zumal uns mittlerweile andere Länder wieder überholen: Bayern tilgt Schulden. Sachsen tilgt Schulden. Sachsen-Anhalt tilgt Schulden. Thüringen tilgt Schulden. Mecklenburg-Vorpommern erreicht immerhin eine schwarze Null. Brandenburg strebt das für 2014 an, Berlin – Berlin! – für 2015, Hamburg für 2019, Baden-Württemberg – leider verzögert durch Grün-Rot – immerhin für 2020!
Nur Nordrhein-Westfalen fehlt in dieser Liste. Wissen Sie, das markiert einen kulturellen Unterschied! Diesen kulturellen Unterschied hat Ihr Genosse, der Bürgermeister von Hamburg beschrieben. Olaf Scholz hat gesagt: „Wir müssen lernen, mit dem Geld auszukommen, das uns zur Verfügung steht.“ – Diese Lektion steht Ihnen noch bevor, Herr Finanzminister.
Auch durch Zurufe der Koalitionsfraktionen veranlasst, haben Sie in dieser Debatte wieder über den Länderfinanzausgleich gesprochen. Herr Mostofizadeh sagt: Ja, wissen Sie – so hat er Herrn Laumann zugerufen –, wie viel Geld wir an diese oder jene Länder geben? – Herr Finanzminister, Sie haben auch dieses rhetorische Stilmittel, dass Sie in den Debatten immer auf den Länderfinanzausgleich zu sprechen kommen, bei dem Nordrhein-Westfalen so viel abgeben würde.
Was für ein Argument für einen Sozialdemokraten ist es eigentlich, mit der Aufkündigung der Solidarität zwischen den Bundesländern zu spielen?
Im Übrigen: Selbst wenn Sie 1 bis 2 Milliarden € aus dem Umsatzsteuervorwegausgleich in Ihrem Etat hätten, könnten wir dann sicher sein, dass dieser Betrag in die Konsolidierung fließt? Die 6 Milliarden € Mehreinnahmen bis 2016 nutzen Sie auch nicht überwiegend zur Konsolidierung. Ich sage Ihnen: Selbst wenn es einen anderen Länderfinanzausgleich gäbe, der Ihnen mehr Geld in die Landeskasse spülen würde, gäbe es vielleicht ein weiteres beitragsfreies Kindergartenjahr, aber mit Sicherheit nicht einen Euro weniger Staatsverschuldung. In Wahrheit ist es nämlich nicht Ihre Absicht, den Haushalt zu konsolidieren.
Immerhin erklären Sie in aller Offenheit, dass Sie ohne Einnahmeverbesserungen nicht in der Lage sein werden, den Landesetat zu konsolidieren. Das schreiben Sie in Ihrem Finanzbericht.
Ich empfinde es allerdings als ein politisches Armutszeugnis, wenn Sie in der zentralen Frage der Landespolitik nur auf den Bund und den Steuerzahler verweisen können. Gerade weil andere Bundesländer – auch die mit schlechteren Ausgangsbedingungen – bessere Ergebnisse erzielen, entziehen Sie sich damit in dramatischer Weise Ihrer politischen Verantwortung, Herr Finanzminister.
Im Grunde haben Sie gar nicht den Willen zur Konsolidierung. Im Landeshaushalt finden sich bemerkenswerte Entscheidungen mit Blick auf das Personal:
Sie nutzen also nicht die Möglichkeiten im Bereich des Personalhaushalts zur Konsolidierung, sondern Sie bauen Personal – Stellen und Planstellen – auf.
Demgegenüber sagen Sie: Wir müssen natürlich auch ein Konsolidierungssignal senden. Deshalb müssen die Ressorts eine globale Minderausgabe erbringen. Sie sehen also im Sachhaushalt offensichtlich noch Spielraum.
Herr Finanzminister, richtig wäre es gewesen, die kw-Vermerke zu streichen und beispielsweise auf die 76 Stellen für die Ressorts zu verzichten und bei den Sachausgaben trotzdem zu sparen. Das würde der Dramatik der Haushaltssituation gerecht. Sie aber verzichten darauf.
Der Gewinner dieser Haushaltsberatungen ist einmal mehr Johannes Remmel: 145 Millionen € höhere Ausgaben in seinem Ressort über die letzten drei Jahre. 214 Stellen mehr! – Jetzt erhält er noch das
Wasserentnahmeentgelt, damit er noch mehr Mittel in seine Kasse bekommt, die er für seine Projekte verwenden kann, obwohl damit auch – Herr Duin, hören Sie genau zu – Unternehmen belastet werden, die ökologisch verantwortbar wirtschaften.
Man kann nur sagen: Chapeau, Herr Remmel ist der Gewinner dieser Haushaltsberatungen! Er zeigt, wie man mit grüner Tinte rote Zahlen schreibt. Darin ist er unübertroffen.
Diese Linie setzt sich auch in der Energiepolitik durch, indem Herr Remmel zusammen mit seiner Fraktion die entscheidenden Fragen diktiert. Minister Duin darf bundesweit einen Masterplan für die Energiewende ankündigen und einfordern. Die Grünen beschließen auf ihrem Landesparteitag eben mal wieder einen Alleingang für Nordrhein-Westfalen.
Das wesentliche Gesetz für unseren Wirtschaftsstandort ist in dieser Legislaturperiode das Klimaschutzgesetz. Es ist ökologisch unwirksam, weil aufgrund des europäischen Emissionshandels jede Tonne zusätzlich eingespartes CO2 in NordrheinWestfalen andernorts verbraucht werden kann. Aber es kommt trotzdem, damit der grüne Umweltminister seine Aversion gegen konventionelle Landwirtschaft und Industrie ausleben kann. Und zu all dem schweigt der Wirtschaftsminister Duin.
Das bestätigt meine Hypothese aus der Erwiderung zur Regierungserklärung: In dieser Landesregierung hat selbst in wirtschaftspolitischen Fragen der Umweltminister mehr zu sagen als der Wirtschaftsminister. Das macht eine fatale Schieflage aus, weil Sie damit die wesentlichen Chancen, die in unserem Industrieland Nordrhein-Westfalen liegen, ausschlagen.
Sie schauen bei Ihrer Politik nur auf die Steuerschraube, um Einnahmeverbesserungen zu erzielen. Wir würden uns wünschen, dass sich der Wirtschaftsminister darum bemühen würde, die Investitionsbedingungen zu verbessern. Man kann die Einnahmesituation eines Landes nämlich auch durch wirtschaftliches Wachstums verbessern, aber das ist Ihnen offensichtlich noch nicht in den Sinn gekommen.
Die Prioritäten im Haushalt verschieben sich also – hin zu Johannes Remmel und weg von den Bereichen Wirtschaft und Verkehr. Auch im Landeshaushalt 2013 setzt sich das fort: minus 88 Stellen bei Groschek, plus 77 Stellen bei Remmel. Tja, kann man dazu nur sagen, der SPD-Generalsekretär Michael Groschek hat im Wahlkampf – Herr Laumann hat daran erinnert – von seiner Currywurst geträumt, und jetzt, Herr Groschek, setzen die Grünen Sie als Minister auf Diät.
Diese politische Prioritätensetzung ist vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen, die wir über den Zustand unserer öffentlichen Infrastruktur führen, bemerkenswert. Herr Groschek hat völlig recht, wenn er sagt, dass wir in der öffentlichen Infrastruktur einen Investitionsbedarf von 3,5 Milliarden € haben; dies gilt gerade auch für den Bereich der Bundesstraßen und Bundesautobahnen. Es ist immerhin ein Signal, dass der Bund jetzt zusätzliche 96 Millionen € bereitstellt, aber das ist sicherlich noch nicht ausreichend, um das jahrzehntelange, historisch gewachsene strukturelle Investitionsdefizit in die nordrhein-westfälische Infrastruktur zu beheben.
In freimütiger Offenheit hat sich allerdings ein Spitzen-Grüner in der „Rheinischen Post“ vom 5. Dezember auch zur Mitverantwortung des Landes bekannt. Dieser wird mit dem Hinweis zitiert: Ja, es sei in den vergangenen Jahren und auch zur Zeit der alten Koalition bis 2005 eben leichter gewesen, bei den Straßen als etwa bei Schule und Polizei zu sparen. Deshalb würden jetzt die Ingenieure fehlen – so führt dieser Spitzen-Grüne aus –, um beispielsweise die Bauvorhaben zu kontrollieren und um zu planen, wie Brücken instand gesetzt werden.
Das setzt sich in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich fort, Herr Groschek. Schließlich sind Sie für das Landesstraßennetz mit immerhin 4.000 Brücken zuständig. Für diesen Bereich standen in diesem Jahr noch 162 Millionen € für Investitionen zur Verfügung. Da wird jetzt um 20 Millionen € gekürzt. Gleichzeitig gibt es in Ihrem Etat noch 30 Millionen € für das Sozialticket. Herr Römer hat eben von dem Wünschbaren und Notwendigen gesprochen. An Ihrem Etat sieht man: Bei dieser Koalition siegt gerade im Bereich der öffentlichen Infrastruktur zu oft das Wünschbare über das Notwendige, Herr Groschek.
Zum Wünschbaren und Notwendigen. Beispiel „Bildung“: Die zentrale bildungspolitische Herausforderung dieser Legislaturperiode wird die Einbeziehung von Kindern mit Behinderung in den Schulunterricht, also die sogenannte Inklusion, sein. Dies ist eine große Aufgabe, die die volle Aufmerksamkeit der Schulministerin erfordert. Wovon habe ich gerade gesprochen?
Also, die zentrale bildungspolitische Aufgabe der Koalition ist die Realisierung der Inklusion. Da stelle ich mir die Frage – um mit Ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück zu sprechen –: Wie verhält es sich da mit „gut gewollt“ und „gut gemacht“? Wo ist das klare Konzept? Wo sind die Qualitätsvorgaben? Und vor allen Dingen, Frau Löhrmann: Wie gehen Sie in der Frage mit den Kommunen um?
In dieser Frage müssen Sie doch die Sorgen erreichen. Da stehen Millionenbeträge für Investitionen in Barrierefreiheit im Raum. Ich weiß, dass Sie mit dem Gedanken, das einfach als nicht konnexitätsrelevant zurückzuweisen und die Kommune bei dieser entscheidenden Frage allein zu lassen, Probleme haben werden.
Sie wollten niemanden zurücklassen. Gerade bei der Inklusion sieht man, dass Sie in der Frage die Schwächsten zurücklassen, nämlich die Kommunen und damit die Kinder und Jugendlichen mit Handicap.
Den Kurs werden Sie nicht durchhalten können, die Kommunen bei der Frage allein zu lassen. Das werden die Kommunen sonst auf dem Rechtsweg erstreiten. Denn offensichtlich ist die Frage der Inklusion eklatant konnexitätsrelevant.