und mit ca. 70 Personen unter der Brücke steht. Sie hören richtig: zuständig für die Sicherheit auf der Brücke, sie steht mit ihren Kräften darunter und bekommt nichts mit. Die Folgen kennen wir: Enge und Panik auf der Brücke, Überklettern der Gitter zu den Gleisen, Entfluchtungsmaßnahmen über die Gleise, Einstellung des Bahnverkehrs, Volllaufen des Bahnhofs, entsetzliche Enge und Stauungen im Bahnhof, Übergriffe in allen gestauten und verengten Bereichen, auch Vergewaltigungen auf dieser Brücke.
Zweite Geschichte – die eines Kriminalbeamten an neuralgischer Stelle, dem in der Nacht etliche und scheußliche Fälle sexueller Übergriffe geschildert wurden und der sie schlicht nicht wahrnahm, bagatellisierte, nicht sachgemäß weiter bearbeitete, nicht an die Kräfte an der Straße meldete. Und er stand auf dem Standpunkt, das waren doch gar keine Vergewaltigungen. Das Wort „Vergewaltigung“ hat er aus seiner Gedankenwelt schlicht und ergreifend gestrichen. Bei der Übergabe am nächsten Morgen hat er noch nicht mal eines dieser Delikte an seinen Nachfolger benannt.
Dritte Geschichte – eines Polizisten, der auch für die Sicherheit auf der Hohenzollernbrücke zuständig ist und aussagt, dass er dem Auftrag nicht nachgekommen sei, da ein Böller auf seine Kleidung hätte fallen können und dies unangenehm für ihn sein könnte. Auf die Idee, dass dann doch wohl erst recht eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger anzunehmen sei und daher Maßnahmen ergriffen werden müssten, kam er noch nicht einmal. Der hat den Ort der Katastrophe schlicht nicht aufgesucht.
Was waren die Fehler? Wer hat die gemacht? – Einsatzbefehle wurden nicht befolgt. Frühzeitige Aufklärung fand nicht statt. Über Stunden – ca. fünfeinhalb Stunden – keine Führungsentscheidung getroffen. Grundlegende Führungseinsatzgrundsätze wurden eklatant missachtet, Lagebeurteilungen wurden lange Zeit nicht durchgeführt oder waren hinterher schlichtweg falsch. Mitteilungen von sexuellen Übergriffen wurden nicht ernstgenommen. Reservekräfte wurden nicht angefordert. – Die Liste ist lang.
Und eines ist auch klar: Eine Lage, die ausufert, bekommt man nicht mehr oder nur noch schwer in den Griff. Man kommt quasi nicht mehr vor die Lage, sondern immer nur zu spät und läuft meilenweit hinterher. Das ist den meisten eingesetzten Polizeikräften
in der Nacht geschehen. Sie trifft keine Schuld. Insoweit ist klar, zu unterscheiden. Nicht die Stadt Köln, nicht die Bundespolizei, nicht die Landespolizei in Gänze haben Fehler gemacht, wohl aber einzelne Mitarbeiter aus allen drei Bereichen, gerade auch in ihrem Zusammenspiel.
Die Kölner Silvesternacht wird es so nicht wieder geben. Die Frage ist aber, ob ab jetzt jedes Mal mit Personalmasse gearbeitet wird oder die Fehler, die der Bericht auflistet, umfassend angegangen werden, um eine sichere und ressourcenschonende Aufgabenerfüllung weiterer Silvester- und anderweitiger Großeinsätze zu gewährleisten.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas hinzufügen. Wenn die Kölner Silvesternacht etwas bewirken kann, dann, dass endlich Schluss sein muss mit der Bagatellisierung und Leugnung einer immensen Anzahl von sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen, die nicht nur in der Silvesternacht geschehen, sondern ständig.
Das richtet sich besonders an uns Männer. In dieser Nacht waren es Migranten. Aber es ist nicht etwas sie spezifisch Betreffendes. Bei so vielen Festen und Feiern am Arbeitsplatz, in der Familie und im Freundeskreis und bei anderen Gelegenheiten: Sexuelle Übergriffe an Frauen stehen ständig auf der Tagesordnung: für die Frauen als Opfer, leider nicht für uns Männer als Handlungsdruck.
Nein, nicht alle Männer tun dies, beileibe nicht, aber ja, viel zu viele überschreiten die Grenze der sexuellen Selbstbestimmung der Frauen. Und gerade wir Männer müssen uns fragen, wo und wie wir weggucken, nicht wahrnehmen, nicht bemerken, wie lange wir dies noch tun wollen.
Wir können die Nacht nicht ungeschehen machen. Wahrscheinlich können wir kaum einen Täter überführen, aber wir können und wir müssen etwas tun: das Leid der Frauen endlich umfassend wahr- und ernstnehmen. Lassen Sie uns daraus ein gesellschaftliches Thema und eine Aufgabe machen, der wir uns mit aller Kraft stellen, indem wir dieses bekämpfen. – Vielen Dank.
Wir sind am Schluss der Aussprache. Ich stelle damit fest, dass der Landtag den Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV (Silvesternacht 2015) Drucksache 16/14450 zur Kenntnis genommen hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt für Vereine und deren wirtschaftliche Betätigung eine Freigrenze seitens der Finanzämter in Höhe von 35.000 €. Wenn sie also unterhalb dieser Freigrenze sind, müssen sie keine Steuererklärung abgeben, sondern werden von der Steuer freigestellt. Diese Freigrenze ist seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden. Wer sich erinnert: Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sehr viel Medienarbeit damit gemacht, dass er gesagt hat, er wolle diesen Betrag erhöhen, damals um 5.000 €. Und nach zehn Jahren sind wir – SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – der Überzeugung, es ist dringend an der Zeit, diese Freigrenze wieder um 5.000 € zu erhöhen, nachdem zehn Jahre ins Land gegangen sind.
In den vielen Gesprächen, die ich mit Vereinen geführt habe – ich schaue mal den Finanzminister an –, ist bei mir wirklich auch der Eindruck sehr tief geworden, dass es denen nicht darum geht, dass sie weniger Steuern zahlen müssen, sondern vielen geht es darum, dass sie hoffen, wenn sie unter die Freigrenze fallen, diese Steuererklärungen gar nicht mehr abgeben zu müssen.
Das sind Ehrenamtliche in kleinen Vereinen, und wenn ein Verein unter der Grenze liegt, dann ist das ein ziemlich kleiner Verein. Die haben einfach kein großes Interesse daran, neben ihrer privaten noch eine Steuererklärung ausfüllen zu müssen, denn wenn sie ein Ehrenamt beim Sportverein, beim Kulturverein, beim Sozialverein gesucht haben, dann wollen sie sich da engagieren, aber nicht beim formalen Ausfüllen von Dokumenten. Das ist nicht ihr Ziel. Insofern würden wir diesen kleinen Vereinen sehr helfen, das Ehrenamt stärken, es von dieser Steuererklärung entlasten. Von daher sprechen wir uns in unserem Antrag sehr konkret für eine Anhebung um 5.000 € aus. Wir sagen darüber hinaus, man möge auch noch prüfen, ob es andere Dinge gibt, wo wir die Vereine entlasten können.
CDU vorliegen. Da steht in der Begründung – da habe ich mich erst noch gefreut –, die Anhebung der Freigrenze werde begrüßt. Herr Lienenkämper, ich habe mich etwas gewundert über die Passivformulierung, weil ich gedacht habe, Sie schreiben, Sie begrüßen das, aber wenn man sich dann das Antragsbegehren anschaut, dann weiß man, warum Sie damit so passiv umgehen. Da steht dann überhaupt nichts mehr über die Freigrenze, sondern es steht da ganz allgemein: Wir gründen einen Arbeitskreis – so würde ich es mal formulieren –, der einmal alles ein bisschen prüft.
Herr Lienenkämper, Sie gucken mich gerade an. Ich würde mal sagen: Sonntagsrede am Mittwoch. – Das, was die Ehrenamtler an uns kritisieren – sie fragen: In Sonntagsreden lobt ihr das Ehrenamt, aber was macht ihr eigentlich montags? –, machen Sie statt am Sonntag am Mittwoch, indem Sie das Ganze allgemein verschieben, überhaupt nicht konkret werden und überhaupt nichts Neues in den Antrag schreiben und – was noch schlimmer ist – dadurch im Gegenteil unsere konkrete Forderung auf die lange Bank schieben; denn Sie wollen ja alles erst mal prüfen. Die Landesregierung soll übrigens plötzlich vor dem Hintergrund, dass die Legislaturperiode gerade zu Ende geht, prüfen.
Der Hintergrund ist auch noch ganz spannend. Der Bundesfinanzminister heißt Wolfgang Schäuble und ist von der CDU.
Da wäre es gut – fänden Sie denn die Forderung gut –, wenn Sie versuchten, auf ihn Einfluss zu nehmen. Das wollen Sie aber nicht, sondern Sie schreiben Allgemeines. Ich habe schon gesagt, dass das Sonntagsreden am Mittwoch sind. Damit können wir nichts anfangen.
Ich will das mal so formulieren: Wenn ich 39 Tage vor einer Wahl nicht weiter weiß, dann beantrage ich einen Arbeitskreis. – Das ist es, was Sie machen. Sie versuchen, es einfach auf die lange Bank zu schieben, damit Sie keine Position einnehmen müssen. Das stärkt natürlich das Ehrenamt überhaupt nicht, im Gegenteil, es schwächt das Ehrenamt. Das werden auch die Ehrenamtler erkennen.
Ich kann nur abschließend sagen: Wer das Ehrenamt stärken will, muss gleich dem Antrag der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen und darf diesem Antrag der CDU auf gar keinen Fall zustimmen. Sie werden es ahnen: Wir als SPD wollen das Ehrenamt stützen und werden uns deshalb so verhalten. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass das Ehrenamt eine wichtige Säule unserer Gesellschaft ist. Die vielen ehrenamtlich Tätigen tun jeden Tag ganz viel, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.
Kollege Bischoff hat es deutlich gemacht: Sie wollen organisieren und sich in die unterschiedlichsten Bereiche einbringen, sei es beim Training von Fußballmannschaften, sei es in Kulturvereinen, in Musikvereinen, in der Flüchtlingshilfe usw. Was Sie nicht wollen, ist natürlich, sich über Gebühr mit dem Ausfüllen von Formularen beschäftigen zu müssen. Ein gewisses Maß am Ausfüllen von Formularen ist sicherlich notwendig, denn schließlich muss nachgehalten werden, in welcher Art und Weise in diesen Initiativen bestimmte Mittel verwendet werden.