Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Die SPD ist der Auffassung, dass die Menschen auch bei 1,99 € viel erwarten können.

(Beifall von der SPD)

Den Lebensmittelverarbeitern hätte es bei strikter Eigenkontrolle doch auffallen müssen, dass sie kein Rindfleisch verarbeiten. Das System der Eigenkontrolle hat offensichtlich versagt. Wir unterstützen daher die Forderung nach einer Konkretisierung der Eigenkontrolle ausdrücklich.

Als dann Pferdefleisch entdeckt wurde, konnten die Unternehmen die Produkte still und leise aus dem Handeln nehmen. Denn eine Mitteilungspflicht an die Behörden besteht nicht. Hier ist dringender Regelungsbedarf.

Herr Minister Remmel hat daraufhin die Unternehmen bzw. die Verbände gebeten, im Internet selbst eine Liste anzulegen. Und es ist nichts geschehen. Die SPD-Fraktion bedauert es, dass der deutsche Lebensmittelhandel nicht in der Lage war, eine solche Liste zu erstellen. Über die Seite Rückrufe.de haben Bund und Länder eine Übersicht für die Verbraucher angeboten. Ziel muss es aber sein, dass die Behörden in die Lage versetzt werden, alle Unternehmen öffentlich zu nennen, wenn solche Verbrauchertäuschungen vorliegen.

Frau Schulze Föcking, heute Abend hat Frau Aigner im Bundestag einen Beschlussvorschlag präsentiert, wonach genau diese öffentliche Nennung möglich sein soll. Man denkt erst einmal: Toll, gut gemacht. Aber man muss genau auf die Formulierung achten. Es wird eine Soll- und keine Muss-Lösung sein. Also: Gut gemeint, aber schlecht gemacht, Frau Aigner.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Meine Damen und Herren, es muss gewährleistet sein, dass die Strafen für diese Täuschung nicht aus der Portokasse bezahlt werden können. Das Strafmaß muss der Täuschung angemessen sein. Unrechtsgewinne müssen abgeschöpft werden und der Verbraucherarbeit zugutekommen.

Frau Aigner hat mal wieder einen 10-Punkte-Plan vorgelegt: mal wieder. Darin hat sie angekündigt, dass sie eine Kennzeichnung von Fleisch in Fertigprodukten will. Aber wenn man ein, zwei Jahr zurückgeht, ist Frau Aigner diejenige gewesen, die in Europa die Durchsetzung der Kennzeichnung verhindert hat. Und auf einmal fordert sie die Kennzeichnung. Das ist wohl wieder nur eine Ankündigung. Wir brauchen eine strikte Umsetzung und keine Ankündigungsministerin.

Bund und Länder sind aufgefordert, die kriminellen Strukturen zu identifizieren und zu bekämpfen.

Aber zu den Strukturen, von denen schon jetzt völlig klar ist, dass sie geändert werden müssen, gehören auch die Lohnstrukturen auf den Schlachthöfen. Die

Niedriglöhne, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Schlachthöfen auskommen müssen, gehören zu den schlimmen Folgen daraus, dass der Wettbewerb auf dem Lebensmittelmarkt im Wesentlichen über den Preis und nicht über die Qualität geführt wird.

Gleichzeitig sind diese Niedriglöhne die Konsequenz daraus, dass sich die Bundesregierung weigert, die vorhandene Gesetzeslücke in diesem Bereich endlich zu schließen und die unsäglichen Praktiken des Lohndumpings in der Schlachtbranche durch Werkverträge und Scheinselbstständigkeit zu unterbinden. Es ist daher wichtig, dass die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 € morgen im Bundesrat diskutieren wird.

Zum Schluss gab es Vorschläge aus den Reihen der schwarz-gelben Bundesregierung, die Lebensmittel an Arme zu verteilen. – Ich halte diese Forderung für zynisch. Denn Arme sind doch keine Verbraucher zweiter Klasse. Wir haben Lebensmittel, die nicht das enthalten, was drin sein soll, und möglicherweise enthalten sie auch noch Medikamente. Kirchen und Sozialverbände haben diesem Vorschlag eine eindeutige Absage erteilt.

Pferdefleisch in Fertigprodukten, Eier, die falsch ausgezeichnet sind, all das macht deutlich, wie wichtig die Lebensmittelkontrollen in unserem Lande sind. Verbraucherinnen und Verbraucher haben einen Anspruch darauf, dass auch preiswerte Lebensmittel gut und qualitativ hochwertig sind. Und sie haben einen Anspruch darauf, präventiv informiert zu werden. Dazu brauchen wir klare und verbindliche gesetzliche Grundlagen des Bundes und keine halbherzigen Entscheidungen.

Ich bitte Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Blask. – Nun spricht für die Grünen-Fraktion Herr Kollege Rüße.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich Schimmel auf einer Lasagne mal so relativ harmlos sehen würde, seitdem wir über Schimmel in der Lasagne reden.

Ich halte es für sehr gut, dass Sie heute diesen Antrag gestellt haben. Ich finde es richtig, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen. Es ist ein guter Impuls. Er hätte es verdient, heute Abend etwas eher diskutiert zu werden.

Wenn ich mir Ihren Antrag jedoch genauer ansehe, stelle ich fest: Sie reiten damit eindeutig Hindernis vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man hat leider das Gefühl, mit Ihrem Antrag geht es Ihnen vor allem darum, wieder einmal Ihre Kernbotschaft loszuwerden, wonach 99 % aller Bauern und Lebensmittelhersteller korrekt arbeiten. Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt. Dazu braucht es diesen Antrag nicht. Keiner von uns im Raum glaubt, dass das falsch ist. Wir sind doch alle davon überzeugt, dass 99 % korrekt arbeiten. Es geht aber in der Tat um dieses 1 % schwarzer Schafe.

Das zweite Problem ist: Sie verweigern sich komplett der Einsicht, dass dieser Skandal auch systembedingt ist. Wir hätten das doch gar nicht geglaubt. Wir stehen alle wieder einmal staunend davor, wie die Nahrungsmittelindustrie funktioniert.

Produktionsketten und Handelswege einer modernen Industrie offenbaren sich: Ein Tiefkühlkosthersteller in Frankreich ordert Fleisch bei einem südfranzösischen Unternehmen. Das wiederum bestellt Fleisch über einen zypriotischen Zwischenhändler, der das Fleisch aus Rumänien organisiert. – Dass auf solch weiten Wegen quer durch Europa und wieder zurück schon einmal ein Pferd zu Rind wird, kann uns eigentlich nicht wirklich erstaunen, auch wenn wir etwas anderes erwarten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Deppe?

Nein, jetzt nicht, sonst immer gern.

Jetzt nicht? – Gut.

Es geht doch nicht immer, Herr Deppe. – Dieses System aus internationalen und weit verzweigten Produktionsketten hat am Ende nur ein Ziel. Es geht um den billigsten Preis am Markt.

An der Stelle müssen wir uns als Verbraucherinnen und Verbraucher doch einmal fragen, welche Qualität so ein geschenkter Gaul in der Lasagneform für 1,29 € überhaupt hat. Ganz wichtig finde ich: Dies gilt nicht nur für uns Konsumenten. Das gilt auch für diejenigen, die mit dem Fleisch handeln und das Fleisch verkaufen. Auch Manager in der Lebensmittelkette müssen genau wissen, was sie zu Billigpreisen einkaufen und dann an andere weiterverkaufen. Wenn die uns weiß machen wollen, dass sie ein Qualitätsprodukt verkaufen, dann wiehern doch nur noch die Pferde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Lebensmittelhandel ist an der Stelle eben nicht nur ein Opfer. Er ist genauso ein Täter. Er ist für diese Skandale mitverantwortlich.

Allerdings müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die Strukturen im Moment so sind wie sie sind. Deshalb müssen wir zu allererst die Hersteller dazu bringen, dass sie ihre waghalsigen Produktionssysteme – denn es sind waghalsige Systeme – durch verantwortungsbewusste starke Eigenkontrollen absichern.

Wir müssen aber auch über unsere eigenen staatlichen Kontrollsysteme diskutieren. Sind sie ausreichend? Sind sie der Zeit noch angepasst? Natürlich sind unsere Kontrollsysteme noch auf den Metzger vor Ort ausgerichtet. Wir haben aber eben Großschlachthöfe, und die Händler sitzen ganz woanders. Darauf muss man entsprechend reagieren.

Wir sehen in dem Zusammenhang die Einrichtung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften und vor allem auch die komplette Abschöpfung erzielter Unrechtsgewinne als ganz wichtige Instrumente an, um solche krummen Geschäfte demnächst nicht mehr lukrativ sein zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben besseren Kontrollen und höheren Strafen brauchen wir aber vor allem eine lückenlose Kennzeichnung. Wir hätten uns in der Vergangenheit wirklich gefreut, wenn uns andere dabei einmal unterstützt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar und sofort auf der Verpackung erkennen können, was in der Lasagne ist und woher die Zutaten kommen. Wir wollen kurz und knapp, dass Ross und Reiter klar genannt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben besseren Produktkontrollen und besseren Informationen wollen wir aber auch einen Systemwechsel. Wir wollen, dass regionale kurze Wertschöpfungsketten wieder gestärkt werden. Es ist aber klar: Da bedarf es in Berlin einer 180-GradKehrtwende in der aktuellen Agrarpolitik. Dafür ist die Zeit auch reif. Das zeigen die Skandale der Vergangenheit.

Ich komme zum Schluss. Um solche Skandale zukünftig besser verhindern zu können, brauchen wir einen Dreiklang aus verbesserten Kontrollen, besserer Förderung regionaler Wertschöpfungsketten und nicht zuletzt auch aus besserer und intensiverer Verbraucherbildung. Nur wenn wir eine andere Wertschätzung für Lebensmittel erreichen, wenn wir wieder einen kritischen Blick der Verbraucherinnen und Verbraucher auf das erreichen, was sie jeden Tag essen, bekommen wir es hin, dass wir gegenkontrollieren, was uns Lebensmittelhersteller und Lebensmitteleinzelhandel jeden Tag auftischen.

Zu dieser Problemlösung trägt unser Entschließungsantrag deutlich stärker bei als Ihr ursprünglicher Antrag. Deshalb bitte ich, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen, und sage in diesem

Sinne noch: Augen auf beim nächsten Lasagnekauf!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Höne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Blask, ich bin eben schon einmal in die zweite Runde gegangen und habe auf die Aussage von Herrn Minister Remmel erwidert. Ich muss es jetzt noch einmal sagen: Bei dem Thema besteht eigentlich fraktions- und parteiübergreifend zumindest im Ziel eine große Einigkeit. Das hat im Übrigen schon die Diskussion im Umweltausschuss gezeigt. Dieses Hineininterpretieren bei einem solchen Thema, nur um an Ende ein kleine Differenz im Detail zu finden, ist nicht nur unsouverän, sondern auch irgendetwas zwischen albern und lächerlich und Wahlkampfgetöse.

An dieser Stelle erneut das Wort im Mund herumzudrehen, gehört weder in diese Debatte, noch wird es der Sache gerecht. Es sollte von Ihnen auch nicht weiter fortgetrieben werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, einen entsprechenden Beitrag dazu zu leisten, die aktuellen Lebensmittelskandale lückenlos aufzuklären und dementsprechend eine sachliche Debatte zu führen, die dazu beiträgt. Unserer Meinung nach trägt der Antrag der CDU-Fraktion zu dieser Versachlichung bei. Wir unterstützen diesen Antrag in seinen drei Beschlusspunkten.

Erstens. Lückenlose Aufklärung ist erforderlich. Herr Minister Remmel, hier sind Sie als Verbraucherschutzminister höchstpersönlich in der Pflicht.

Zweitens müssen wir insbesondere vorhandene Strukturen in der Branche analysieren und Optimierungsvorschläge unterbreiten. Zum Beispiel ist dabei eine stärkere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen geboten.