Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Vielen Dank, Herr Witzel. – Nun hat das Wort für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Marsching.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und an den Endgeräten! Im Grunde genommen reden wir, ähnlich wie bei TOP 3 am Mittwoch, über eine Bilanz der Politik von Rot-Grün in den letzten fünf Jahren. Ich frage mich, warum man das nicht in einem Antrag abhandeln konnte. Sei es drum, es ist jetzt aufgesplittet.

Herr Hovenjürgen, Sie haben vergessen, den Punkt zum Landesentwicklungsplan vorzulesen. Ansonsten fand ich das gut. Ich habe den Antrag zwar selbst gelesen, aber ihn hier noch einmal vorgestellt zu bekommen, Punkt für Punkt …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Vorgelesen!)

Vorgelesen quasi! Das ist natürlich auch eine Leistung.

Für uns Piraten ist es eine relativ schwierige Situation, denn Sie machen es sich alle einfach: Sie haben klare Fronten, und wir stehen immer irgendwo in der Mitte.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Oder an der Seite!)

Woran ich nicht teilnehmen möchte, das ist dieses gegenseitige Beschuldigen, dieses Zurückblicken über sieben Jahre: Was ist bei Schwarz-Gelb falsch gelaufen? Was ist von Anfang an bei Rot-Grün falsch gelaufen? Ganz unsäglich finde ich – ohne Namen zu nennen –, dass Rednern hier die falsche Einstellung ihrer Tabletten vorgeworfen wird oder dass sie eine Krankheit hätten oder dass die FDP doch der Drogenfreigabe nicht zugestimmt hätte. Solche Argumente sollten in diesem Hohen Hause nicht fallen.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE] – Stefan Zimkeit [SPD]: Glashaus und Steine!)

So richtig wurmt mich, dass im zweiten Redebeitrag von Herrn Zimkeit gesagt wird, die CDU habe keine Lösungen, und dann wird eine Fünf-Minuten-Rede dafür verschwendet – tut mir leid, Herr Zimkeit –, auch keine Lösungen aufzuzeigen, sondern die Nichtlösungen der CDU durchzusprechen. Dass die CDU keine Lösung hat, da sind wir uns einig. Was mich gefreut hätte, wäre gewesen, dass stattdessen Lösungen präsentiert werden. Denn niemand hier hat eine Vision für die Zukunft. Es wird immer nur darüber geredet, dass damals alles besser war – das sagt die eine Seite des Hauses – oder dass heute alles gut ist – das sagt die andere Seite des Hauses.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben augen- scheinlich nicht zugehört!)

Aber was in Zukunft passieren soll, davon hören wir leider nichts. Stattdessen höre ich, dass die eine Statistik gegen die andere ausgespielt wird, und, je nachdem, welche Statistik man gelesen hat, ist NRW entweder Spitzenreiter oder Schlusslicht. Für mich – da bin ich ganz ehrlich – ist das ein trauriges Schauspiel, was heute hier passiert. Da fand ich den TOP 3 am Mittwoch besser, denn da haben wir tatsächlich inhaltlich geredet. Das mag auch daran liegen, dass wir jetzt nur fünf Minuten und eben keine acht Minuten haben.

Mein Problem mit diesem Antrag ist, dass der Titel falsch ist. Die CDU hat keine Visionen für die Zukunft. Die SPD hat keine Visionen für die Zukunft, sondern verwaltet das Heute; die Grünen machen da mit. Eigentlich müsste dieser Antrag den Titel haben: NRW braucht eine Regierung. – Damit wäre diesem Hohen Hause hier geholfen. Noch mehr wäre ihm geholfen gewesen, wenn wir das vernünftig unter TOP 3 am Mittwoch mitbehandelt hätten.

Aber sei’s drum! Wir werden diesen Antrag ablehnen, weil er in seiner Form einfach überhaupt nicht geht. Wir würden allerdings auch einem Gegenantrag nicht zustimmen, weil alles Schönreden in diesem Land nicht hilft.

(Zurufe)

Wir brauchen tatsächlich eine Politik für die Zukunft. Ich hoffe, dass die Menschen in diesem Land bei der Landtagswahl im Mai das erkennen und dass weder die CDU noch die rot-grüne Regierung hier die Chance haben, alleine mit ihrer Politik und mit diesem Verwalten des Heute, mit diesem Verwalten des Gestern vorzukommen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Marsching. – Nun spricht Herr Schulz, fraktionslos.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Wir haben jetzt vier Wahlkampfreden gehört, die so lala waren. Wir reden über einen Antrag der CDU, der, mit Verlaub, keine Visionen enthält, was die Zukunft angeht – da gebe ich dem Kollegen Marsching absolut recht –, aber wir haben auch keine Visionen für die Zukunft vonseiten der SPD gehört.

Der Antrag zeigt in einigen Politikfeldern so etwas wie eine Bestandsaufnahme auf, und er soll darlegen, wie NRW nach den letzten fünf oder sieben Jahre Rot-Grün dasteht. Ich glaube: Ja, einiges davon stimmt – leider. Ich greife nur einen wichtigen Punkt aus dem Antrag auf, und das betrifft das Ruhrgebiet.

„Welt online“ veröffentlichte am 23. August 2016 ein Interview mit Christa Reicher, einer Professorin für Städtebau und Bauleitplanung der Uni Dortmund, ein Interview, in dem in bemerkenswerter Art und Weise laut über die Verknüpfung zwischen Stadtplanung und Entwicklung von Gesellschaft nachgedacht wird, ein Interview, das überschrieben ist mit – aus meiner Sicht falsch – „Ruhrgebiet? Zerstückelt, dauerpleite und hässlich“. Ein Abgesang soll das Interview wohl nicht sein, im Gegenteil, es ist ein Aufruf zum Aufbruch, auch zu einem Aufbruch in die Zeit eines neuen Governance, in der nicht nur die gewählten Politiker gefragt sind, sondern jeder Mitbürger, jede Mitbürgerin auch Eigeninitiative entwickeln sollte. Das bedarf der Erweiterung von Partizipation, insbesondere auch junger Menschen im Ruhrgebiet.

Das betrifft nicht nur Wohn- und Arbeitsexperimente. Da brauchen wir nur auf den Ausbildungsmarkt zu schauen: In München entfallen auf einen Bewerber um einen Ausbildungsplatz mehr als 1,7 Angebote; im Ruhrgebiet leider nur 0,7 oder noch weniger Angebote. Für alles das braucht es bessere Förderung von Mittelstand und vor allen Dingen Gründertum, frei von Bürokratismus und Denkverboten, und vor allen Dingen braucht es eine visionäre Regierung.

Wenn ich den Antrag als Aufforderung an alle betrachte – wie auch schon den Antrag vom Mittwoch –,

dann muss ich sagen: Es trifft jeden, der das hier so sagt.

Egal, wie und in welcher Form er möglicherweise in der Zukunft an einer Regierung beteiligt sein wird, egal, ob das SPD sein wird oder CDU, ich wünsche dem Land Nordrhein-Westfalen auch künftig eine gute Regierung.

An diesem Tag, an dem ich in dieser Legislaturperiode meine voraussichtlich letzte Rede an diesem Pult – nämlich die 197. – halte, danke ich Ihnen allen für die Aufmerksamkeit, die Sie mir in den letzten fünf Jahren haben zuteilwerden lassen. Danke vor allen Dingen für Ihr Verständnis, auch wenn Sie mich manchmal nicht verstehen wollten oder konnten! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Schulz. Als fraktionsloser Abgeordneter werden Sie dem Landtag ja künftig nicht angehören. Insofern war das vermutlich wirklich Ihre letzte Rede. Ihnen alles Gute für die weitere Zukunft auch vom Präsidium aus!

Nun spricht als nächster Redner für die Regierung Herr Minister Lersch-Mense.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir erleben heute, am dritten Plenartag dieser Woche, die dritte Variation des gleichen Themas. Das Thema lautet: Wie lenke ich am besten davon ab, dass ich keine eigenen Ideen und Konzepte habe?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wie lenke ich am besten davon ab, dass ich, was eigene Positionen angeht, schwanke wie ein Schilfrohr im Wind? – Am besten tue ich das dadurch, dass ich versuche, das Land in allen Bereichen schlechtzureden.

Kommen wir nun zu den einzelnen Bereichen, die Sie auch in Ihrem Antrag ansprechen. Sie sprechen das Thema „Bildung“, das wir ja auch in den letzten Tagen vielfach diskutiert haben, erneut an und behaupten, die 200 Milliarden, die wir für die Bildung ausgegeben haben, seien eine falsche Zahl, weil in dieser Zahl auch die Personalkosten enthalten seien.

Wir haben nie bestritten, dass in dieser Zahl auch die Personalkosten enthalten sind. Übrigens machen das auch andere Länder so, wenn sie ihre Bildungsausgaben darstellen. Beispielsweise macht das auch Bayern so. Sie orientieren sich doch sonst so gerne an Bayern. Gerne stellen wir Ihnen die Broschüre der Bayrischen Staatsregierung „Schule und Bildung“ zur

Verfügung, damit Sie auch weiter von Bayern lernen können.

Meine Damen und Herren, auch bei den Themen „Digitalisierung“ und „Juncker-Plan“ nehmen Sie Bewertungen vor, die einer Überprüfung nicht standhalten. Richtig ist, dass in der Tat Projektideen im Umfang von 3,7 Milliarden € durch die NRW.BANK gesammelt und benannt wurden. Diese Zahl ist, anders als Sie behaupten, korrekt. Wir haben nie die Behauptung aufgestellt, dies seien schon gebundene Mittel. Denn deutschlandweit sind insgesamt bisher erst 620 Millionen € aus diesem Fonds verausgabt worden. Das war der Stand am 10. März 2017.

Die Hauptzielgruppe dieses Fonds ist aber nicht die öffentliche Hand, sondern, wie Sie wissen, die Wirtschaft. Es geht um die Verbürgung von Krediten durch die Wirtschaft. Die Zielrichtung betrifft weniger die wirtschaftlich starken Länder der Europäischen Union, sondern es geht darum, Investitionen in Südeuropa zu stärken.

Anders als Sie suggerieren, ist es auch nicht Aufgabe der Bundesländer, die Mittel zu beantragen und zu verteilen. Wir sind mit zwei Projekten der

NRW.BANK zur Bereitstellung von Haftungsfreistellungen für Darlehen an innovative mittelständische Unternehmen und mit einem zweiten mittelstandsorientierten Mezzaninkapital-Beteiligungsdachfonds

immerhin das Bundesland, das die meisten Projekte für diesen Fonds angemeldet hat.

Das Thema „Befristungen“ ist hier in den letzten Tagen schon mehrfach diskutiert worden. Unter anderem hat der Finanzminister in der Fragestunde dazu ausführlich Stellung genommen. Ich kann mich deshalb darauf beschränken, noch einmal die zentralen Daten zu nennen. Die Zahl der befristeten Stellen liegt bereits heute weit unter 5 %. Seit der Regierungsübernahme hat die rot-grüne Landesregierung die Zahl der befristeten Stellen um 14 % abgesenkt. Die Landesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Befristungen noch weiter und so schnell wie möglich abzubauen. Wir werden diesen Weg fortsetzen.

Dann führen Sie immer wieder beim Vergleich von Arbeitslosenzahlen das Ruhrgebiet an. Sie wissen aber auch, dass in Großstädten, in denen sich bestimmte Gruppen mit einem hohen Risiko für Arbeitslosigkeit konzentrieren, natürlich die Arbeitslosenquoten höher sind als in Flächenländern oder in ländlichen Regionen. Sie wissen doch auch, dass wir im Münsterland nahezu Vollbeschäftigung haben. Warum nennen Sie nicht das Münsterland, sondern immer das Ruhrgebiet?

Sie wissen auch, dass wir in Nordrhein-Westfalen allein zwölf der 23 deutschen Großstädte mit mehr als 250.000 Einwohnern haben. Wir sind das Land mit den meisten Großstädten. Wir haben mit dem Ruhrgebiet sozusagen einen eigenen Stadtstaat in unse

ren Landesgrenzen. Deshalb: Wenn Sie schon Vergleiche ziehen, ziehen Sie sie mit Stadtstaaten. Dann werden Sie feststellen: Die Arbeitslosenquoten im Ruhrgebiet liegen in einer vergleichbaren Größenordnung.

Zum Thema „Polizeistärke“ gab es bereits Gelegenheit, hier ausführlich zu diskutieren.

Ihre Redezeit, Herr Minister.

Zum Thema „Stellenbesetzungsquote“ will ich darauf hinweisen, dass diese heute einen Prozentpunkt höher als zu Ihrer Regierungszeit liegt. Ihr Argument, wir würden Stellen nicht besetzen, geht also in die Irre. Wir haben umgerechnet 3.000 mehr besetzte Stellen als zu Ihrer Regierungszeit. Auch dieses Argument geht völlig in die Leere.

(Zuruf von der SPD: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Hovenjürgen hat sich für die CDU-Fraktion zu einer Kurzintervention gemeldet und bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister Lersch-Mense, Sie haben vorgetragen, wie Sie das Ruhrgebiet einschätzen.

Wir geben die Menschen im Ruhrgebiet nicht auf. Wir wollen für die Menschen Arbeit schaffen – auch im Ruhrgebiet. Sind Sie deshalb als derjenige, der auch für die Landesplanung zuständig ist, bereit, das aktuelle Baurecht zur Kenntnis zu nehmen? Denn das aktuelle Baurecht greift, wenn Betriebe im Ballungsraum aufgegeben werden, sodass wir dort nicht in gleicher Art und Weise wieder Betriebe ansiedeln können. Auf diesem Weg haben wir 3.800 ha Industrie- und Gewerbefläche verloren.