Die Rede ist von neuen Steuerungsinstrumenten und der Bindung an die ministerielle Interpretation von Rahmenvorgaben für Etats und Personal. Entscheidungsgremium sollen umstrukturiert werden – mit dem Risiko einer Lähmung der bisherigen Entscheidungsstrukturen.
Die Ministerin will statt der bisherigen Rechtsaufsicht künftig wieder in wesentlichen anderen Feldern fachlich befehligend eingreifen.
Das Instrument der Ziel-Leistungs-Vereinbarungen, bei dem sich Beteiligte auf Augenhöhe begegnen und das die individuellen Vorstellungen und Planungen der Hochschule einerseits und die im Staat organisierten Vorstellungen der Zivilgesellschaft andererseits kooperativ miteinander verbindet, wird von Ihnen völlig negiert.
Statt an einer Weiterentwicklung zu arbeiten, droht die Landesregierung kurzerhand mit einer rigorosen Rückabwicklung. Herr Kollege Schultheis hat es ja gerade auch mehr als deutlich gesagt. Rot-Grün will die Hochschulen unter ihre politische Kontrolle bekommen und sie wieder an die Kandare nehmen.
Das ist nicht nur rückwärtsgewandt, sondern wird auch dem Innovationsstandort schaden. Das ist Ihnen auch bewusst; denn die kognitiven Fähigkeiten, dies zu erkennen, sind bei Ihnen ganz sicher vorhanden. Sie haben auch lange mit den Eckpunkten hinterm Berg gehalten. Sie rechnen mit massiven Widerständen – und das zu Recht.
Ein kluger Mann – das sage ich nicht nur, weil er einen tollen Nachnamen trägt –, Prof. Axel Freimuth, Rektor der Universität zu Köln und Vizepräsident der Landesrektorenkonferenz, lässt sich im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 22. November 2012
mit folgender Bewertung einiger Ihrer Änderungsvorschläge zitieren: „völlig daneben“. Besser kann man es wohl kaum auf den Punkt bringen.
Erzählen Sie hier bitte auch nichts von Dialogprozess, Herr Kollege Schultheis; denn die gesamten Eckpunkte weisen mehr als deutlich darauf hin, dass es Ihnen überhaupt nicht um einen Dialogprozess mit den Hochschulen geht.
(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben die Pres- semitteilung schon herausgegeben, als die Eckpunkte noch gar nicht vorlagen!)
Hat denn irgendeine Hochschule Ihnen gesagt, sie wolle über ministerielle Interpretationen von Rahmenvorgaben von oben gesteuert werden?
Oder hat auch nur eine Hochschule darum gebeten, wieder Rede und Antwort stehen zu müssen, wenn ein Labor eingerichtet werden soll oder eine Personalberufung stattfinden soll? Wenn Hochschulen erst fragen müssen, ob sie berufen dürfen, ist der Schritt zu der Frage, wen sie denn berufen dürfen, nur noch ein ganz kleiner.
Die rot-grüne Bevormundungspolitik – diesen Vorwurf müssen Sie sich leider gefallen lassen – erreicht mit dem, was hier bisher vorgestellt wurde, auch die Hochschulen. Sie fürchten offensichtlich eigenständige Hochschulen und wissenschaftliche Entfaltung durch gestalterische Freiheit.
(Karl Schultheis [SPD]: Wer sind die Hoch- schulen? – Gegenruf von Dr. Stefan Berger [CDU]: Lassen Sie die Hochschulen doch machen!)
Jonathan Swift hat einmal den Ausspruch geprägt: „Was nützt die Freiheit des Denkens, wenn sie nicht zur Freiheit des Handelns führt.“
Ich kann deshalb nur an Sie appellieren: Lassen Sie uns überlegen, wie wir das Hochschulfreiheitsgesetz weiterentwickeln können; aber streifen Sie den Umhang der Bevormundung ab, und lassen Sie den Hochschulen auch die Freiheit des Handelns.
Unsere Hochschulen wollen und müssen nicht umgekrempelt werden. Sie brauchen auch keine Experimentierklauseln, sondern verlässliche und adäquate Rahmenbedingungen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu den Hochschulräten, die wir heute im Plenum nicht en détail diskutieren; das werden wir im Ausschuss und anschließend nach der Rücküberweisung tun. Sie wollen ihnen zugunsten eines viertelparitätisch besetzten Senats Befugnisse entziehen. Ich halte das für nicht zielführend.
Entscheidungen dürften dann wieder langgezogene Prozesse sein, und der Senat dürfte wieder zum Schauplatz alter ideologischer Grabenkämpfe werden. Das hilft keinem weiter.
Es ist nicht so – das sage ich in aller Ausdrücklichkeit –, dass sich die FDP-Landtagsfraktion Weiterentwicklungen und Verbesserungen entzieht, wie sie die Hochschulratsvorsitzenden selber angeregt haben und wie sie auch aus anderen Bereichen gekommen sind. Aber, lieber Kollege Schultheis – da unterscheiden wir uns eben fundamental –: Hochschulräte sind ein wichtiger Bestandteil der autonomen Hochschulen. Ich halte es für wichtig, dass wir diesen vielen herausragenden Persönlichkeiten – Nobelpreisträger, Leibniz-Preisträger, internationale Wissenschaftler, Unternehmensführer, Gewerk
schaftsführer, Wissenschaftsjournalisten und sogar ehemalige Minister gehören dazu – die Kompetenzen geben, ihre Erfahrungen, ihre unterschiedlichen Aspekte zum Wohle der Hochschule einzubringen. An anderen Stellen begrüßen Sie ja Diversity.
Wir sind auch offen für Veränderungen, um zum Beispiel Missbrauch im Zusammenhang mit Kettenverträgen zu vermeiden. Überhaupt kein Thema! Ich bekenne mich auch zur Mitbestimmung der Studierenden. Aber wir müssen doch die Fragen, die sich dadurch stellen, dass es bei Studentenparlamentswahlen eine Beteiligung von nur 14 % oder weniger gibt, anders beantworten, als das bislang der Fall ist.
Meine Damen und Herren, ich will nicht, dass unsere Exzellenzen hier in Nordrhein-Westfalen keinen Platz mehr finden, ihre Talente in einem freiheitlich geprägten Wissenschaftsland Nordrhein-Westfalen einbringen zu können. Deswegen freue ich mich auf die weiteren Debatten, die wir an anderer Stelle noch führen
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. Frau Kollegin Freimuth, Sie haben Ihre vorgegebene Redezeit von sieben Minuten um eine Minute und neun Sekunden überzogen. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Seidl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Freimuth, Sie tragen seit 2006 einen Mythos vor sich her: den Mythos, dass Sie, insbesondere die FDP-Fraktion, die Erfinder der Hochschulfreiheit in Nordrhein
Dabei ist es mit dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in Ihrer Regierungszeit zu einer höchst umstrittenen politischen Weichenstellung gekommen. „Weniger Staat und mehr Wettbewerb“ hieß die Devise. Und seitdem war nicht mehr klar, wer eigentlich für eine vernünftige Landesplanung zuständig ist. Das fand im Übrigen auch der damalige Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Herr Prof. Ronge, der im Rahmen der Anhörung zum HFG sagte – ich zitiere –:
Westfalen sprechen können; denn wir haben dann eine Vielzahl von Hochschulen, deren integratives Element, das bisher durch den Staat geleistet worden ist, entfallen ist. Dann haben wir viele Hochschulen, aber nicht mehr eine Landesstruktur des NRW-Hochschulwesens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht ist es unerklärlich und unverantwortlich, wie man sich in einem Land, das die größte Dichte an Hochschulen in ganz Europa besitzt, so aus der gesamtstaatlichen Verantwortung zurückziehen konnte.
69 Hochschulen. Und es ist politische Aufgabe, die groben Ziele der Landesplanung zu definieren: Wie viele Studienplätze brauchen wir? Wie muss perspektivisch die Fächerentwicklung für ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen aussehen? Wie gelingt die inhaltliche und strukturelle Reform des Bologna-Prozesses? Wie können wir einen höheren Anteil an Frauen in Spitzenpositionen der Wissenschaft bringen? Oder: Wie gehen wir mit den im Mittelbau zunehmenden prekären Beschäftigungsverhältnissen um?
Ihr Ansatz war immer: Die einzelnen Hochschulen werden das schon machen. – Unser Ansatz ist: Die Hochschulen brauchen dazu unsere Unterstützung und eine vernünftige landespolitische Steuerung.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir gesetzlich verankern, dass uns das MIWF künftig eine für die gesamte Hochschullandschaft verbindliche strategische Planung des Landes in einem Landeshochschulentwicklungsplan vorlegt, dessen Eckpunkte in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben und vom Landtag beschlossen werden.