Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Erst hier endet das Zitat. Dies ist ein Zitat des schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden der CDU aus einer Landtagsdebatte von 2009. Dem stimmte damals auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, ein gewisser Ralf Stegner, zu. In derselben Debatte sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Kubicki – Zitat –:

„Erstens darf die Ausgestaltung des Schuldenverbots nicht zu starr sein. Das heißt, eine Verschuldung für Investitionen muss aus der Sicht der FDP-Fraktion möglich sein.“

In der Debatte über den Antrag stimmten übrigens alle Fraktionen, auch die Grünen, darin überein, dass

eine im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unzulässig in die Souveränität des Landes eingreift und daher verfassungswidrig ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle Argumente gelten auch in der hier und heute stattfindenden Diskussion über die Schuldenbremse in NRW. Doch davon wollen Sie alle nichts wissen. Sie, liebe Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP überlassen ab dem Jahr 2020 wichtige Investitionsentscheidungen lieber den Finanzinvestoren und Renditejägern; denn die durch die Schuldenbremse entstehende Investitionslücke kann doch nur durch renditegetriebene Privatinvestoren gefüllt werden. Die Einführung der Schuldenbremse im Bund und Ländern wirkt somit wie ein Gaspedal für Privatisierungen und ÖPP-Projekte. Dabei machen wir Piraten nicht mit.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Wenn es in der Verfassung steht!)

Was dabei herauskommt, hat der Bundesrechnungshof bereits ausführlich dokumentiert: Der Bürger zahlt immer drauf – immer.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Wir haben ei- nen großen Fehler im Grundgesetz!)

Mit ÖPP wird es immer teurer – teurer, als wenn die öffentliche Hand direkt investiert. Ich sage Ihnen voraus, dass die ÖPP-Projekte das Missmanagement beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW noch in den Schatten stellen werden. Wie beim BLB wird dem Landtag nur noch übrig bleiben, mittels Untersuchungsausschüssen dem Missmanagement hinterherzuräumen. Vom Primat der Politik wird dann nicht mehr viel übrig bleiben.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das gehört dazu!)

Die Schuldenbremse ist daher nichts anderes als parlamentarische Untreue am Staatsvermögen.

(Zuruf von der CDU: So ein Blödsinn!)

Nichtstun ist Machtmissbrauch, sagt die FDP. Ich sage: Selbstentmachtung ist Landesverrat.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Da will einer unbedingt zum Schluss noch in die Zeitung kommen!)

Es wird gerne behauptet, man müsse aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse diese auch auf der Landesebene regeln, um noch einen haushaltspolitischen Spielraum in Notsituationen zu haben. Tatsache ist, Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz ist einer der größten verfassungsrechtlichen Fehlgriffe des Bundesgesetzgebers. Die Eigenständigkeit der Länder ist vor Zugriffen des Bundes durch das Prinzip der Bundesstaatlichkeit geschützt. Es kann auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheit ausgehebelt werden.

Somit hat die Schuldenbremse im Grundgesetz für NRW auch keine Geltung. Darum ist es den Befürwortern der Schuldenbremse ja auch so immens wichtig, sie in der Landesverfassung zu verankern. Aber keine Sorge: So, wie die politischen Mehrheiten hier sind, wird auch eine einfachgesetzliche Verankerung über Jahre in NRW Bestand haben. Wenn es der SPD tatsächlich um soziale Gerechtigkeit ginge, dann würde sie gegen die Schuldenbremse in Karlsruhe klagen. Aber so landet die soziale Gerechtigkeit mit der SPD und dem Schulz-Zug mal wieder auf dem Abstellgleis.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Ich komme zum Schluss. Mit dem heutigen Beschluss unterschreiben Sie Ihr eigenes Entlassungsschreiben und stellen sich ein politisches Armutszeugnis aus. Wir Piraten lehnen als einzige Fraktion die Schuldenbremse grundsätzlich ab.

(Christian Möbius [CDU]: Die ist aber da!)

Die Begründung können Interessierte gern noch einmal ausführlich in unserem Entschließungsantrag Drucksache 16/14760 nachlesen. Wir werden Ihr Gesetz ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Nun hat sich der fraktionslose Abgeordnete Herr Schulz gemeldet.

(Michael Hübner [SPD]: Da kommt der lahme Schulz!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister! Es ist nicht der Schulz-Zug, sondern es ist nur der Schulz hier aus dem Landtag.

(Michael Hübner [SPD]: Der geht auch Rich- tung Berlin, der Schulz!)

Ich freue mich sehr, zum 196. Mal in dieser Legislaturperiode an dieses Pult treten zu dürfen und eine haushalts- oder finanzpolitische Rede halten zu dürfen, und das wird dann wahrscheinlich in diesem Themenbereich voraussichtlich meine letzte in dieser Legislaturperiode sein.

Über das, was hier in den letzten – ich sage mal – anderthalb, zwei Stunden gelaufen ist im Zusammenhang mit verfassungsändernden Gesetzesvorhaben, möchte ich jetzt gar kein Wort mehr verlieren und deswegen nur in aller Kürze einmal noch zur Sache reden. Schuldenbremse in drei Minuten – jetzt sind es nur noch 2:10 Minuten –: ein Ding der Unmöglichkeit; kannst du einfach vergessen. Selbst die fünf Minuten reichen nicht aus.

Aber lieber Kollege Nico Kern – ich sage Ihnen das einmal hier im Hause –, auch wenn ich den Entschließungsantrag nun weiß Gott nicht in allen Punkten teile – wir haben eben auch noch einmal darüber gesprochen –, aber mit dem, was du hier vorgetragen hast, liegst du nicht ganz falsch.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Ich habe den Finanzminister beobachtet. Der hat ganz schön die Backen aufgepustet bei dem, was Nico Kern gesagt hat, und hat möglicherweise auch einmal in die Richtung gedacht, ob sich eventuell das Land Nordrhein-Westfalen von der Situation, in der es sich befindet, auch und trotz der Regelungen in Art. 109 Grundgesetz zwar nicht auf irgendeine Weise generell befreien kann, aber ob vielleicht darüber nachgedacht werden kann, die Diskussion auf Bundesebene oder zumindest auf Landesebene noch einmal neu anzustoßen.

Denn das waren auch meine Überlegungen. Ich habe auch gegen Parteien, gegen die Piratenpartei und auch innerhalb der Fraktion immer gekämpft dafür, nicht zu sagen „Schuldenbremse weg“, sondern auch im Hinblick auf gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Fragestellungen die Schuldenbremse wenigstens aus NRW heraus anstoßend einmal grundsätzlich infrage zu stellen und dann auf Bundesebene, vielleicht aber auch auf Europaebene eine neue Diskussion über diese Strangulationsmechanismen, die damit verbunden sind, anzustoßen.

Deswegen finde ich den Antrag der Piraten grundsätzlich spannend, werde mich dazu aber aus den genannten Gründen enthalten.

Was den Antrag der regierungstragenden Fraktionen angeht – ehrlich gesagt, ein bisschen verwundert mich schon, dass das nicht aus der Landesregierung heraus kam, sondern von den regierungstragenden Fraktionen –, nämlich diese Gesetzesinitiative, teile ich grundsätzlich die Auffassung deshalb, weil ich immer auch der Meinung war: Solange wir auf bundesgesetzlicher Ebene keine Änderung des Art. 109 herbeigeführt haben, sollte das Land Nordrhein-Westfalen die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, die das Grundgesetz bietet, als Minimalansatz dessen, was möglich ist.

Dass das nicht ausreichen kann, dazu haben wir schon viel diskutiert und einiges gehört. Deswegen werde ich mich auch bei diesem Antrag allerdings enthalten. Denn ich bin genauso wie die FDP der Auffassung, dass wir hier eine Verfassungsänderung brauchen, um eben auch die oppositionellen Rechte

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

weitergehend als durch die einfachgesetzliche Regelung tatsächlich aufrechtzuerhalten, auch mit einem möglichen Gang zum Verfassungsgerichtshof.

Die Redezeit.

Herr Präsident, ich komme an dieser Stelle auch zum Schluss. Wie auch immer, ich habe mein Abstimmungsverhalten genannt und die Begründungen dafür genannt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit in all den bisherigen 196 Reden von dieser Stelle und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz, auch für die 196 Reden. Aber Sie haben ja in Aussicht gestellt, dass Sie in anderen Themenbereichen möglicherweise noch sprechen.

Nun hat der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Walter-Borjans, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es heute noch eines Beweises bedurft hätte, dass CDU und FDP nicht nur nicht regieren sollten, sondern ganz offensichtlich auch nicht regieren wollen,

(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

dann haben wir das heute hiermit erledigt.

(Beifall von der SPD)

Ich will Ihnen auch sagen, warum. Nordrhein-Westfalen ist das Land mit den zweitniedrigsten Ausgaben pro Kopf aller Bundesländer. Nordrhein-Westfalen hat – das wissen wir alle – eine ganze Reihe von Investitionsvorhaben vor der Brust, egal ob es Infrastruktur oder Bildung ist, und zwar in allen Bereichen: Beton, Asphalt, Breitband, ganz viele Dinge, die für die Zukunft des Landes absolut notwendig sind.

Nordrhein-Westfalen hat trotz dieser Herausforderungen seine Nettokreditaufnahme im Ist schon auf null heruntergefahren. Im Soll streben wir es an; 2020 wird es erreicht und dauerhaft eingehalten oder unterschritten.

In dieser Situation kommen CDU und FDP auf Bundesebene mit Steuersenkungen von 15 bis 30 Milliarden €, die den Landeshaushalt schon alleine bei 15 Milliarden € mit 1 Milliarde € belasten werden und die Kommunen noch einmal mit 750 Millionen € dazu.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])