Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/748

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Drucksache 16/2244 zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Breuer das Wort für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Entflechtungsmittelzweckbindungsgesetz hat nicht nur einen vielversprechenden Namen, sondern es hält auch, was es verspricht. Dieses Gesetz bindet die Mittel, die das Land Nordrhein-Westfalen nach dem Entflechtungsgesetz des Bundes noch – noch! – erhält, an einen bestimmten Zweck. Das soll auch so bleiben.

Dabei geht es immerhin um die zweckgerichtete Bindung von etwa 470 Millionen € pro Jahr, die wir vom Bund als Kompensation dafür erhalten, dass dem Land nach der ersten Föderalismusreform ab dem Jahr 2007 bestimmte Aufgaben zugefallen sind. Zu diesen Aufgaben zählen neben der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden die soziale Wohnraumförderung, der Ausbau und Neubau von Hochschulen und Hochschulkliniken sowie die Bildungsplanung.

Für die Finanzierung dieser wichtigen Politikbereiche schaffen wir mit diesem Gesetz Rechtsklarheit und Planungssicherheit, soweit uns das als Landesgesetzgeber möglich ist. Wenn Ende dieses Jahres die bisherige Zweckbindung des Bundes wegfällt, könnten wir die Mittel auch anderen investiven Zwecken zuführen. Das wollen wir jedoch nicht. Wenn der Bund uns weiterhin Mittel bereitstellt, dann werden wir diese auch weiterhin sinnvoll einsetzen: für die Mobilität der Menschen in den Städten und Gemeinden, für bezahlbaren sozialen Wohnraum, für gute Hochschulen und Hochschulkliniken sowie für die Bildungsplanung.

Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hat deutlich gemacht, dass wir mit der Weiterverfolgung der Finanzierung dieser Zwecke absolut richtig liegen. Alle Expertinnen und Experten haben uns darin bestärkt, die bestehende Zweckbindung aufrechtzuerhalten. Sie haben sich dafür ausgesprochen, die Förderungen fortzusetzen, für die diese Mittel unerlässlich sind.

Die in der Anhörung gemachten Anregungen zur Öffnung der Zweckbindung für Erhaltungsinvestitionen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs werden wir uns näher ansehen. Wir wollen prüfen, ob die bisherigen untergesetzlichen Regelungen ausreichen, um auch dem enorm gestiegenen Bedarf an Mitteln für den Erhalt von Investitionen Rechnung zu tragen.

Gleichwohl dürfte uns allen klar sein, dass wir für eine Ausweitung der Zweckbindung eigentlich mehr Geld bräuchten. Im Moment müssen wir uns aber große Sorgen machen, ob wir im kommenden Jahr überhaupt noch Mittel vom Bund bekommen. Nach unseren Informationen will der Bundesfinanzminister die erforderlichen Mittel nicht einmal für das Jahr

2014 freigeben. Es liegt nur ein Gesetzentwurf vor, der nicht beschlossen ist.

Deshalb herrscht auch in der kommunalen Szene große Verunsicherung, wie es zum Beispiel mit dem kommunalen Straßenbau weitergeht. Man weiß, dass zurzeit keine neuen Maßnahmen bewilligt werden. Es müssen auch Verpflichtungsermächtigungen aus den Vorgängerjahren abgearbeitet werden.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir heute ein eindeutiges Signal an den Bund senden, dass er sich nicht aus der Verantwortung stehlen darf; denn der Bund ist auch in der Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung – dafür, dass die Investoren noch attraktivere Konditionen bekommen können.

(Beifall von Gordan Dudas [SPD])

Es reicht eben nicht aus, runde Tische für die Studentenwohnraumförderung einzurichten. Vielmehr müssen attraktive Förderkonditionen für die Studentenwerke angeboten werden, die wir jetzt auch haben.

Wir brauchen weiterhin erhebliche Mittel für die Investitionen in die Verkehrsverhältnisse, sowohl in Schiene und ÖPNV als auch in Straße und Nahmobilität. Die Sicherung der nachhaltigen Mobilität der Menschen bleibt weiterhin eine Aufgabe, die Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam bewältigen können.

Wir appellieren deshalb sehr deutlich an den Bund, dass er sich hier nicht aus der Verantwortung stiehlt. Es geht um die Sicherung der Finanzierung des Hochschulbaus, der sozialen Wohnraumförderung und der Investitionen in Schiene und Straße in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Ich bin froh, dass wir diesen Appell heute wohl mit breitester Mehrheit an den Bund richten können, weil möglicherweise alle Fraktionen diesen Gesetzentwurf heute mitbeschließen. Herr Schemmer, die Hand ist ausgestreckt. Schlagen Sie ein, und unterstützen Sie diesen Gesetzentwurf! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der von Ihnen angesprochene Kollege Schemmer hat jetzt auch das Wort. Bitte, Herr Kollege Schemmer.

(Gordan Dudas [SPD]: Er kann es auch kaum erwarten!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Breuer, Sie brauchen uns nicht darauf hinzuweisen, welche

Dinge wir zu tun haben und welche Dinge wir nicht zu tun haben. Das machen wir schon. Im Ergebnis kommen wir auch dazu, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Über die Geschichtsklitterung, die Sie zwischendurch gemacht haben, müssen wir uns aber mal unterhalten.

Wir reden über die Regelung der Föderalismusreform I zu Hochschulen, Bildungsplanung, Finanzhilfen, Wohnraumförderung und Verkehrsverhältnissen. Das waren ja die Auswüchse des

Koch/Steinbrück-Papiers. Anschließend fängt die Geschichte aber schon an, etwas kritisch zu werden.

Hier einfach die Behauptung in die Welt zu setzen, die Bundesregierung würde Finanzhilfen für 2014 nicht zur Verfügung stellen, ist schlicht dreist; denn der Bundestag hat mit der Regierungskoalition aus Schwarz und Gelb bereits eine entsprechende Beschlussfassung vorgenommen. Es fehlt nur noch die Zustimmung des Bundesrates.

Gestatten Sie mir folgenden Hinweis: Sagen Sie mir mal, wo diese Landesregierung Dritten gegenüber bereits heute, obwohl sie das nicht muss, finanzielle Zusagen für 2014 gemacht hat! Einen solchen Fall kenne ich nicht. Eigentlich spielt es aber auch keine Rolle.

Im Übrigen kann ich Ihnen gerne helfen. Bei diesem von Schwarz und Gelb eingebrachten Gesetzentwurf handelt es sich um die Bundestags

Drucksache 17/12296. Noch einmal: Die Kompensationszahlungen werden kommen.

Was nicht kommt, ist Folgendes: Im Jahre 2013 sind vom Bund GVFG-Mittel in Höhe von

260 Millionen € angekommen, davon die Hälfte für die Schiene. Bei diesen 130 Millionen € haben Sie, bei den Regionalräten etwas unterschiedlich, Kürzungen auf 10 bis 20 % der früheren GVFG-Mittel vorgenommen – offensichtlich, um Ihre wie auch immer gearteten Altlasten zu bedienen.

(Reiner Breuer [SPD]: Wenn, dann Ihre!)

Wenn Sie mir sagen, das seien alles Anfinanzierungen, dann kann ich Ihnen sagen: Die Anfinanzierungen können so klein nicht sein. Nein, Sie missbrauchen die noch nicht vorliegende Zusage bis 2019 dazu, den Kommunen bestimmte Finanzmittel für den Bereich Verkehr vorzuenthalten.

So schlecht Ihre praktische Umsetzung von Politik auch sein mag, sind wir gleichwohl dafür, dass die Kunden, wenn Sie so wollen, in diesem Falle die Kommunen, der Wohnungsbau und die Hochschulen, wissen, woran sie sind. Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf mittragen: um den Beteiligten Rechts- und Planungssicherheit zu geben.

Sie sollten in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass die Gelder auch zweckentsprechend eingesetzt werden. Dafür habe ich Ihnen ein Beispiel genannt. Ich könnte Ihnen auch noch die 7 Millionen € nen

nen, die Sie zum Abbruch von Wohnraum statt zur Förderung des Wohnungsneubaus nehmen. Es gibt auch noch ein paar andere Dinge, die wir aber hier jetzt nicht diskutieren müssen.

Ich glaube, wichtig ist die grundsätzliche Aussage, dass wir eine vernünftige Regelung für NordrheinWestfalen finden sollen. Und dazu tragen wir bei. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Beu das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz tun wir etwas zum Wohle der kommunalen Familie, was wir eigentlich nicht tun müssten: Wir binden uns selber! Wir erreichen, dass die Mittel, die wir vom Bund erhalten, zukünftig auch an die kommunale Familie fließen, dass die Kommunen Planungssicherheit haben, dass sie Rechtssicherheit haben, und zwar im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Städte, im Interesse der Gemeinden, im Interesse der Gemeindeverbände.

Ich glaube, auch die Festlegung auf die vier Hauptpunkte – Verkehrsinfrastruktur, Aus- und Neubau von Hochschulen, soziale Wohnraumförderung und Bildungsplanung – ist absolut korrekt und keinesfalls zu beanstanden.

Das Einzige, was wir in Zukunft noch mal diskutieren müssen, ist die Frage der Reinvestitionen, also des Erneuerungsbedarfs bei öffentlichen Verkehrsmitteln und öffentlichen Verkehrseinrichtungen. Wir wissen alle, dass in vielen Städten des Landes in den 60er-, 70er-Jahren Stadtbahnanlagen und UBahn-Anlagen gebaut wurden, die inzwischen so marode sind, dass sie nur mit großen Investitionsbedarfen langfristig erhaltbar sind. Der VDV rechnet mit einem jährlichen Finanzbedarf von 660 Millionen € bis 2016 und sogar mit über 1 Milliarde € im Folgezeitraum bis 2025.

Man kann es in der Verwaltungspraxis so lösen, dass man die Mittel hierfür nach dem jetzigen Gesetz zur Verfügung stellt. Andererseits sind diese Summen nicht ausreichend. Man kann trefflich darüber streiten, ob die jeweiligen Kommunen nicht hätten Rücklagen bilden müssen, um ihren Investitionsbestand zu erhalten. Das wäre vernünftig gewesen. So wie fast jeder private Hausbesitzer vorgeht! Aber die Welt ist nun einmal so, wie sie ist. Wir werden natürlich nicht hingehen, Herr Ellerbrock, und sagen: Etlichen Städten geben wir nichts. Wenn ihr nichts mehr habt, wird der Verkehr eben eingestellt. – Das wäre eine unverantwortliche Politik, die wir nicht tätigen wollen und werden.

Wie gesagt: Dieser Frage werden wir uns noch mal allgemein widmen müssen. Dem jetzigen Gesetzentwurf kann man nur zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Beu. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Ellerbrock zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Groschek, Sie haben Herrn Schemmer doch eben gehört. So schlimm ist er doch gar nicht. Er hat Bedenken und stimmt zu. Man muss nur auf den Mann zugehen. So einfach ist das.

(Heiterkeit – Reiner Breuer [SPD]: Aber es ist nicht immer so!)

Herr Kollege Schemmer, wenn der Kollege Breuer nicht weiß, dass die Bundesregierung den Antrag für 2014 schon gestellt hat, die entsprechenden Mittel bereitzustellen – dass das noch nicht in Gesetzesform gegossen worden ist, liegt daran, dass der Bundesrat noch nicht zugestimmt hat –, dann ist er eben nicht vollständig informiert. Den Kollegen müssen sie nicht so vorführen. Das macht man nicht.

Meine Damen und Herren, auch die FDP sagt eindeutig Ja zu den Fördermitteln, die wir aus Berlin bekommen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Fördermittel zweckentsprechend eingesetzt werden. Das ist die Selbstbindung, von der Sie, Herr Beu, eben gesprochen haben. Dafür müssen wir sorgen. Auch die Prioritäten sind da richtig. Darüber brauchen wir nicht lange zu reden.

Man sollte, auch wenn die Regierung hier eine andere Farbgebung hat, einfach anerkennen, dass der Bund – sicherlich aus einer Verpflichtung heraus – seit Jahren verlässlich Mittel zahlt, die dann auch zielgerichtet eingesetzt werden müssen, wobei wir durchaus Freiheit haben. Ich vergebe mir in der jetzigen Situation nichts, wenn ich aus NordrheinWestfalen sage: Danke schön Bund! Weiter so! Die Mittel können wir gut gebrauchen und werden sie auch weiter zielgerichtet einsetzen. – Dabei vergebe ich mir doch nichts. Stark zu sein heißt, Schwäche zeigen zu können. Ein Dankeschön – das habe ich gelernt – kann nie falsch sein. Deswegen könnten wir das hier eigentlich mal so deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist allerdings, dass wir die Zweckbindung, die Selbstbindung auch wirklich durchführen.