Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Sie haben im Rahmen des Jahressteuergesetzes vor, dass Verluste in zwei EU-Staaten doppelt in Anspruch genommen werden können. Niemandem leuchtet ein, dass es eine Regelung gibt, bei der im Ausland jenseits der EU eine doppelte Verlustnutzung nicht möglich ist, während wir im EUBinnenmarkt die Möglichkeit schaffen, an mehreren Stellen gleichzeitig denselben Verlust geltend zu machen und von der Steuer abzusetzen. Das nennen Sie Bürokratieabbau.

Was Sie Abbau der kalten Progression nennen – das ist schon angesprochen worden –, führt zu Einnahmeausfällen im Landeshaushalt von mindestens 100 Millionen € im Jahr, wenn ich die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung des Grundfreibetrages schon herausrechne und selbst wenn ich herausrechne, dass der Bund 2 Milliarden € an diesem Geschäft selber tragen will. Es sind noch einmal 2 Milliarden €, an denen auch nordrhein-westfälische Steuerzahler beteiligt sind. Das wird durch Einsparungen und durch Kürzungen erwirtschaftet, die am Ende diese Gruppe von Steuerzahlern auch treffen werden.

Selbst wenn der Bund 2 Milliarden € Steuerausfall selbst übernimmt, dann muss man sich einmal angucken, wie das mit dem Grundfreibetrag ist. Der kostet 2 Milliarden € Steuermindereinnahmen. Davon kommen gerade 10 % denen zugute, für die der Grundfreibetrag erhöht worden ist. 20 % – 400 bis 500 Millionen € – werden denen zugutekommen, die ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 50.000 € haben.

Hier so zu tun, als ob die 2 Milliarden € Mindereinnahmen etwas für die kleinen Leute seien und dass man jetzt noch weiter vorgehen müsse, um im Mittelbereich Steuern abzubauen, das ist wirklich ein Etikettenschwindel sondergleichen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man sich dann noch anguckt, dass sich der Finanzminister in Berlin auch an Einnahmensteigerungen bedient – aber nicht dadurch, dass starke Schultern in Anspruch genommen werden, sondern mit einem Griff in die Kassen von Sozialversicherungen und KfW, was am Ende wiederum auch Programme und Menschen in Nordrhein-Westfalen trifft –, dass er nicht bereit ist, zu sagen, dass er den Beitrag von Großeinkommensbeziehern und Großvermögenden braucht, und er dazu auch noch fordert, dass wir im Land auf die Versäumnisse alleine mit Ausgabensenkungen reagieren, dann raten Sie mal, wen das trifft! Es trifft immer wieder die Klei

nen, für die dann die Ausgaben gekürzt werden, und es trifft nicht die Großen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Besonders perfide finde ich, dass Sie die oberen Einkommen immer wieder mit diesen kaum spürbaren kleinen Elementen in Jahressteuergesetzen, in Formulierungen von Gesetzen entlasten – immer mit der Begründung, es gehe um Bürokratieabbau, man müsse es vereinfachen, und immer mit der Begründung, man tue etwas für das Wachstum. Und dann lässt man sich von denen feiern, denen man dabei in die Tasche greift.

Es ist kein Wunder, dass Sie bei so viel versuchter Verdummung glauben, eine weitere Legende nachschieben zu müssen. Das ist die von den Steuermilliarden – sie wird gleich wieder kommen –, mit der man den Haushalt von einem auf den anderen Tag sanieren kann, wenn man das Abkommen mit der Schweiz unterschreibt, ihm zustimmt. Dazu ist im Prinzip alles gesagt. Es ist ein unmoralisches Angebot an Steuerhinterzieher.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das werden wir ablehnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind nicht der Meinung, dass man Steuerhinterzieher, die das über Jahrzehnte betrieben haben, mit Sonderrabatten davonkommen lässt. Wir sind auch nicht der Meinung, dass ein solches Gesetz in einen Deal gepackt werden kann, bei dem uns der Bundesfinanzminister Geld von ehrlichen Steuerzahlern dafür anbietet, dass wir die unehrlichen Steuerzahler laufen lassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen werden wir das heute als A-Länder, als Länder, die rot-grüne oder grün-rote Landesregierungen haben, geschlossen ablehnen.

Ich will mir noch einen Hinweis erlauben, damit nicht immer die alte Geschichte von der Taube auf dem Dach und dem Spatz in der Hand übrig bleibt. Ich erlaube mir den Hinweis, dass dem von Ihnen behaupteten Milliardenverzicht auf Steuernachzahlungen im Ergebnis nicht nur mehr Steuergerechtigkeit gegenübersteht, sondern ihm steht auch ein satter Gewinn für das Gemeinwesen gegenüber, weil wir nicht die Hand dafür heben, dass künftig wieder unversteuerte Millionen-Einnahmen sorglos in die Schweiz gebracht werden können und an dieser Stelle viel mehr Ausfall entsteht

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

als das, was vorher mit überhöhten Zahlen angeboten wird.

Unser Weg ist ein gänzlich anderer. Wir werden in diesem Punkt der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, europäisch und international abgestimmt, für eine wirksame Durchsetzung einer angemesse

nen Steuerpflicht für alle sorgen, die die Leistungen unseres Allgemeinwesens in Anspruch nehmen. Und wir werden im Bundesrat und spätestens mit einer anderen Bundesregierung die Grundlagen dafür schaffen, dass Konsolidierung, dass Sparen, dass Investieren und Einnahmenerzielung in ein anständiges Gleichgewicht kommen.

Wenn Sie sich einfach einmal ansehen, dass nach Schätzungen unterschiedlichster Institutionen Jahr für Jahr rund 30 Milliarden € durch Steuerhinterziehungen am Fiskus vorbeigehen, dann können Sie sich ausrechnen – die Hälfte davon ist für den Bund –, dass das die Kreditaufnahme des Bundes erheblich decken würde. Wenn ein Zehntel, wie es üblich ist, für das Land Nordrhein-Westfalen wäre, dann wären es 3 Milliarden €, die unsere Finanzplanung erheblich verändern würden. Dass das nicht erreicht wird, dafür zahlen die Ehrlichen. Deswegen geht es darum, dass wir an dieser Stelle alles unternehmen, um diese Lücken zu schließen.

Wenn man das Land Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang immer wieder als ein Land hinstellt, das im Länderfinanzausgleich zu den Bittstellern gehört, dann bin ich einmal gespannt, wie auf dem Weg zur Erreichung der Schuldenbremse im Jahre 2020 die Diskussion vonstattengeht, was wirklich von einem in ein anderes Land fließt.

Wenn am Ende des Jahrzehnts die Rechnungen aufgemacht werden müssen, nachdem alle Verträge, die wir eingegangen sind, auch einzuhalten sind, wird sich deutlich zeigen, an wie vielen Stellen das Land jetzt mit seiner Wirtschaftskraft dazu beiträgt, dass sich andere entwickeln können – andere, die sich zum Teil heute hinstellen und sagen: Guckt mal, wie viel wir schon in der Haushaltskonsolidierung erreicht haben! Das haben sie mit Mitteln erreicht, zu denen auch wir beigetragen haben! – Es geht darum, den Gesamtstaat Bundesrepublik Deutschland ins Gleichgewicht zu bringen. Daran werden wir uns beteiligen.

Dieser Haushalt ist gemessen an den derzeitigen Rahmenbedingungen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Darüber sollten wir in den nächsten Monaten heftig, sachlich, aber auch ergebnisorientiert debattieren. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Vielen Dank, Herr Minister, für die Einbringung. – Ich eröffne nun die Aussprache und erteile für die CDU Herrn Fraktionsvorsitzendem Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und

Herren! Ich war auf diesen Haushaltsentwurf 2013 sehr gespannt – und zwar deswegen, weil es Ihr erster Haushaltsentwurf ist, den Sie im Kabinett und in den Ministerien mit der sicheren Gewissheit aufstellen konnten, für diesen Haushalt eine eigenständige Mehrheit zu haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

Sie brauchten bei der Erstellung des Haushalts nicht ganz weit nach links zu schauen – zu einer Fraktion, die es jetzt im Landtag nicht mehr gibt.

(Zuruf von der SPD: Wir brauchen aber auch nicht nach rechts zu schauen! – Weitere Zu- rufe von der SPD)

Sie brauchten auch nicht darauf zu hoffen, dass die FDP zustimmt, sondern Sie konnten vorschlagen, was Sie wollten. Deswegen müssen Sie sich sagen lassen, dass dieser, von ihnen vorgeschlagene Haushalt eins zu eins Ihr haushaltspolitisches Gesicht darstellt.

(Beifall von der CDU)

Es zeigt, wie Sie mit Blick auf die nächste Generation die Gegenwart gestalten wollen.

Ich muss Ihnen leider sagen: Bei der Lektüre des Haushalts wurde ich immer enttäuschter.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

Ich bin mit Blick auf die Zukunftschancen der nächsten Generation entsetzt,

(Beifall von der CDU)

und ich bin, was Ihre Treue zu unserer Verfassung angeht, ratlos.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Schließlich, Frau Kraft, haben unsere beiden Parteien 2009 die Schuldenbremse im Deutschen Bundestag beschlossen. Wir beide gehörten damals schon den jeweiligen Gremien unserer Bundespartei an. Solide Politik hat auch damit zu tun, dass man dann, wenn man regiert, zu dem steht, was damals abgemacht wurde.

Dieser Haushalt erinnert mich an eine kleine Episode im vergangenen Landtagswahlkampf. Da gab es ein Plakat mit einem Slogan: „Currywurst ist SPD“. Ich kann nur sagen: Zu diesem Haushalt passt: „Durchwursteln ist Ihr Programm“.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD)

Wie Sie Ihren Haushaltsentwurf einbringen, werden Sie die Zukunftschancen der jungen Generation verspielen und die Schuldenbremse niemals erreichen.

Jetzt zu den Fakten:

(Zuruf von der SPD: Was war das denn bis- her?)

2011, im ersten Jahr Ihrer Regierung, hat dieses Land 3 Milliarden € neue Schulden gemacht. 2012 sind es 3,3 Milliarden €.

(Zuruf von der SPD: Und davor?)

2013 werden es 3,5 Milliarden € sein.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sagen Sie doch mal, wie viele Schulden es 2010 waren!)