Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Die Aussprache ist eröffnet. Frau Watermann-Krass spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Antrag geht es um die Stärkung der Schweinehaltung in NRW, aber auch in Deutschland insgesamt.

Dies ist heute meine letzte Rede in diesem Bereich. Ich kann sagen: Vor fünf Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass wir im Dialog zur Verbesserung der Nutztierhaltung so weit kommen. Lassen Sie mich ein paar Dinge aufzeigen, an denen ich das festmachen möchte.

Es gab ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des Bundeslandwirtschaftsministeriums, in dem eine langfristige Strategie für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung aufgezeichnet worden ist. Die Landesregierung hat 2015 ihre eigenen Vorstellungen in Bezug auf die Nutztierhaltung vorgestellt und auch einen Dialogprozess mit ganz vielen Beteiligten vorangebracht.

Mit Blick auf das uns jetzt vorgestellte Tierschutzlabel, das Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt auf den Weg bringen will, bleibe ich skeptisch. Das liest sich für mich – ich sage das einmal so – wie eine

Neuverpackung gesetzlicher Mindeststandards. Wir brauchen da aber eher eine gemeinsame Basis, wo sich der Bauernverband, der ja auch in diesem Bereich unterwegs ist, aber auch die Tierschutzvereine dazu äußern können sollen.

Der WLV, der Westfälische Bauernverband, hat mit seinen Mitgliedern eine eigene „Offensive Nachhaltigkeit“ gestartet und diskutiert darüber mit seinen Mitgliedern. Ich zitiere einmal aus dem entsprechenden Papier:

„Die Landwirte in NRW haben erkannt, dass Akzeptanz nur mit Offenheit, Transparenz und Veränderungsbereitschaft erreicht werden kann.“

Als Kernaussage zur künftigen Schweinehaltung steht dort:

„Tiergesundheit und Tierverhalten sind wesentliche Merkmale der Zucht.“

Eine Länderregelung ist in dieser Sache nicht hilfreich; denn damit würden wir ja den Tierschutz in unsere Nachbarländer verlagern. Der erste Schritt, mit dem auf diesem Weg etwas vorangebracht werden konnte, bestand in der Vereinbarung, die wir zwischen den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen getroffen haben. Das ist die „Münsteraner Erklärung“.

Aus unserem Bundes-Gutachten wissen wir: Erst dann, wenn wir es hinbekommen, dass es die im Hotspot mit der Tierproduktion Beschäftigten zusammen auf den Weg bringen – dabei sind Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, aber auch Dänemark und die Niederlande unsere wichtigsten Partner –, können wir auf die europäische Ebene gehen und eine europaweite Beantragung vornehmen.

Trotz dieser lösungsorientierten Dialoge sind die Verunsicherung und auch der Strukturwandel bei unseren Schweinehaltern spürbar. Zwischen 2013 und 2016 ist die Zahl der Schweinehalter in Deutschland um 18 % gesunken. Der Strukturwandel schreitet immer weiter voran. Auch bei uns im Kreis Warendorf ist er spürbar. Betriebe mit unter 150 Sauen sind dort eine Seltenheit geworden. Man muss auch sagen: Sehr viele Ferkel kommen jetzt aus den Nachbarländern, aus Dänemark oder Holland. Sie werden auf einem sehr langen Transportweg zu uns gebracht.

Hier geht für uns eine regionale Wertschöpfung verloren. Deswegen gibt es diesen Antrag. Er zielt im Wesentlichen auf die Transparenz ab. Wir wollen Transparenz. Dabei geht es um folgende Fragen: Wo ist das Tier geboren? Wo ist es aufgewachsen? Und vor allem: Wie hat es gelebt?

(Werner Jostmeier [CDU]: Noch mehr Büro- kratie! Ganz genau!)

Ja, das wird man auch dokumentieren müssen, Herr Kollege. – Aber nur dann, wenn erkennbar ist, dass wir eine Unterscheidung haben, bekommt das

Lebensmittel wieder einen Wert. Wir wollen diesen Wert für die Landwirte dann insoweit ummünzen, dass sie mehr Geld für ihr Produkt bekommen. Unser Vorhaben zielt genau darauf ab.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, eine eindeutige Kennzeichnung einzuführen. Das beginnt beim frisch verarbeiteten Fleisch; hier soll das Geburtsland des Schweines angegeben werden. Bisher ist es ja so, dass wir nur den Nachweis brauchen, dass das Tier vier Monate hier gelebt hat. Dann kann das Herkunftsland entsprechend ausgewiesen werden.

Wir brauchen aber auch eine klare Kennzeichnung der Haltungsbedingungen sowie ein Agrarförderprogramm gerade auch für kleinere Betriebe, die im Bereich der artgerechten Sauenhaltung unterwegs sind. Des Weiteren fordern wir eine Nutztierstrategie zur Haltung von Sauen in Kastenständen.

Ich bitte also um Zustimmung zu diesem Antrag, mit dem dafür gesorgt werden soll, dass wir eine eindeutige Herkunftsbezeichnung von Schweinefleisch bekommen, weil ich davon überzeugt bin, dass das eine gute Basis für eine reale Wertschöpfung auch in der Landwirtschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Watermann-Krass. – Und für die grüne Fraktion spricht nun Herr Rüße.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen heute einen Antrag ein, der einen Bereich der Landwirtschaft thematisiert, der mit am stärksten vom Strukturwandel betroffen ist. Deutschland hat in den letzten 20 Jahren 80 % der sauenhaltenden Betriebe verloren. Das ist insofern wichtig, als jeder dritte sauenhaltende Betrieb in Deutschland seinen Standort in NordrheinWestfalen hat.

Wir erleben mittlerweile eine sehr starke Veränderung in diesem Bereich. Vor 20 Jahren wurden vielleicht 1 Million Ferkel aus Dänemark und aus den Niederlanden importiert. Mittlerweile werden über 11 Millionen Ferkel nach Deutschland importiert, vor allem nach Nordrhein-Westfalen.

Es gibt zwei Strategien; darin unterscheiden wir uns. Eine Strategie ist, zu sagen: Wir wollen mit unseren Produkten am internationalen Markt bestehen können. – Wir glauben nicht, dass diese Strategie, außer bei wenigen Spitzenprodukten, wirklich erfolgreich sein kann und meinen – das zeigt auch die Verunsicherung der Landwirte in den letzten Jahren –, dass sie nicht funktioniert hat.

Wir sind stattdessen der Meinung – das ist die andere Strategie –, dass wir zumindest einem erheblichen Teil der Betriebe das Angebot machen müssen, ihre Produkte regional und mit einer klaren Kennzeichnung versehen zu vermarkten. Dazu gehört eben auch, dass die Herkunft der Ferkel klar gekennzeichnet ist und nicht verschwurbelt wird, wie es zurzeit der Fall ist. Wir wollen, dass, wie es auch beim Rindfleisch möglich ist, am Ende an der Fleischtheke klar gekennzeichnet ist – viermal mit dem Buchstaben D –, dass das Tier in Deutschland geboren, in Deutschland aufgezogen, in Deutschland geschlachtet und in Deutschland zerlegt worden ist. Da gibt es im Moment eindeutig eine Schwachstelle; das gehört geändert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Frau Watermann-Krass hat es eben auch schon erwähnt: Wir haben mit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik einen Leitfaden bekommen, der uns allen in den nächsten Jahren als Orientierung dienen wird. Wir diskutieren mit der CDU ja auch nicht mehr darüber, ob der Umbau der Tierhaltung stattfindet. Da gibt es auch in Ihrer Partei viele Stimmen – ob es die auch in Ihrer Fraktion gibt, weiß ich nicht –, die sagen: Das wird kommen. – Die Frage ist eigentlich nur noch, wie wir das gestalten und in welchen Zeiträumen es ablaufen soll.

Wir alle wissen, dass unsere Bevölkerung bestimmte Erwartungen an die Tierhaltung hat: Sie wollen, dass Tiere mehr Platz in den Ställen bekommen, und sie wollen, dass die Kühe auf die Weide kommen. Wir müssen daher gemeinsam dafür sorgen, dass das für die Menschen über die Kennzeichnung auch erkennbar ist, dass sie die Produkte entsprechend wählen können und dann natürlich auch den Mehraufwand, den die Landwirte dadurch haben, finanzieren.

Wir haben in unserem Antrag vier Punkte aufgelistet, die unserer Meinung nach so wichtig sind, dass wir sie jetzt angehen müssen.

Dazu gehört natürlich die Frage – das bedingt ja die Verunsicherung bei den Sauenhaltern –: Wie setzen wir das Magdeburger Urteil zu den Kastenständen um? An der Stelle zitiere ich den Minister, der wiederholt erklärt hat: Wir müssen in der Landwirtschaft endlich vor die Zeit kommen. Wir laufen immer Gerichtsurteilen hinterher. Wir nehmen Gerichtsurteile zur Kenntnis, die feststellen, dass irgendetwas tierschutzwidrig ist und nicht passt, und dann gucken wir, wie wir das reparieren. – Es wäre notwendig, dass wir eine Vision entwickeln und auch in der Schweinehaltung gemeinsam solche Tierschutzstandards hinbekommen, dass es endlich einmal 20 Jahre lang Ruhe und Verlässlichkeit für die Betriebe gibt.

Wenn wir beim Produkt die Haltungsbedingungen endlich klar kennzeichnen – da wird der Weg der Initiative Tierwohl nicht reichen; wir brauchen eine klare Kennzeichnung für jedes Stück Fleisch, darauf muss stehen, wie das Tier aufgezogen worden ist; die Verbraucher sollen sich bewusst entscheiden können –, ist das ein Schritt, der vielen Betrieben helfen wird. Denn dadurch ist aus unserer Sicht ein Mehrerlös erzielbar.

Wir brauchen bei diesem Umbauprogramm aber auch die Unterstützung der Politik. Die Gelder müssen zur Verfügung gestellt werden, damit die Inhaber ihre Betriebe umbauen können. Wir dürfen sie nicht alleinlassen. Das wollen wir mit dem Antrag erreichen. Wir wollen das, was wir in dem Antrag beschrieben haben, nach dem 14. Mai zügig umsetzen. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Rüße. – Die CDU-Fraktion wird nun von Herrn Wirtz vertreten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Plenartag in dieser Legislaturperiode wollen SPD und Bündnis 90/Die Grünen noch die Schweine retten. Mein Gott, was haben Sie für Probleme!

(Beifall von der CDU)

Das Tierwohl ist nicht nur, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren, ein Anliegen der Gesellschaft, sondern auch und in erster Linie der Nutztierhalter; denn die Leistungsfähigkeit zum Beispiel von Hühnern, Kühen und eben auch Schweinen hängt ganz wesentlich davon ab, dass die Tiere gesund sind und sich wohlfühlen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Herr Ott, da, wo der Tierschutz Defizite aufweist, geht die Leistung der Nutztiere ganz erheblich zurück. Deshalb haben insbesondere die Halter ein elementares Interesse an einer tierwohlorientierten Haltung.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

An den Fleischtheken und in den Einkaufsmärkten – gehen Sie einmal einkaufen, Herr Ott – ist die Herkunft der Waren deklariert,

(Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

sodass der Kunde die Information hat, wo die Schweine gemästet wurden. Daher stellt sich die

Frage, ob über das bisherige Maß hinaus noch weitere staatliche Reglementierungen erforderlich sind.

Herr Kollege Rüße, auf Twitter treten Sie auf einmal für größere Ställe ein. Bisher hatte ich den Eindruck, das sei eher umgekehrt gewesen, dass Sie also kleinere Einheiten wollen.

(Beifall von der CDU)

Sehr geehrter Herr Minister Johannes Remmel, auf der Agrarministerkonferenz verständigen Sie sich mit den Kollegen aus den anderen Ländern und dem Bund auf eine gemeinsame Lösung. Das war vergangene Woche. Und heute beschreitet NordrheinWestfalen wieder einen Sonderweg?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das tun wir doch gar nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, in Ihrem Antrag beschreiben Sie, dass die Zahl der Schweinehalter zwischen 2013 und 2016 um 18 % gesunken ist. Haben Sie vielleicht einmal darüber nachgedacht, dass die Ursache dafür gerade in solchen Eingriffen und den damit verbundenen größeren bürokratischen Hürden liegen könnte?