Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, in Ihrem Antrag beschreiben Sie, dass die Zahl der Schweinehalter zwischen 2013 und 2016 um 18 % gesunken ist. Haben Sie vielleicht einmal darüber nachgedacht, dass die Ursache dafür gerade in solchen Eingriffen und den damit verbundenen größeren bürokratischen Hürden liegen könnte?

(Beifall von der CDU)

Viele Betriebe haben nämlich wegen all der Aufzeichnungspflichten keine Lust mehr und verabschieden sich aus der Schweinehaltung, da der bürokratische Aufwand bald größer ist als die eigentliche Arbeit im Stall. Ständig redet man von Bürokratieabbau. Aber mit Ihrem Antrag wollen Sie weitere Bürokratie aufbauen.

(Beifall von der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Wo steht das denn?)

Wir in Deutschland haben die besten Haltungsformen, die man sich vorstellen kann. Europaweit sind wir führend, was Tierwohl und Qualitätsstandards angeht. Die Marktpartner, das heißt die Bauern, die Metzger und der Einzelhandel, wissen selber am besten, was in diesem Zusammenhang getan werden muss; denn auch der Kunde, dem das Tierwohl ein Anliegen ist, beeinflusst mit seinem Kaufverhalten natürlich den Markt.

In ganz Nordrhein-Westfalen befinden sich Einkaufsmärkte wie auch Metzgereien. Wenn man sich das Einkaufsverhalten der Verbraucher dort einmal ansieht, wird man sehr schnell feststellen, dass kein einziger nach der Herkunft der Ferkel fragt, die vom Sauenhalter an den Mäster geliefert wurden. Die Kriterien, wonach die Verbraucher entscheiden, was sie kaufen, sind Aussehen, Sauberkeit und die Frische. Diese Merkmale fallen sofort jedem ins Auge.

Muten wir also unseren Nutztierhaltern nicht zu viel zu; denn wenn es diese vor Ort nicht mehr gibt, brauchen wir uns über regionale Produkte nicht mehr zu unterhalten.

(Beifall von der CDU)

Dann werden diese Erzeugnisse bald aus anderen Teilen der Erde kommen, wo die Qualitätsstandards und die Haltungsformen an unsere bei Weitem nicht heranreichen. Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag ab.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, wenn Sie etwas für das Tierwohl tun wollen, dann sollten Sie sich mal im Hambacher Forst umschauen. Dort leiden Hunde und Katzen der Aktivisten im Wiesencamp Morschenich, weil sie im eigenen Dreck vergehen. – Herr Minister Remmel, das sollten Sie sich am besten mal gemeinsam mit Herrn Innenminister Jäger anschauen. Ich habe das getan und war entsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist heute mein letzter Plenartag, und das war auch meine allerletzte Rede in diesem Landtag. Ich trete in den Ruhestand. Deshalb wünsche ich Ihnen allen für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit und gutes Gelingen dabei, die Politik zum Wohle der Menschen zu gestalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. Auch hier oben vom Präsidium Ihnen alles Gute für den Ruhestand, in den Sie eintreten wollen und werden. Danke für Ihre Arbeit hier zum Wohle des Volkes, zum Wohle der Menschen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren. – Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion Herr Busen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie es anfängt, hört es auch auf. Als ich vor fünf Jahren das erste Mal an dieser Stelle gesprochen habe, habe ich mich über die Weltfremdheit von Rot-Grün in Fragen der Landwirtschaftspolitik gewundert. Jetzt, exakt am letzten Plenartag der Legislaturperiode, stellen Sie diese Weltfremdheit und Unwissenheit mit Ihrem Antrag noch einmal exzellent zur Schau.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn man den Antrag „Herkunftskennzeichnung stärkt tierwohlfreundliche Schweineproduktion“ liest, bekommt man den Eindruck, dass Sie von der Materie überhaupt keine Ahnung haben. Eine Kennzeichnung und ein kleines Progrämmchen sollen die Landwirte und auch die Tiere retten. Hören Sie einfach nicht zu? Die Landwirte beklagen sich ohnehin über zu viel Regulatorik, zu viel Bürokratie. Die Landwirte in unserem Land wollen endlich wieder machen. Die Landwirte wollen die Fesseln der Bürokratie sprengen, sie wünschen sich, den ganzen Remmel-Krempel loszuwerden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und Ihre Antwort? Neue Auflagen, neue Bürokratie, neue Stolpersteine für unsere heimischen Familienbetriebe. Sie schreiben tatsächlich …

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Was ist, Frau Gesundheitsministerin? Wollen Sie jetzt die Schweine vertreten, oder wie?

(Vereinzelt Lachen – Ministerin Barbara Stef- fens: Gerne!)

Sie schreiben tatsächlich, dass neue Vorgaben dringend nötig seien, da die Zahl der Schweinehalter in Deutschland um 18 % gesunken sei. Nein, neue Vorgaben werden eher noch mehr Landwirte in die Betriebsaufgabe treiben. Ich habe in meinem Leben etliche Ställe gebaut: Schweineställe, Rinderställe, Kuhställe. Die Ställe sind in den letzten Jahrzehnten immer besser und funktionsfähiger geworden. Die Tierhaltung früher – heute von Rot-Grün oft romantisiert als die gute alte Zeit – wird beweint; die war nämlich gar nicht gut, die alte Zeit.

(Zuruf: Das ist doch völliger Quatsch!)

Früher gab es Anbindehaltung, verdreckte Ställe, schlechte Luft in den Ställen. Das war die Realität bis in die 80er-Jahre.

(Unruhe – Norbert Meesters [SPD]: Versu- chen Sie doch einmal, eine gute Rede zu hal- ten!)

Herr Meesters, heute sind die Ställe dagegen erheblich besser und sorgen für mehr Tierwohl, für mehr Platz für das einzelne Tier. Aber diese positive Entwicklung wollen Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Welt kann sich ein Beispiel daran nehmen, wie verantwortungsvoll die Landwirte bei uns mit ihren Tieren umgehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In renommierten Studien ist die Landwirtschaft in Deutschland weltweit auf Platz eins in der Nachhaltigkeit.

Herr Kollege Busen, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Yüksel?

Nein, ich komme zum Schluss. – Beim Thema „Tierwohl“ liegen wir an zweiter Stelle. Das ist die Realität. Da braucht es keine grünen Belehrungen mit komischen Zahlen, wer nicht alles mehr Tierwohl will.

Jeder möchte mehr Tierwohl, das ist doch selbstverständlich. Es ist kein Wunder, dass es da hohe Zustimmungswerte gibt. Dafür stehen wir auch. Aber es gibt dieses Tierwohl in deutschen Ställen durchaus. Sie wollen nur die Menschen draußen täuschen, verunsichern und daraus Kapital schlagen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das liegt ihm ganz fern! – Beifall von der FDP und der CDU)

Da das hier auch meine letzte Rede ist, sage ich: Ich wünsche mir nach dem 15. Mai wieder Politik mit gesundem Menschenverstand und weniger Ideologie. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Busen. Auch Ihnen alles Gute für den weiteren Weg. – Es kommt als nächste Rednerin für die Piratenfraktion Frau Brand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Es tauchen immer wieder Nachrichten über jämmerlich vor sich hin leidende Schweine in der industriellen Landwirtschaft auf. Das sind dann sehr unschöne Bilder von teilweise unerträglichen Zuständen. Für uns steht deshalb völlig außer Frage, dass man sich konsequent und auf allen Ebenen für das Tierwohl einsetzen muss. Nicht zuletzt ist der Tierschutz auch in der Landesverfassung als Staatsziel verankert.

Nur ist es nicht damit getan, das Kupieren von Schwänzen zu verbieten. Die Konsequenz muss doch sein, dass jedes Schwein mindestens 50 % mehr Platz braucht, um Schwanzbeißen zu vermindern. Es muss das Verhältnis von Personal und gehaltenen Schweinen verbessert werden, damit es zu einer konsequenten Aussortierung von aggressiven Schweinen kommen kann. Subventionen müssen zukünftig an nachhaltige Landwirtschaft, verhaltensgerechte Tierhaltung und Mindestlöhne für Personal gebunden werden.

Würde Fleisch dadurch teurer werden? Ja, natürlich würde es das. Aber ist das wirklich so schlimm, wenn man bedenkt, dass man inzwischen 1 kg Schweinefleisch für 3 € kaufen kann? Ich denke, nein. Wenn man jetzt argumentiert, das werde die finanziell schwächer Gestellten treffen, und das gehe nicht, dann stimmt das zwar, aber es zäumt das Pferd von hinten auf. Denn die Lösung kann nicht sein, die Bedingungen in der Mast immer weiter zu verschlechtern, damit Fleisch noch billiger wird, damit Menschen mit noch weniger Geld auskommen müssen und Firmen noch geringere Gehälter zahlen können.

Diese Spirale dreht sich komplett in die falsche Richtung. Es muss genau andersherum sein: Menschen

müssen in die Lage versetzt werden, durch ein geregeltes, ausreichendes Auskommen genug Mittel zu haben, um sich faire Produkte kaufen zu können – aus nachhaltiger Landwirtschaft und verhaltensgerechter Tierhaltung. Genau das wäre ein systemischer Ansatz, wie wir Piraten ihn immer fordern.

Was wird stattdessen gemacht? Es soll eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung für Fleisch geben. Okay, prima. Aber was ist die Aussage dahinter? Die Aussage ist: Hier ist alles super. Hier werden alle Tiere, alle Angestellten in der Landwirtschafte und alle landwirtschaftlichen Betriebe fair behandelt, und alle kümmern sich. Aber bei denen in Polen, Ungarn, Russland und Argentinien sind wir uns nicht so sicher. Lieber sollten wir draufschreiben, woher es kommt und was wirklich gutes deutsches Fleisch von gutem deutschem Boden ist.

Dennoch sind die Forderungen im Antrag natürlich richtig. Ausgewiesene Haltungsbedingungen sind gut. Nachvollziehbare Herkunfts- und Handelswege sind gut, artgerechte Sauenhaltung natürlich auch. Allerdings ist es wieder nur ein symptomatischer Ansatz, und es wird nicht viel ändern. Dafür müsste man sich schon etwas trauen und den großen Wurf wagen.

Norwich Rüße, du hast eben etwas sehr Schönes gesagt. Du hast gesagt: Das muss als Vision gelebt werden. Wir möchten endlich mal nach vorne arbeiten und nicht nur permanent reagieren müssen. So sähe auch unser Ansatz aus: proaktiv Politik zu machen und nicht nur reaktiv zu arbeiten. Das ist also ein wahrer Ansatz nach Piratenart. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Hendrik Schmitz [CDU]: Aha!)

Vielen Dank, Frau Brand. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Angenehme und Gute vorweg: Lieber Josef Wirtz, alles Gute für deinen zukünftigen Lebensweg! Ich darf mich herzlich bedanken – auch bei Ihnen, Herr Busen – für die gute menschliche Zusammenarbeit; wir konnten das Gespräch schließlich auch außerhalb der Kontroverse gut miteinander führen. Ich sage auch Danke dafür, dass ich mich insbesondere mit Ihnen beiden hier im Plenum so gut streiten konnte, und das muss ich jetzt tun. Das ist vielleicht die schlechte Nachricht am Anfang meiner Rede.

(Vereinzelt Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worum geht es, und warum möchte ich mich mit Josef Wirtz

und auch mit Herrn Busen an dieser Stelle ganz besonders streiten? Sie haben heute mit Ihrer Positionierung deutlich gemacht, wo das Problem eigentlich liegt: Die Landwirtinnen und Landwirte sind viel zu lange Ihrer Positionierung gefolgt.