Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Witzel das Wort.
(Zuruf von den GRÜNEN: Das muss doch nicht sein! – Stefan Zimkeit [SPD]: Ihrer Frak- tion scheint der Gesetzentwurf nicht wichtig zu sein, wenn ich die Anwesenden sehe!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von der Überstundenproblematik sind sachlogisch natürlich alle Ressorts betroffen. Wir haben die Problematik in der Tat mit den Experten in der Anhörung am Beispiel der Polizei dargestellt, weil die Problematik dort besonders frappierend ist.
Ich möchte aber ausdrücklich sagen: Es handelt es sich nicht um ein reines Problem bei der Polizei, sondern auch in anderen Ressorts findet sich die Problematik, dass Bedienstete des Landes Arbeitsleistungen erbringen und durch Kappungsstichtage oder andere Verfallsregelungen mengenbedingt oder zeitlich bedingt einen Teil dessen, was sie erarbeitet haben, weder finanziell noch durch Freizeitausgleich erstattet bekommen.
Für uns als Parlamentarier ist es selbstverständlich, dass Landesbeamte eine besondere Loyalitätspflicht und Treuepflicht haben, und dass auch wechselseitig ein besonderes Treueverhältnis zwischen Dienstherrn und Landesbeamten bestehen muss.
Eine weitere Sache ist zu berücksichtigen: Große Einsatzlagen bei der Polizei sind häufig nicht kalkulierbar, weil Katastrophen nicht kalkulierbar sind. Oftmals ergeben sich Kriminalitätsphänomene, die nicht vorhergesehen werden können. Dann benötigen wir die Verfügbarkeit des Personals. Wir müssen Polizeibeamten oftmals mit kurzem zeitlichem Vorlauf sagen, dass sie ihre Wochenendplanung ändern und das zweite und dritte Mal in Folge wichtige Termine bei Freunden und Familienmitgliedern ganz kurzfristig wieder absagen müssen, weil es die dienstlichen Notwendigkeiten so gebieten.
Wenn wir all das im Rahmen eines Loyalitätsverhältnisses einfordern, dann muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Leistungsgrundsatz gilt und jemand das, was er erbracht und an Arbeit geleistet hat, rechtssicher an anderer Stelle zurückerstattet bekommt, sobald es geht. Deshalb haben die Experten bei der Anhörung durchgängig gesagt: Wir benötigen unterschiedliche Maßnahmen.
Das Allerwichtigste jedoch, was dieser Antrag fordert und wofür es die Zustimmung aller Betroffenen gibt, ist ein zugesagter Verfallsschutz, damit jeder Landesbeamte weiß: Wenn ich zusätzlich Arbeit erbringe, die über die mir regulär bezahlte Wochenarbeitszeit hinausgeht, dann kann ich mir sicher sein, es wird den einen oder anderen Weg geben, auf dem mir dies zurückerstattet wird. Ich laufe nicht Gefahr, mein drittes und viertes Wochenende in Folge bei einem polizeilichen Großeinsatz zu verbringen, weil ir
gendwo ein Attentat angedroht wurde, eine Bombendrohung oder eine Gewaltlage vorhanden ist, und ich für meinen Einsatz wieder keinen Ausgleich bekomme.
Des Weiteren haben uns alle Experten im Zuge einer ausgesprochen qualifizierten und sachlichen Anhörung gesagt, dass wir über diese kurzfristige Zusage hinaus und jenseits von kleineren Erprobungsmodellen endlich Lebensarbeitszeitkonten benötigen. Es kommt den persönlichen Bedürfnissen von Landesbeamten entgegen, wenn sie in jüngeren Jahren sagen können: Ich bin leistungsfähig und besonders fit; da arbeite ich gerne die eine oder andere Stunde mehr
und freue mich dann, wenn ich gerade bei harten, fordernden Tätigkeiten wie bei der Polizei weiß: Ich kann in späteren Jahren einen Entlastungseffekt einlösen.
Das haben uns die Betroffenen bei der Anhörung gesagt. Es gibt keinen Grund mehr, noch lange etwas auszuprobieren. Wir müssen jetzt handeln. Das wird vom Land erwartet.
Das einzige Problem bei Lebensarbeitszeitkonten ist der zeitliche Planungsvorlauf. Der muss passend sein. Darauf muss sich in der Personalentwicklung natürlich auch eine Behörde einstellen können. Aber das Modell als solches ist sehr sinnvoll. Deshalb, glaube ich, gibt es viel Handlungsbedarf. Das ist ein guter Anlass, diesen Antrag zu verabschieden.
Um es noch einmal klar zu sagen – das ist vorhin Thema gewesen –: Die Überstunden im Polizeibereich werden von gewerkschaftlicher Seite aus im Jahr 2016 als weiterhin stark steigend eingeschätzt. Der Innenminister weigert sich, die Zahlen vorzulegen. Wir haben immer wieder danach gefragt. Deshalb fordern wir Innenminister Jäger auf, das heute hier nachzuholen und die Erkenntnisse, die er bislang über die Überstundenberge und das dienstliche Geschehen des Jahres 2016 hat, hier transparent darzulegen. Das ist jetzt Ihre Aufgabe als Landesregierung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schatz das Wort.
Sehr vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lux, liebe Frau Zentis, Sie haben jetzt hier viel geredet, aber ich muss Ihnen sagen: Ich habe von
Im Gegenteil: Sie verkennen sogar noch wichtige Aspekte. Zunächst einmal wurde in dieser Diskussion gar nicht richtig unterschieden, worum es hier eigentlich geht. Sie reden hier immer nur von Mehrarbeit, also von Mehrarbeit im Sinne von § 61 Landesbeamtengesetz. Daneben gibt es aber auch immer noch die guten alten Überstunden. Ich meine, das sollte man den Menschen draußen und, wie mir scheint, auch dem einen oder anderen hier im Hause, vielleicht mal erklären.
Im Leben draußen gibt es Überstunden. Punkt. Bei den Beamten hingegen gibt es Mehrarbeit, und es gibt noch die normalen Überstunden. Mehrarbeit sind immer quasi angeordnete Überstunden. Die normalen Überstunden umfasst Dinge, die nicht angeordnet sind. Das betrifft überwiegend die Beamten im Wach- und Wechseldienst, wenn sie beispielsweise bei einer Unfallaufnahme über den eigentlichen Dienstschluss hinaus tätig sind.
Das ist dann in der Regel nicht angeordnet, aber die können ja auch nicht einfach damit aufhören, den Unfall aufzunehmen. Diese normalen Überstunden werden allerdings auf separaten Konten registriert. Das heißt, zu den ganzen Millionen Stunden an Mehrarbeit, über die wir jetzt hier reden, kommen die normalen Überstunden noch hinzu.
Dazu, wie viele das sind, hatte ich vor Kurzem eine Kleine Anfrage gestellt, Drucksache 16/14308. Ergebnis: Sie wissen es nicht. Die Daten liegen auf Landesebene nicht vor, und die Erhebung wäre zu aufwendig. Das ist ein Textbaustein für „Ich habe keinen Bock, zu antworten“.
Dann kommt der größte Clou. Nicht einmal einfachste mathematisch-logische Schlussfolgerungen bekommen Sie hin. Der Erlass vom 22.05.2015, über den wir reden, sieht vor, dass alle Überstunden, die vor dem Jahr 2015 angefallen sind, also 2014 abwärts – da reden wir von gut 2 Millionen Überstunden –, bis 2020 abzubauen sind und dass bis dahin auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. So weit, so gut. Das macht aber nur dann – und zwar ausschließlich dann – Sinn, wenn, aus welchen Gründen auch immer, damit zu rechnen wäre, dass der Abbau dieser Überstunden tatsächlich bis 2020 dauern könnte. Bei 2 Millionen Überstunden scheint mir das nicht unrealistisch.
Es gibt aber eine Maßgabe, und die ist zwingend, dass nämlich immer zuallererst die ältesten Überstunden abzubauen sind. Der Beamte kann sich nicht aussuchen: Ich mach da mal zehn von 2014, 20 von 2015 und noch einmal 30 von 2016. – Wenn er welche abbaut, dann werden immer zuerst die ältesten Überstunden abgebaut.
Und jetzt kommt der Logikfehler: Sie rechnen damit, dass es bis 2020 dauern könnte, bis die Überstunden aus 2014 und darunter abgebaut sind. Aber die Überstunden aus 2015, die also zwingend erst nach den Überstunden aus 2014 abgebaut werden können, verjähren bereits 2018, weil für die der Verzicht auf die Einrede der Verjährung nicht gilt. An der Stelle hat mein Logiksystem „Error“ gezeigt.
Die Begründung dazu ist das Beste. Sie schreiben sowohl in Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage als auch im Bericht für den Unterausschuss Personal – ich zitiere –: Für die ab dem 1. Januar 2015 neu entstandenen Mehrarbeitsstunden wird die Verjährung weiter konsequent nachgehalten, einerseits um dem Fürsorgegedanken Wirkung zu verleihen, andererseits um die personalwirtschaftlich kritisch zu bewertende Ansammlung von Stundenbergen zu vermeiden.
Was ist denn das für ein Blödsinn? Zugegeben: Es gibt auch Beamte – das sehe ich ein –, die das System – in Anführungsstrichen –ausnutzen, um Überstunden bewusst anzuhäufen. Indem Sie aber solche Regelungen treffen, sind von Ihrer Erziehungsmaßnahme – und nichts anderes ist das – leider auch diejenigen Beamten betroffen, die faktisch überhaupt keine Möglichkeit haben, ihre Überstunden abzubauen.
Es ist die Aufgabe des direkten Vorgesetzten, darauf zu achten, dass eben nicht maßlos und bewusst Überstunden angehäuft werden. Sorgen Sie lieber dafür, dass diesbezüglich das Einschreiten der Vorgesetzten konsequent umgesetzt wird, aber bevormunden und drängeln Sie nicht diejenigen Beamten, die sich hier tagtäglich für uns den Hintern aufreißen und ihre Stunden gar nicht abbauen können.
Ich glaube, da hat Ihr Koalitionspartner ein bisschen zu sehr auf Sie abgefärbt. Im Bevormunden sind die Grünen ja spitze, wie wir immer wieder merken.
Sorgen Sie lieber dafür, dass die Beamten ihre Überstunden nicht willkürlich anhäufen, sondern dass sie sich gar keine Sorgen mehr darüber machen müssen, ob diese Überstunden überhaupt jemals wieder abgebaut werden können. Schaffen Sie Langzeitarbeitskonten, bei denen man sich aussuchen kann,
wann und wie man seine Überstunden abfeiert, wo man zeitlich nicht gebunden ist. Bis dahin folgen Sie einfach dem Antrag der FDP; denn bis dahin sind die Überstunden nämlich gesichert! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lohn, Sie hatten gerade gesagt, dass ich dem Parlament die entsprechenden statistischen Aufbereitungen verweigern würde. Wir haben das schon diskutiert. Unabhängig davon, ob am 14. Mai Wahlen sind oder nicht, wird die Aufbereitung dieser Frage wie jedes Jahr seriös und umfangreich vorgenommen und die Zahlen dann, wenn sie valide sind, Ihnen vorgelegt.
Da Sie gerade meinen Kollegen Dahm neben sich sitzen hatten, gehe ich mal davon aus, dass der günstige Einfluss so gut ist, dass Sie solche Behauptungen nicht wiederholen.
Ansonsten: Was den materiellen Aspekt den Ganzen betrifft, schließe ich mich den Ausführungen der Kolleginnen Lux und Zentis an. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich höre gerade, dass Herr Kollege Witzel noch rechtzeitig eine Kurzintervention angemeldet hat.