Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Landesregierung hat Minister Groschek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung empfiehlt der neuen Landesregierung, diese sehr aufschlussreiche und bereichernde Diskussion bei ihrem ersten Enqueteumsetzungsbericht zu berücksichtigen.

(Vereinzelt Lachen von der CDU)

Für heute empfiehlt sie Ihnen, mit Nein abzustimmen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Rehbaum noch mal um das Wort gebeten, das er hiermit erhält.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte hat gezeigt, wie absurd das Thema mittlerweile beackert wird. Der ÖPNV ist mittlerweile zu einem Feld für Wahlversprechen geworden. Aber worum geht es eigentlich? – Wir brauchen doch in Nordrhein-Westfalen einen vernünftigen Nahverkehr. Wir müssen endlich die Stadtbahnen sanieren. Wir brauchen ein vernünftiges Grundangebot auf dem Land. Und wir brauchen – das fordern wir übrigens schon lange – ein Azubi-Ticket.

(Lachen von der SPD)

Natürlich! Da habt ihr noch vom Sozialticket geträumt. – Wir sind ganz klar der Meinung: ÖPNV für lau ist eine sozialistische Rolle rückwärts, und das wollen wir nicht. – Danke.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das Wort „Sozialismus“ ist lange nicht mehr vorge- kommen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich dann auch die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 10.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat die direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Antrag Drucksache 16/14383 zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU und die FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Piraten mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

11 Tihange abschalten – Brennelementelieferun

gen stoppen

Eilantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/14750

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14776

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/14777

Ich weise darauf hin, dass es erstens einen Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten mit der Drucksachennummer 16/14776 und zweitens einen gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU und FDP mit der Drucksachennummer 16/14777 gibt.

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Schultheis hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits in der Plenarsitzung am 28. November letzten Jahres hier gemeinsam – mit Ausnahme der Piraten – beschlossen, dass wir alle Anstrengungen der Landesregierung unterstützen, bei der Bundesregierung dafür zu werben, alles Erdenkliche zu tun, damit der Atomreaktor Tihange II, aber auch weitere Atomreaktoren in Belgien – insbesondere wegen der Gefährdungslage in der Aachener Region und darüber hinaus in Nordrhein-Westfalen – schnellstmöglich abgeschaltet werden.

Daran hat sich jetzt die Entwicklung angeschlossen, dass die Bundesregierung eine Brennelementelieferung mit 68 Brennelementen von Niedersachsen aus nach Belgien erlaubt hat. Hierzu habe ich eine entsprechende Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, wie die Rahmenbedingungen einer solchen Genehmigung aussehen. Insbesondere habe ich das natürlich deshalb getan, weil sich in Nordrhein-Westfalen Unverständnis über diese Lieferung entwickelt hat und von den Bürgerinnen und Bürgern zum Ausdruck gebracht worden ist, das ich auch teile. Zunächst einmal müssen die Fragen beantwortet werden: Wie sieht die Rechtslage aus? Wieso kommt die Bundesregierung zu dem Verfahrensvorschlag, solche Brennelemente zu liefern?

Mir ist folgende Antwort übermittelt worden, die ich hier kurz nachzeichnen möchte. Es wurde mitgeteilt, dass die Bundesregierung eben an Recht und Gesetz gebunden sei, auch wenn dies politisch unangenehm sei.

Das hieße in dem konkreten Fall, dass es sich bei der Exportgenehmigung für Brennelemente nach Belgien um gebundene Genehmigungen handele, die nach deutschem Atomgesetz nicht versagt werden könnten. Wenn der Antragsteller die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle – das gelte insbesondere im Hinblick auf den Schutz vor missbräuchlicher Verwendung von Kernbrennstoffen –, dann sei die Voraussetzung gegeben, dass solche Genehmigungen erteilt werden müssten.

Dieser Tatbestand sei bei Ausfuhrgenehmigungen losgelöst von Fragen der Sicherheit des Betriebs eines ausländischen Atomkraftwerkes zu sehen. Bei Ausfuhrgenehmigungen gemäß dem Atomgesetz gebe es daher keine rechtlich belastbare Grundlage, die Erteilung der Genehmigung für die Lieferung an einen genehmigten Betrieb von Atomkraftwerken in einem Nachbarstaat von Sicherheitsfragen abhängig zu machen, für welche die Behörden des Nachbarstaates verantwortlich seien.

Für die Sicherheit der AKWs in Belgien trage eben die belgische Aufsichts- und Genehmigungsbehörde allein die Verantwortung, somit der belgische Staat. Dies sei auch nach internationalem Recht so gegeben. Nach geltender Rechtslage dürfe eine Ausfuhr also nur dann untersagt werden, wenn sie gegen unsere internationalen Verpflichtungen verstieße sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sei.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier ist aus meiner Sicht der Ansatzpunkt, an dem man arbeiten muss. Das kann entweder durch die Erweiterung einer Gesetzesnovelle zum Atomgesetz geschehen, aber auch schon im Vorfeld einer gesetzlichen Änderung. Womöglich kann das aber auch im Rahmen eines Rechtsstreits gesche

hen, um eine belastbare Rechtsgrundlage zu erarbeiten. Denn aus unserer Sicht ist hier in der Tat die Gesundheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen gefährdet. Das müsste auch ein Gegenstand sein, mit dem durchgesetzt werden kann, dass keine Brennelemente geliefert werden.

Gerade auch wegen der Vorgeschichte ist das so. Wenn Sie sich erinnern: Bundesministerin Hendricks hat die belgische Regierung mehrfach gebeten, die befundbehafteten Anlagen Doel III und Tihange II zumindest so lange abzuschalten, bis die offenen Sicherheitsfragen geklärt sind. Das ist bisher nicht geschehen. Insofern hätte sie und hat sie auch alle Argumente in ihrer Hand, hier durchzusetzen, dass es keine weitere Lieferung von Brennelementen nach Belgien mehr gibt.

Die Landesregierung hat sich im Übrigen der zweiten Klage der Städteregion Aachen gegen eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung von Tihange angeschlossen. Deshalb fordert der Landtag und fordern wir die Landesregierung nochmals auf, mit allem Nachdruck und unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten die Lieferung von Brennelementen nach Belgien zukünftig zu verhindern und sich weiterhin bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass vorrangig der Atomreaktor Tihange nicht nur vorübergehend, sondern endgültig abgeschaltet wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis.

Bevor ich Herrn Kollegen Markert das Wort gebe, würde ich gerne noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 1 unseres heutigen Plenartages zurückkommen. Die Prüfung ist abgeschlossen.

Im Nachgang zu Tagesordnungspunkt 1 der heutigen Sitzung möchte ich einen Ordnungsruf aussprechen. Er betrifft Frau Abgeordnete Simone Brand von der Fraktion der Piraten. Frau Brand hat sich bei ihrer Rede zum Tagesordnungspunkt 1, der Aktuellen Stunde zum Thema Amri unparlamentarisch verhalten. Sie hat mit ihren Äußerungen zum Umgang mit Problembären in Bayern Anspielungen gemacht, die als unparlamentarisch anzusehen und nicht akzeptabel sind. Ich werde daher auch diese Äußerung jetzt nicht wiederholen.

Diese Äußerungen können auch durch ihre spätere Erklärung am Ende des Tagesordnungspunktes nicht rückgängig gemacht werden. Frau Kollegin Brand rufe ich daher – unbeschadet der Tatsache, dass sie jetzt nicht im Raum ist – gemäß § 36 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein

Westfalen zur Ordnung und verbinde das mit der bittenden Aufforderung, derartige Äußerungen zukünftig zu unterlassen.

(Beifall von der SPD)

Damit, Herr Kollege Markert, haben Sie jetzt das Wort, und wir sind beim Tagesordnungspunkt 11.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vor einigen Wochen den sechsten Jahrestag von Fukushima begangen, und in wenigen Wochen werden wir uns an den 31. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erinnern – zwei Ereignisse, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens grundsätzlicher Art in der Bundesrepublik Deutschland, auch in unserem Land, in Nordrhein-Westfalen, gibt, dass eine Technik, die nicht beherrschbar ist, politisch auch nicht verantwortbar ist. Deswegen haben wir den Ausstiegsbeschluss gemacht.

Viele Menschen in der Region, auch im Rhein-Kreis Neuss, wo ich politisch aktiv bin, machen sich – Karl Schultheis hat das als Aachener auch eben angesprochen – große Sorgen, weil Gefahren von den Atomkraftwerken in Tihange und Doel bei unseren belgischen Nachbarn unverkennbar sind und im Falle eines großen Unfalls diese Region auch unmittelbar in großem Umfang betroffen wäre.

Umso überraschender ist es, dass wir vor einigen Tagen zur Kenntnis nehmen mussten, dass fast 70 Lieferungen von Brennstoff an genau diese Kraftwerke gegangen sind, gegen die sich auch der Protest von uns hier in Nordrhein-Westfalen im Landtag richtet und deren Stilllegung wir wiederholt hier gefordert haben. Wir bekräftigen auch mit dem Eilantrag heute noch einmal, dass wir die belgischen Nachbarn auffordern, diese nicht verantwortbaren Kraftwerke stillzulegen.

Es ist unverantwortlich, diese Kraftwerke weiter zu beliefern, wenn man auf der anderen Seite politisch der Meinung ist, dass sie der Bevölkerung nicht zugemutet werden können. Es ist beinahe so, um es mit den Worten von Justus Vogt, einem Gegenwartsdichter, zu sagen: Tschernobyl und Fukushima haben in der menschlichen Erinnerung nur kurze Halbwertszeiten – ein mentaler GAU.

Das war der Grund, warum nicht nur Sie, verehrter Herr Kollege Schultheis, sondern auch beispielsweise unser Bundestagsabgeordneter und Kollege Oliver Krischer sich an die Bundesumweltministerin gewandt haben und nachgefragt haben, warum denn ausgerechnet von Deutschland aus, von Lingen – da gibt es übrigens einen Zusammenhang zwischen Lingen und Gronau, einer Fabrik, die wir hier haben,

wo Brennstoffe aufgearbeitet und vorbereitet werden –, warum ausgerechnet von hier diese Kraftwerke beliefert werden müssen.

Auch deswegen sagen wir mit diesem Eilantrag noch einmal: Damit muss Schluss sein. Das ist nicht hinnehmbar. Es ist beides nicht hinnehmbar: Ein Atomausstieg ohne die Beendigung der gesamten nuklearen Brennstoffkette – da gehören Lingen und Gronau auch dazu – ist kein wirklicher Atomausstieg. Denn es ist widersinnig, in Deutschland aus der Atomkraft auszusteigen und den Brennstoff für andere Länder hier in Deutschland und leider auch in Nordrhein-Westfalen weiterhin zu produzieren.

(Dietmar Brockes [FDP]: Davon steht aber nichts in dem Antrag!)

Es gilt die freie Rede, verehrter Kollege Brockes.

Deswegen ist es bitter nötig, dass das Atomgesetz in Zukunft von einer neuen Bundesregierung geändert wird und dann nicht nur die Beendigung der nuklearen Stromerzeugung, sondern die Beendigung der gesamten nuklearen Brennstoffkette festgelegt wird. Auch dafür kämpfen wir Grünen in den kommenden Monaten, damit Schluss ist in Gronau und in Lingen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens: Es ist den Menschen in dieser Region nicht zuzumuten, dass sie weiterhin tagtäglich den Gefahren ausgesetzt werden. Da reicht es eben auch nicht aus, wohlfeile Appelle zu richten, auch nicht und gerade nicht seitens der Bundesregierung, sondern man muss das Recht auch nutzen. Nordrhein-Westfalen nutzt seine rechtlichen Möglichkeiten, ist der Klage der Städteregion beigetreten. Karl Schultheis hat auch darauf eben schon hingewiesen.

Aber man muss auch das Recht genau lesen, lieber Karl Schultheis, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich will daran erinnern, dass wir schon einmal bei einer Lieferung von atomaren Hinterlassenschaften, von atomarem Material ins Ausland hier das Atomgesetz zum Schutze der eigenen Bevölkerung angewendet haben. Das war damals bei den vorgesehenen Lieferungen nach Majak.