Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

mit E.ON, mit der STEAG – alle drei sind mit der Kohle groß geworden, und alle drei haben die Erneuerbaren zunächst ignoriert. Sie haben sie zunächst lächerlich gemacht und bekämpft, und jetzt ringen sie um den Anschluss an die Energiewende. Deswegen ist das so wichtig.

Wir haben zwei Elemente, die unsere Wirtschaftslandschaft noch einmal ganz, ganz deutlich verändern. Das eine ist die zu Recht intensiv angesprochene Digitalisierung. Da haben wir gute Arbeit geleistet. Das andere ist die Energiewende – und die Energiewende wird nicht aus Daffke gemacht; sie wird aus Klimaschutzgründen gemacht, weil das notwendig ist, weil alle Bundesregierungen diese Ziele tragen, seit Kohl 1990 in Rio die Vereinbarung unterschrieben hat. Zuletzt hat der Bundestag einstimmig die Klimaziele, die in Paris vereinbart wurden, beschlossen.

Das heißt, die Entwicklung der Klimaziele, daraus resultierend die Energiewende, der Ausbau der Erneuerbaren und der Prozess der Digitalisierung werden die gesellschaftlichen Prozesse, aber auch die gesamte industrielle Produktion umwälzen. Sie werden neue Märkte schaffen.

Die Kernfrage ist doch, wenn das alles so weitergeht: Was haben wir in NRW davon? Wie stellen wir uns auf? Wie holen wir uns die Zukunftsmärkte, die Zukunftsprojekte, damit wir Arbeit für unsere Leute hier im Land haben? Das sind die Kernfragen dabei.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir brauchen die Energiewende also nicht nur aus Klimaschutzgründen, aus ethischen Gründen. Wir brauchen sie auch, weil diese Zukunftsmärkte kommen; sie werden besetzt werden. Wenn wir in diesen Märkten nicht vorne vorangehen und uns Teile holen, dann werden sie von allen anderen geholt. Das ist eine Wettbewerbsfrage, die auch für die Zukunft unseres Industrielandes eine ganz große Rolle spielt.

Niemand kann glauben, wenn man ernsthaft darüber diskutiert, dass wir noch 20 oder sogar 35 Jahre mit der Kohleverstromung so weitermachen können. Das wissen wir alle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Also geht es darum, diesen Prozess sozialverantwortlich und vernünftig zu gestalten und gleichzeitig nach vorne auch das, was es an Chancen gibt, zu nutzen. Denn dass wir das eine noch 30 Jahre machen und dann auf einmal wie Kai aus der Kiste kommend, die Zukunftsmärkte besetzen, das glaubt doch keiner. Das Ringen passiert jetzt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In den Wettbewerb müssen wir rein.

Die Frage ist natürlich immer: Was bedeutet das für industrielle Kernbereiche? – Dazu sage ich: Die

Chance dazu, volatile Erneuerbare und industrielle Produktion zusammenzubringen, haben wir in unseren industriellen Kernbereichen.

Der beste Freund von Johannes Remmel in der Industrie ist ja bei der TRIMET. Das kriege ich immer wieder mit. Die TRIMET betreibt fünf bis sechs Aluminiumstraßen. Jede Aluminiumstraße hat tatsächlich die Fähigkeit, ein Pumpspeicherwerk zu ersetzen, indem Aluminium vorproduziert wird und dies in einer – ich übersetze das mal für die Nichttechniker – Art großen Thermoskanne aufbewahrt und dann wieder abgezogen wird. Wenn dann volatiler Strom stärker da ist, bzw. wenn wir Lastspitzen wegnehmen müssen, dann kann man das auch ein Stück weit runterfahren, ohne das Hauptziel, Aluminium herzustellen, zu beeinträchtigen.

Das heißt, wir brauchen dann keinen Pumpspeicher mit Oberbecken und Unterbecken in die Landschaft zu bauen, sondern wir können dafür einen Kernbereich unserer industriellen Produktion nutzen. Das ist die eine Chance. Die gleiche Chance besteht in der Chemieindustrie bei der PVC-Herstellung und bei der Wasserstoffherstellung. Das Spannende ist doch jetzt, genau diese Chancen festzustellen und zu nutzen, damit wir die Technik und die Anlagen auch hier haben.

Wir haben die Voraussetzungen dafür. Eines muss ich nämlich sagen, verehrte Frau Wissenschaftsministerin, liebe Svenja: Wir haben eine wirklich einzigartige Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen. Es gibt kein Bundesland mit diesen Kapazitäten. Wir haben über 700.000 Studierende. Wir bilden viel mehr aus, als nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen wäre. Demnach wären das 22 %; wir aber bilden über 25 % der Studierenden aus. Das können wir mit der Hochschullandschaft hier in NordrheinWestfalen gut stemmen.

Ich will beschreiben, welche Auswirkungen das auf die Arbeitsplätze hat. Die TH Aachen – ich war Anfang der Woche noch dort – hat mit Prof. Malte Brettel jemanden, der spezialisiert daran arbeitet, Ausgründungen aus der Hochschule zu realisieren. Die steigern das Jahr für Jahr; in 2015 waren es 60 Ausgründungen. So haben die das hochgezogen.

Sicherlich geht da auch mal was schief. Das ist ganz normal. Im Schnitt jedoch hat jede dieser Ausgründungen nach wenigen Jahren 20 Arbeitsplätze, und das nicht nur für Akademiker. Das ist auch völlig richtig. Wir müssen ja zusehen, dass wir Arbeitsplätze für alle schaffen, nicht nur für Wissenschaftler.

In Aachen entstehen beim Bau der Streetscooter in den ehemaligen Talbot-Waggonhallen gerade Hunderte von Arbeitsplätzen für „normale“ Leute, die mit der Hand arbeiten und nicht unbedingt einen Doktortitel oder einen Titel als Diplom-Ingenieur brauchen. Das ist auf einem guten Weg. In der Summe kommen in Aachen derzeit 800 bis 1.000 Arbeitsplätze

pro Jahr dazu – 800 bis 1.000, und die Tendenz ist steigend.

Das ist das Modell, das wir meiner Meinung nach auf Bochum, Dortmund und in andere Bereiche übertragen müssen. Wir machen es bereits in Richtung Fachhochschule, Forschungszentrum Jülich, und mit anderen Campi. Das ist einer der Motoren, mit denen wir das sehr, sehr gut machen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir erleben in der deutschen Automobilindustrie im Moment Prozesse, die mich an die Einführung des EEG erinnern, der Erneuerbaren. Da gibt es diesen Takt: Tesla kommt mit einem Elektroauto. Als Erstes wird das ignoriert. Dann ist es nicht mehr zu ignorieren. Dann wird es lächerlich gemacht. Dann ist es nicht mehr lächerlich zu machen. Dann wird es bekämpft. – Die unterschwellige Bekämpfung dessen, was da neu kommt, kann ich nachvollziehen; das will ich jetzt nicht ausweiten. – Dann erklärt uns Volkswagen: Wir wollen Weltmarktführer werden.

Und wo passieren in der Bundesrepublik derzeit die spannendsten Elektroautoprojekte? – Die passieren in Nordrhein-Westfalen. Wer sich ein bisschen damit beschäftigt, der weiß: Die Lieferfahrzeugprodukte, die von einer Ausgründung in Aachen jetzt in den Talbot-Werken gebaut werden – die wir immer unterstützt haben; die Ministerin, der Minister, die Landesregierung –, haben jetzt 2.500 Autos auf der Straße. Die bauen diese Lieferfahrzeuge, weil VW sie nicht liefern konnte oder wollte.

Jetzt geht es darum, ihnen die Fesseln zu nehmen, damit sie nicht nur 10.000 Autos im Jahr bauen. Der Markt, die Handwerker, die Kommunen brauchen davon Hunderttausende. Es geht genau darum, dafür zu sorgen, dass das Ganze in die Produktion gehen kann.

Als Nächstes sind die mit dem Pkw gekommen, und das war doch wunderschön. Sie haben ihn nicht in Frankfurt präsentiert, dort, wo bei einer Automesse am ersten Abend immer die Müsliautos kommen, von hübschen jungen Frauen vorgeführt, und am nächsten Abend dann die richtigen Autos für richtige Männer.

Da sind die Aachener nicht hingegangen. Die sind auf die CeBIT gegangen, weil die gesagt haben: Das ist genau die Verknüpfung von Digitalisierung und Pkw-Mobilität, angetrieben über die Erneuerbaren, die wir nach vorne bringen wollen. Der Wagen wird ab Anfang dieses Jahres für 14.000 € angeboten. Das ist eine Hausnummer! Der gleiche Typ von Volkswagen kostet 27.000 €. Das ist der Unterschied!

Jetzt muss doch unser Ziel sein, dass wir genau dieses Phänomen in Arbeitsplätze bei uns in der Region umsetzen. Wenn ich an die LEP-Vorrangflächen – Geilenkirchen, Lindern und andere – im rheinischen

Revier denke: Da gehört jetzt die Autofertigung aus Nordrhein-Westfalen hin.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bedaure zutiefst, dass unsere Mittelständler – allen voran Arndt Kirchhoff, einer der Wortführer –, die mitgeholfen haben, diesen Prozess anzuschieben, dann, als ihre Kunden – die Autolieferer, die Altautoindustrie – gesagt haben: „Was macht ihr da, wollt ihr ein Auto bauen in Konkurrenz zu uns?“, sich zurückgezogen haben und gesagt haben: Nein, das machen wir nicht. – Zum Glück hat die Post den Mut gehabt und macht das jetzt in Zusammenarbeit mit der Hochschule.

Wir haben also das Potenzial. Ich möchte in Richtung der Autozulieferer sagen: Mehr Mut! Macht das! – Wir haben in Nordrhein-Westfalen die Chance, Produkte, die woanders rückläufig sind, neu nach vorne zu bringen. Das sollten wir alle gemeinsam tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Als disziplinierter Preuße folge ich dem Aufruf …

Ich habe überhaupt nichts gemacht.

(Heiterkeit)

Das ist die letzte Rede. Von mir aus kannst du noch 10 Minuten.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Rainer, es ist nur so – deswegen sind so viele Lampen angegangen –: Da liegt die Kurzintervention eines Abgeordneten vor. Das ist alles.

Ich vermute, dass ich weiß, woher die Kurzintervention kommt. Ich gebe zu: Ich habe die Geschäftsführerin gebeten, mich zum Schluss, wenn ich mit den Danksagungen nicht hinkomme – ich habe ja gar nicht alles sagen können –, zu fragen, ob ich mich nicht noch bei jemandem bedanken will. Wir teilen das jetzt auf.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Von ihr kommt es nicht.

Der Präsident hat gesagt, dass ich noch reden darf. Ich will keine 10 Minuten sprechen, aber ich möchte noch ein paar Danksagungen loswerden.

Ich habe eben Ihnen, euch allen gedankt. Ich weiß, dass viele von uns ausscheiden. Insgesamt kommen 50 oder 60 Abgeordnete nicht wieder zurück.

Ich möchte Danke sagen an alle, die dafür sorgen, dass dieser Parlamentsbetrieb überhaupt laufen kann.

(Allgemeiner Beifall)

Das mache ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen. Ich danke denen, die oben hinter den Scheiben sitzen, den Technikern; ebenso denen, die unten für den Betrieb sorgen, unseren Saaldienern, und schließlich denen, die die Besuchergruppen betreuen. Wir haben an solch einem Tag bis zu 3.000 Gäste. Das wird alles hervorragend und professionell betreut und gemanagt. Danke vom ganzen Haus an alle.

Ich will mich bei denjenigen bedanken, die hier hinten immer in der zweiten, dritten Reihe sitzen, die sporadisch reinkommen, egal wer an der Regierung ist: die Mitarbeiter aus den Häusern, die zuarbeiten müssen und immer unter unheimlichen Druck stehen, weil von ganz vorne schnell noch etwas gewünscht wird.

Ich will mich bei vier Frauen bedanken: bei der Präsidentin, die gerade anderweitig tätig ist, bei der Ministerpräsidentin, bei Sylvia Löhrmann und natürlich bei Sigrid Beer. Sigrid, schone dich ein bisschen mehr. Du bist so bienenfleißig und gehst immer über deine Leistungsfähigkeit. Pass ein bisschen auf dich auf!

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Liebe Hannelore, als wir dich zum ersten Mal zur Ministerpräsidentin gewählt haben, habe ich irgendwann in deinem Büro angerufen – ich weiß gar nicht, ob Anja am Telefon war –, da meldete sich jemand und sagte: Büro der Ministerpräsidentin. Da habe ich mich gefreut und gesagt: Das hört sich so toll an; ich lege wieder auf und rufe noch mal an.