Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Wir setzen heute ein starkes Signal. Wir treffen heute die richtige Entscheidung für Nordrhein-Westfalen mit dem Beschluss des Klimaschutzgesetzes. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meesters. – Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Deppe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Remmel, da Sie auch Verbraucherschutzminister sind, hätten Sie das Klimaschutzgesetz gar nicht erst zulassen dürfen; denn es ist ein klarer Fall von Etikettenschwindel. Im Gesetz steht nämlich nicht das drin, was draufsteht.

Die Mehrheit, die dieses Gesetz heute im Landtag verabschieden will, nimmt in Kauf, dass mit dem hochtrabenden Namen „Klimaschutzgesetz“ nichts erreicht wird. Es schützt nämlich nicht das Klima, nicht das Klima in Nordrhein-Westfalen und schon gar nicht das Klima in der Welt. Das ist das eindeutige Ergebnis von zwei großen Anhörungen; da sind sich Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunen,

Landwirtschaft und Juristen vollkommen einig gewesen. Das aber haben die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen bis heute ignoriert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was den Klimaschutz angeht, meine Damen und Herren, ist dieses Gesetz im besten Fall ein Nullsummenspiel. Europa hat sich auf einen marktwirtschaftlichen Weg zur CO2-Reduktion, nämlich das EU-Emissionshandelssystem, geeinigt.

Für Ihren dirigistischen und auf ein einziges Bundesland bezogenen Zwang zur CO2-Minderung ist daneben überhaupt kein Platz. Im günstigsten Fall werden bei uns CO2-Emissionen vermindert und in andere Länder in Deutschland oder in Europa verlagert. Für das Klima, meine Damen und Herren, spielt es nämlich keine Rolle, ob die CO2Emissionen in Nordrhein-Westfalen, in RheinlandPfalz, in Brandenburg oder sogar in Frankreich oder in Polen in die Atmosphäre geraten.

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich behaupte, Herr Remmel, dieses Gesetz schadet sogar dem Klimaschutz. Es ist gar ein Klimaschadensgesetz.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn es in Kraft tritt, werden aus NordrheinWestfalen überproportional viele Emissionszertifikate auf den Markt kommen mit der Folge: Die Zertifikatspreise werden noch weiter sinken. Damit schwächt diese Landesregierung das europäische Emissionshandelssystem, anstatt es zu stärken.

(Beifall von der CDU)

Was wir brauchen, sind doch höhere und nicht niedrigere Zertifikatspreise. Nur wenn Verschmutzungsrechte teuer sind, entsteht ein Anreiz, in CO2-arme und nachhaltige Technologien zu investieren.

Statt die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard und Bundesumweltminister Peter Altmaier auf diesem Weg zu unterstützen, spielen Sie mit diesem Gesetz ausgerechnet jenen in die Hände, die die europaweite Verknappung der Emissionsrechte verhindern wollen.

Schon Ihr ausschließlich outputorientierter Ansatz ist falsch. Da sind sich die Experten bis hin zu den Gewerkschaften einig. Wenn wir in NordrheinWestfalen die Produktion von Leichtbaustahl für leichtere Autos, von treibstoffsparenden Reifen, von Dämmstoffen, von LED-Leuchten steigern, führt das bei Ihnen zu einer Verschlechterung des Klimaschutzes. Dabei sparen doch die innovativen Produkte durch ihre Verwendung viel mehr CO2 ein als deren Herstellung verursacht. Somit ist die Bilanz nicht so wie bei Ihnen negativ, sondern im Gegenteil positiv.

Wer das Klima tatsächlich schützen will, meine Damen und Herren, sollte sich schnell von Ihrer Quellenbilanz verabschieden und stattdessen auf eine positive Produktbilanz achten und den CO2Footprint des Transportes nicht vergessen. Den haben Sie total ausgeblendet.

(Beifall von der CDU)

Dieses Gesetz schadet den Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen.

Der Vertreter des DGB Achim Vanselow hat es hier im Saal auf den Punkt gebracht. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Wir sehen die Arbeitsplatzeffekte in der nahen Zukunft, die mit diesem Prozess verbunden sind, doch mit einiger Sorge. – So Herr Vanselow. – „Auf der einen Seite verlieren wir gute Arbeitsplätze – ‚gut‘ heißt in diesem Fall:“ – immer noch Zitat – „sozialversicherungspflichtig, tarifgebunden, zu relativ guten, fairen Arbeitsbedingungen –, auf der anderen Seite wissen wir nicht genau, was wir dafür bekommen.“

Da, wo es nämlich dringend nötig wäre, die Energiewende in Nordrhein-Westfalen, die ja nun bekanntermaßen hier stockt, voranzubringen, hilft dieses Gesetz überhaupt nicht weiter.

Genauso wie wir sehen das übrigens auch die Gewerkschaften. Ich zitiere aus der Anhörung vom 25. Oktober 2012 Waldemar Bahr von der IG BCE zu der Frage, ob das Klimaschutzgesetz etwas für diese Bereiche bringt, die für die Energiewende wichtig sind, wie zum Beispiel Netzausbau: Da sagt das Klimaschutzgesetz erst einmal gar nichts und trägt nichts dazu bei.

Wenn Sie uns schon nicht glauben, liebe Kollegen der SPD, sollten Sie doch vielleicht wenigstens auf die Gewerkschaften hören. Aber offenbar sind Sie auf diesem Ohr inzwischen auch taub geworden.

(Zurufe von der SPD)

Herr Minister Remmel, Sie haben in der letzten Woche gesagt, es gehe um eine gesellschaftliche Leitentscheidung für den Klimaschutz. Die Leitentscheidung ist in Deutschland längst gefallen. Wir können uns streiten, ob wir den Beitritt zum sogenannten Berliner Mandat 1995 oder das KyotoProtokoll 1997 oder die Ratifizierung 2002 als Datum für die Leitentscheidung in Deutschland nehmen. Die Frage ist vielleicht müßig. Die Tatsache ist aber, dass seit mehr als 15 Jahren der Klimaschutz in Deutschland politischer und gesellschaftlicher Konsens ist. Schon an diesen Daten kann jeder sehen, dass Klimaschutz, Herr Remmel, lange, lange vor Ihnen begonnen hat.

Die CDU hat hier wahrlich keinen Nachholbedarf. Wir wissen, dass die Umweltwirtschaft bereits die dynamischste Wachstumsbranche in Deutschland ist. Wohlverstandener, geschickt initiierter Klima- und Umweltschutz führt zu wirtschaftlichem Wachstum und großen Exporterfolgen. Dazu leistet Ihr Gesetz aber keinen einzigen Beitrag.

Deutschland hat seine Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll eingehalten. Mit diesem Gesetz, Herr Remmel, das Sie heute hier verabschieden lassen wollen, wird es keinen Tag schneller gehen.

Vor einigen Wochen, am 28.11.2012, haben wir über die von Ihnen immer noch zurückgehaltene

Prognos-Studie debattiert. Mittlerweile sind aber Einzelheiten über die Medien in die Öffentlichkeit gelangt. Nehmen Sie sich diese Studie doch zu Herzen. Dort steht mit entwaffnender Eindeutigkeit: Wenn Sie die Klimapolitik der Bundesregierung hier in Nordrhein-Westfalen nur umsetzen würden, würden Sie die Klimaziele erreichen und würden nicht die Wirtschaft hier schädigen.

(Beifall von der CDU)

Der DGB-Vertreter in der Anhörung hatte doch recht, als er seinen Landesbezirksleiter zitierte: Wir brauchen eigentlich kein Klimaschutzgesetz. – Recht hat er.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, schützt nicht das Klima. Aber es gefährdet die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen. Nur wem das gleichgültig ist, der wird heute diesem Gesetz zustimmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Deppe. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Brems.

„Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern.“ – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl dieses Zitat aus einem Roman stammt, ist dessen Inhalt doch absolut wahr. Denn die Gefährten aus Tolkiens „Herr der Ringe“ haben genau das gezeigt: Es bedarf eines Mutigen, der sich traut, voranzugehen. Aber um alle Hürden zu überwinden und Angriffe von allen Seiten zu überstehen, sind Gefährten nötig. Dann ist es machbar, die Welt vor Schlimmem zu bewahren.

Und auch der Klimaschutz braucht Mutige, die vorangehen. Klar ist: Alleine retten wir, das Land Nordrhein-Westfalen, das Klima sicherlich nicht. Aber auch als kleiner Teil dieser Welt können wir dessen Schicksal ändern. Denn ohne NordrheinWestfalen sind die Ziele dieser Bundesregierung niemals zu erreichen. Und erreicht Deutschland die Ziele nicht, dann sind auch die Ziele der EU absolute Makulatur, und das hätte negative Auswirkungen auf alle internationalen Bemühungen zum Schutz des Klimas.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen will nicht nur das Klima schützen. Vielmehr wollen wir Nordrhein-Westfalen auch den Klimaveränderungen anpassen. Denn eines ist ganz klar: Auch in den letzten 60 Jahren gab es schon Klimaveränderungen hier bei uns. Vegetationszeiten haben sich verändert, Jahreszeiten verlagern sich, der Herbst wird länger, der Winter wird kürzer.

Dann fragt man sich: Ist das Ganze denn wirklich dramatisch? – Die Landwirtschaft merkt es schon, und auch in Zukunft wird es weitere Veränderungen geben. Projektionen des Landesumweltamts für die Periode zwischen 2031 und 2060 sagen ganz klar einen Anstieg der durchschnittlichen Temperatur und Niederschlagsmengen um ca. 5 % voraus – eher im Winter als im Sommer –, und das hier vor Ort in Nordrhein-Westfalen. Das Ganze kann – Herr Meesters hat es eben schon ausgeführt – zu Zunahmen von Wetterextremen wie starken Gewittern und Hitzewellen führen.

Das sind Auswirkungen, die hinterher nicht nur die Landwirtschaft bemerkt. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat in einer aktuellen Erhebung festgestellt, dass für 2030 43 % der deutschen Unternehmen negative Auswirkungen auf ihr Unternehmen durch den Klimawandel erwarten.

Wir wollen mit dem Klimaschutzgesetz NordrheinWestfalen Bürgerinnen, Industrie und Verbände im Klimaschutzplan mitnehmen. Der Prozess wurde – bisher einmalig – so im Februar 2012 gestartet. Die Unterlagen sind für alle transparent erhältlich. Es wird wissenschaftlich begleitet und in einer breiten Beteiligung in den nächsten Monaten weiter erarbeitet.

Mit dem Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen wollen wir vorangehen und unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen fitmachen. Klar ist: Stahl und Kohle haben NRW groß gemacht, aber neue Technologien werden NRW groß halten.

Auch wenn Teile der Opposition und Teile der Wirtschaft es selbst noch nicht glauben: In der Welt gibt es ebenfalls Veränderungen. Der aktuelle, wiedergewählte Präsident der USA, Obama, hat bei seiner Einführung in seine zweite und damit letzte Amtszeit – das bedeutet, dass er offener über alles reden kann – gesagt:

„Wir, das Volk, glauben immer noch, dass unsere Verantwortung als Amerikaner nicht nur gegenüber uns selbst gilt, sondern gegenüber allen unseren Nachkommen. Wir werden auf die Bedrohung des Klimawandels reagieren. Denn wir wissen, dass wir, wenn wir dies unterlassen würden, unsere Kinder und zukünftigen Generationen verraten würden.“

Weiter geht er in einer zuvor nie gekannten Deutlichkeit vor:

„Wir können die Technologie, die neue Jobs und neue Industrie schafft, nicht anderen Ländern überlassen. Wir müssen sie für uns beanspruchen. So werden wir unsere Wirtschaftskraft erhalten.“

Wenn Herr Obama das für die USA so sagt und erkennt, dann sollten auch Sie das endlich für Nordrhein-Westfalen und für unsere Region erkennen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen mit dem Klimaschutzgesetz NordrheinWestfalen auch für die Landesregierung mit einem guten Beispiel vorangehen. Denn sie setzt sich hier das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahr 2030. Das bedeutet große Anstrengungen und große Veränderungen im Bereich der Gebäude bei Neuanschaffung, aber eventuell auch irgendwann beim Verhalten.

Zu guter Letzt will das Klimaschutzgesetz Kommunen unterstützen. Denn in den Kommunen finden die Klimaveränderungen, aber auch Projekte statt. Kommunen wie Saerbeck und Bocholt werden zu „NRW-Klimakommunen“. In Kommunen werden Projekte wie der „Bürgerwindpark Hilchenbach“ und „InnovationCity Ruhr – Modellstadt Bottrop“, die Initiative „Bergisch energisch!“, die Klimasiedlung in Bielefeld und das „ENERGETICON“ im Aachener Raum umgesetzt.