Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Zurufe: Oh!)

So sind die Regeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Jochen Ott [SPD]: Damit gewinnen Sie die Wahl, Witzel! Ist doch klar!)

Das heißt, dass Herr Kollege Witzel jetzt für 90 Sekunden das Wort hat und der Minister hinterher entgegnen kann. – Herr Kollege Witzel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Minister Jäger, Ihre inhaltlichen Ausführungen – oder besser gesagt: Nichtausführungen – zu der Problematik sprechen ja für sich. Es kann sich dann jeder anschauen, was Sie zu dieser Problematik an Lösungsvorschlägen haben und was Sie dazu hier sagen können.

Ich möchte mich aber ausdrücklich der Frage anschließen, die auch andere Fraktionen gestellt haben und der Sie heute wieder ausgewichen sind. Niemand hat gesagt, Sie sollen einen vollständigen Überstundenbericht des Umfangs vorlegen, wie er in den letzten Jahren später im Jahresablauf veröffentlicht wurde.

Wir haben Sie als Opposition jedoch schriftlich aufgefordert, uns die Daten von den Polizeipräsidien, bei denen die Zahlen feststehen, die vor Ort der örtlichen Presse bereits als abschließende Zahlen mitgeteilt worden sind, und wo Sie keinen Rückfragebedarf mehr wegen vermeintlicher Unstimmigkeiten vor Ort bei Polizeipräsidien haben, zu übermitteln und eine Einschätzung zu geben – mit dieser Teilmenge der nicht mehr strittigen Daten –, ob das stimmt, was wir von gewerkschaftlicher Seite berichtet bekommen, dass gerade aufgrund der Einsatzfülle des Jahres 2016 der Überstundenberg weiter gestiegen ist.

Warum weigern Sie sich, die bei Ihnen nicht mehr rückfragebedürftigen Daten vorab zu veröffentlichen und der Opposition auf Anfrage zur Verfügung zu stellen? Wann werden Sie bereit sein, das zu tun – vor dem 14. Mai oder erst danach?

Herr Witzel, ich glaube, der letzte Satz entlarvt Ihre Motivation und Intention,

(Christof Rasche [FDP]: Nein, Ihre Handlung!)

dass vor dem 14. Mai Teile von Daten …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie haben mich etwas gefragt. Ich antworte Ihnen gerade, Herr Witzel.

(Michael Hübner [SPD]: Kann er selbst beant- worten!)

Klar ist, wie in jedem Jahr zuvor, Herr Witzel – unabhängig davon, ob am 14. Mai Landtagswahlen sind oder nicht –, werden wir für die Gesamtpolizei in Nordrhein-Westfalen diese Zahlen valide vorlegen, und zwar zu den Zeitpunkten wie es in den Jahren zuvor auch. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

So weit Kurzintervention und Entgegnung des Ministers. Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/14675, den Antrag Drucksache 16/13694 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des

Antrags selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Also darf ich fragen, wer dem Antrag der FDPFraktion zustimmen möchte. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP, die Piratenfraktion und der fraktionslose Kollege Schulz. Wer stimmt dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? –

(Michael Hübner [SPD]: Ach, wie süß!)

Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/13694 abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

15 Ehrliche und offene Evaluation kriminalpoliti

scher Maßnahmen ermöglichen – Kriminalitätsstatistiken reformieren

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13524

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses Drucksache 16/14631

Auch hier darf ich den Hinweis geben, dass der Antrag der Piratenfraktion gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Rechtsausschuss mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses liegen als Drucksache 16/14631 nunmehr vor.

Wir treten ein in die Aussprache, und das heißt, dass ich als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Ganzke das Wort erteilen darf. Das tue ich gern. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe antragstellende Fraktion! Wir als SPD-Fraktion werden diesen Antrag ablehnen, wie wir das auch schon im Rechtsausschuss gemacht haben. Ich will auch kurz begründen, warum wir das tun.

Zunächst einmal haben wir am 8. März 2017 eine sehr gute und interessante Sachverständigenanhörung gehabt, in der die anwesenden Sachverständigen die Frage der Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken intensiv begutachtet und mit uns gemeinsam diskutiert haben.

Einvernehmen herrschte dabei unter allen Sachverständigen dahin gehend, dass Statistiken allein über die Kriminalitätswirklichkeit nichts aussagen können.

So deutlich brachte es unter anderem der Sachverständige Prof. Dr. Heinzer auf den Punkt. Dazu bräuchten wir in Nordrhein-Westfalen, aber auch im Bund, wohl ergänzend auch Dunkelfeldstudien, wie es beispielsweise in England, Frankreich und auch in den Niederlanden praktiziert wird.

Und das, liebe antragstellende Piratenfraktion, ist auch der Grund für uns, wie auch der Sachverständige Dr. Heinz ausführte, dass durch Ihre im Antrag durchgeführten und aufgeführten Maßnahmen Ihr verfolgtes Ziel, nämlich eine ehrliche und offene Evaluation kriminalpolitischer Maßnahmen zu ermöglichen, nicht zu erreichen ist.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das, liebe antragstellende Piratenfraktion, ist für uns auch der Grund, dass unsere Fraktion diesen Antrag ablehnen wird. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Nettekoven.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion der Piraten soll die Reformbedürftigkeit der polizeilichen Kriminalstatistik festgestellt und die Landesregierung aufgefordert werden, ein Konzept für die Umsetzung einer Einheitsstatistik vorzulegen. Es wird die Erfassung des Verlaufes eines Verfahrens von der Anzeigenerstattung bis zum Rückfall von Tätern gefordert.

Aktuell ist es tatsächlich so, dass in Nordrhein-Westfalen stattfindende Gewalt nicht abgebildet wird. Erfasst werden in der polizeilichen Kriminalstatistik die bekannt gewordenen Straftaten; sie bildet daher nur das Hellfeld der Kriminalität ab.

Um Aussagen über die Kriminalitätswirklichkeit treffen zu können, ist es sinnvoll, die Hellfeldstatistik durch eine Erforschung des Dunkelfelds zu ergänzen. Aber auch wenn der von den Gutachtern beschriebene Mehrwert anhand einer Verlaufsstatistik mit Dunkelfeldforschung in langfristiger Hinsicht von Bedeutung ist, stellt sich allerdings die Frage nach der Sinnhaftigkeit, wenn ein Bundesland im Alleingang tätig wird.

Zudem sollte zuerst die Vorbereitung zum Beispiel durch Machbarkeitsstudien organisiert werden, bevor man sich einem Projekt zuwendet, dessen Umfang man nicht kennt und dessen rechtliche, technische und organisatorische Machbarkeit ungeklärt ist. Auch gibt es keine Antwort auf die Frage der Kostenschätzungen.

Da der Weg zum Ziel nicht unbekannt sein darf, wird die CDU-Fraktion den Antrag mit klaren Worten ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nettekoven. – Für die Grünen spricht Frau Kollegin Hanses.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um ein erst einmal sperrig klingendes Thema, die Kriminalitätsstatistik. Dazu haben wir jedoch eine sehr qualifizierte Anhörung durchgeführt. Das ist der Teil, für den ich den Piraten danken möchte. Das war sehr spannend. Aber wir lehnen Ihren Antrag, wie auch schon im Ausschuss beschrieben, selbstverständlich ab.

Wir fanden auch, es war eindeutig im falschen Ausschuss angesiedelt. Wenn Sie die polizeiliche Kriminalstatistik ansprechen, gehört das aus unserer Sicht in den Innenausschuss. Im Rechtsausschuss beschäftigen wir uns ja in erster Linie mit der Strafverfolgungsstatistik. Aber es war in der Tat spannend, sich das anzuhören.

In der Tat, Herr Kollege Nettekoven, sollte es unser aller Interesse sein, Delikte und Straftaten aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld zu holen. Selbstverständlich ist uns klar, dass in den Statistiken auch ein unterschiedliches Anzeigeverhalten zum Ausdruck kommt. Es gibt beispielsweise Delikte, die kontrollabhängig sind wie das Schwarzfahren. Es gibt Bereiche, in denen es darauf ankommt, ob man einen deutschen Pass hat; manche Straftaten können nur von Ausländern begangen werden, nicht von Deutschen.

Mit Ihrem Antrag suggerieren Sie, dass man mit einer anderen statistischen Erhebung die Wirkung kriminalpolitischer Maßnahmen überprüfen könnte. Das möchten wir stark in Zweifel stellen. Denn man kann nicht sagen: Die Maßnahme führt zu dem Verhalten. – Dazu bräuchten wir sehr viel umfangreichere, über Jahrzehnte dauernde Langzeitstudien. Deshalb ist es nicht so einfach, wie Sie es hier darstellen.

Sie loben sich selber dafür, dass Sie in dem Antrag die Instrumente und das Wie offenlassen. Aber, liebe Piraten, wenn Sie keine Instrumente nennen, ist das zum jetzigen Zeitpunkt der Legislaturperiode kein Qualitätsmerkmal, sondern ein Offenbarungseid.