Das ist eine längerfristige Diskussion; das ist völlig klar. Wir müssen darüber aber in einen Diskurs kommen. Wenn man sich die weltweiten Steigerungen der Produktivitätsraten ansieht, kann man schnell auf die Idee kommen, dass wir uns eigentlich in der Übergangsphase von einer Arbeitsgesellschaft in eine Tätigkeitsgesellschaft befinden. Und dann geht es um den Wert der Tätigkeit und nicht mehr um den Wert der Arbeit.
Wollen wir mit ungebremstem Wachstum die regionalen Gerechtigkeitsdefizite ausgleichen, oder müssen wir uns nicht andere Wege erschließen? Wir brauchen darüber hinaus eine wesentlich stärkere Verbindung von technischen Innovationen mit sozialen Innovationen. Technik trifft auf Kultur, und Kultur trifft auf Technik – eine wirklich innovative Mischung.
Eine höhere Besteuerung derjenigen, die sich finanziell keine großen Sorgen machen müssen, ist nicht nur vertretbar, sondern nach unserer Auffassung aus Gerechtigkeitsgründen geboten. Für uns als Piratenfraktion geht es deshalb auch darum, die Ungleichheit in unserem Land aktiv zu bekämpfen. Das hätte vor allem steuerrechtliche Konsequenzen. Denn über das Steuersystem wurde die Ungleichheit am gröbsten verschärft. Veränderungen müssen bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer ansetzen, einer höheren Erbschaftsteuer,
und natürlich muss endlich eine wirkliche Finanztransaktionssteuer eingeführt werden – und nicht dieses EU-Merkel-Ding, dieser steuerpolitische Rohrkrepierer.
Konjunkturell wären diese Veränderungen der Besteuerung in keinem Falle schädlich. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik in Deutschland ist ganz generell gesprochen nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sie läuft den Krisenentwicklungen hoffnungslos hinterher. Wir sind sicherlich dafür, dass man finanzpolitisch vernünftig agiert. Es geht also nicht darum, dass der Staat möglichst viel Geld zum Fenster hinauswirft. Im Gegenteil: Wir wären wesentlich härter, was Steuersenkungen anbelangt, als es die Wirtschaftspolitik der letzten zehn bis 15 Jahre war. Wir sind auch gegen unspezifische Ausgabenprogramme.
Die Piratenfraktion ist aber vor allem dafür, dass die Wirtschaftspolitik endlich eines erkennt: Das Wirtschaftssystem ist aus sich heraus instabil. Es bedarf eines gemeinwohlorientierten politischen Gegenparts, um es insgesamt stabil zu halten. Wenn dieser Gegenpart nicht in hinreichender Stärke vorhanden ist, bleibt es bei genau den krisenhaften Entwicklungen, wie wir sie heute in ganz Europa und auch hier in Nordrhein-Westfalen vorfinden.
Ich möchte nicht schließen, ohne einen Appell an die regierungstragenden Fraktionen von Rot-Grün zu richten, die wenigen von uns gestellten Anträge – insbesondere zu Open Government, zum ÖPNV und zur Bildung – mitzutragen. Geben Sie sich doch einfach mal einen Ruck! Gegebenenfalls wären wir dann unsererseits vielleicht auch bereit, den Haushalt mitzutragen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung erteile ich nun der Ministerpräsidentin Frau Kraft das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in der Debatte über den Haushalt 2013. Bevor ich zu dem komme, was ich mir ursprünglich vorgenommen hatte, eine kurze Replik auf das, was vorhin in der Debatte gesagt worden ist.
Lieber Herr Kollege Lindner, ich finde, Sie müssten sich gut überlegen, ob Sie sich auf ein solch moralisch hohes Ross setzen. Der Kollege der Grünen hat gerade schon in Bezug auf die Klage gegen den
Landeshaushalt gesagt: Die Regierung von CDU und FDP, die fünf Jahre lang hier regiert hat, hat zehn Klagen vor dem Verfassungsgericht verloren. Acht davon haben Sie selbst entgegengenommen, zwei haben wir an Ihrer statt entgegengenommen. Wir zahlen heute noch Hunderte von Millionen Euro für das, was das den Landeshaushalt an zusätzlichen Belastungen kostet.
Lieber Herr Kollege Lindner, man darf auch daran erinnern, dass es ein FDP-Minister dieser Landesregierung war, der sogar eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verloren hat. Das war ziemlich einmalig für Nordrhein-Westfalen.
Warum spreche ich von einem moralisch hohen Ross? Zum einen sind Sie wie immer ungenau. Das habe ich Ihnen in den letzten Sitzungen schon mehrfach vorgeworfen.
Ich sage Ihnen, welche Stelle ich meine. Sie haben gerade ein Zitat des Finanzministers aus dem Bonner „General-Anzeiger“ gebracht, ohne es wortwörtlich vorzulesen, wenn ich mich richtig erinnere. Sie haben dabei außer Acht gelassen, dass der Kollege interveniert hat und dieses Zitat richtiggestellt worden ist. Das ist keine saubere Vorgehensweise in diesem Parlament, werter Herr Kollege.
Wirklich perfide ist, dass Sie dieser Landesregierung wiederum vorwerfen, Klimazertifikate auszugeben. Diese Entscheidung hat die RüttgersRegierung in Nordrhein-Westfalen getroffen, die Sie mitverantworten müssen – ob Ihnen das passt oder nicht, lieber Herr Kollege.
Wirklich Sorgen macht mir aber die Wortwahl, die Sie an den Tag legen. Sie sprechen davon, wir hätten Stellen in die Apparate verteilt. Der Begriff „Apparate“ – was ist das für ein Bild vom öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen
Dazu sage ich Ihnen. Zu jeder einzelnen dieser Stellen stehe ich. Denn wir sind Schritt für Schritt auf dem Weg, endlich damit Schluss zu machen, dass Menschen von einer Befristung in die nächste gehen. Wir wollen, dass sie ordentliche Stellen haben. Dazu steht diese Landesregierung. Das ist in diesem Paket enthalten.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von Karl-Josef Laumann [CDU] und Christian Lindner [FDP])
Dass Sie das Ganze immer noch unter der Überschrift „Privat vor Staat“ sehen, wissen wir. Dieser Irrweg hat das Land schon verdammt viel Geld gekostet. Ich erinnere nur an das, was Sie an strukturellen Veränderungen vorgenommen haben.
Herr Kollege Laumann, wir sollen die Strukturen verändern. Wir nehmen uns kein Beispiel an Ihnen, der Sie kommunalisiert haben, was das Zeug hielt, wozu wir hinterher den Kommunen die Zeche bezahlen mussten, weil Sie es nicht getan haben! Das gehört zur Wahrheit dazu.
Lieber Herr Kollege Lindner, was mich wirklich irritiert – offensichtlich liegt das an Ihrem letzten Wahlparteitag –: Bei der Energiewende und der Stromsteuer sind Sie einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Es ist eine gemeinsame Position von Rot und Grün,
die wir morgen in der Konferenz der Ministerpräsidenten diskutieren wollen. Offensichtlich sind Sie inzwischen von Berlin abgekoppelt und wissen nicht mehr, was in den Verhandlungsrunden auf den Tisch gelegt worden ist. Das ist die Wahrheit, die heute ans Licht kommt: Sie haben zu Berlin offensichtlich keinen Draht mehr.
Dass Sie uns in den Ländervergleich stellen und auch noch das Beispiel Sachsen nehmen, kreide ich Ihnen nicht an. Aber ich möchte, dass dann auch hier die ganze Wahrheit, für diejenigen, die uns zuhören, verfügbar ist: Sachsen hat 2013 ein Haushaltsvolumen von knapp über 16 Milliarden €. Davon sind über 6 Milliarden € aus dem Finanzausgleich, aus Bundesergänzungszuweisungen und aus Sonderzahlungen des Bundes. Das gehört auch zur Wahrheit. Das sollten Sie uns nicht als leuchtendes Beispiel vorhalten; denn das wäre für Nordrhein-Westfalen strukturell nicht gut.
Wir haben die fallende Linie fortgesetzt. Ich weiß, das bringt Sie zur Verzweiflung. Wir haben 2012 mal wieder besser abgeschlossen als geplant. Eine sparsame Haushaltsführung und eine Konsolidierung sind wichtig, und wir nehmen die Schuldenbremse sehr ernst.
Herr Laumann, Sie hatten ja in der ersten Lesung ein Problem mit dem Vergleich der Plan- und IstZahlen. Bei den jetzigen 3,4 Milliarden € ist sowohl weniger im Plan 2012 als auch im Ist 2012. Auch das nur an dieser Stelle.