Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. Ich übe es noch: Minister für Inneres und Kommunales. Beim nächsten Mal bekomme ich das ganz sicher hin. Erinnern Sie mich ansonsten daran.

Der Kollege Sieveke hatte vorhin signalisiert, auf weitere Minuten Redezeit zu verzichten. – Dann spricht jetzt für die SPD-Fraktion der Kollege van den Berg.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, man muss sich schon ein paar Gedanken darüber machen, wie man einen solchen Prozess angeht.

Ich habe beim letzten Mal, als wir darüber diskutiert haben, ja schon durchblicken lassen, dass ich selbst einmal in einer Ministerialverwaltung arbeiten durfte. Ich kann Ihnen versichern: Wenn Sie denen als Minister die Hausaufgabe geben: „Jetzt schreib mir mal ein kluges Transparenzgesetz auf“, dann haben Sie spätestens in einer Woche einen brauchbaren Vorschlag. Sie müssen diesen Vorschlag abstimmen, und es dauert noch etwas, bis dieses Gesetz das Licht der Welt erblickt. Aber Sie haben, wenn Sie das wollen, innerhalb einer Woche eine praktikable Lösung.

Die Frage ist trotzdem: Ist das der richtige Weg? Ich glaube, aus mehreren Debattenbeiträgen ist deutlich geworden, dass das ein schwieriger Prozess ist. Wir haben nämlich jetzt die Aufgabe vor uns, im Rahmen einer Open-Government-Strategie Transparenz in die Landesverwaltung zu bringen, also sozusagen die „Umkehr der Beweislast“. Wir müssen es schaffen, Daten prinzipiell transparent zur Verfügung zu stellen und nur im Umkehrschluss zu überlegen, welche Daten unter besonderen Geheimhaltungsgesichtspunkten nicht zur Verfügung gestellt werden.

Das ist schwierig. Man muss die Menschen mitnehmen, man muss abwägen, man darf nicht nur die Menschen in der Verwaltung mitnehmen, sondern man muss vor allen Dingen diejenigen mitnehmen, die davon betroffen sein werden.

Hamburg ist eine Stadt. Bremen, das Sie zitiert haben, das auch Einfluss auf den Gesetzestext, den Sie vorlegen, genommen hat, ist ebenfalls eine Stadt. Wir in Nordrhein-Westfalen aber haben 396 Kommunen und müssen das alles mitbedenken.

Deswegen will ich dafür werben, dass Sie nicht glauben, das Entscheidende sei, wer als Erster ein Dokument in den Landtag einbringt. Das Entscheidende ist vielmehr, dass wir an dieser Stelle einen ordentlichen Diskussionsprozess organisieren. Dieses Projekt ist jedoch viel zu wertvoll und viel zu wichtig, als dass wir es in kurzweiligen Abständen an dieser Stelle zerreden sollten.

Insofern sind wir dankbar. Ich will das – auch im Namen der SPD-Fraktion; Kollege Ganzke hat das vorhin ausgeführt – noch einmal betonen. Ihr Beitrag wird mit Sicherheit in die Diskussion einfließen. Aber ich bin wie viele Kollegen – Herr Sieveke hat das vorhin auch ausgeführt – skeptisch, dass wir mit einem solchen Text jetzt schon den Stein der Weisen haben. Wir müssen die Menschen mitnehmen.

(Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Herr Herrmann, „copy and paste“ reicht an der Stelle nicht. Man kann nicht aus verschiedenen Texten etwas zusammenschieben, ein paar Paragrafen noch selber formulieren und kann glauben, dass es damit getan ist. Es ist eine anspruchsvollere Aufgabe, gerade im Hinblick auf das Thema „Konnexität“.

Die Zwischenrufe „Wir haben das doch alles kostenlos für die Kommunen bereitgestellt, weil wir eine Software zur Verfügung stellen wollen“ waren ein Stück weit verräterisch. Ich bin sicher, dass Sie in diesem ersten Jahr hier im Landtag als Fraktion schon eine Menge gelernt haben. Aber glauben Sie mir – ich habe ein paar Jahre Kommunalpolitik hinter mir –: Da lernen Sie auch, dass es nicht allein die Software ist, sondern dass Menschen in Kommunalverwaltungen arbeiten, die das, was wir hier schnell beschließen, umsetzen müssen, dass da hohe Kosten entstehen und wir das insgesamt ein Stück im Blick haben müssen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will jetzt auf einen Punkt eingehen, der mich ein Stück weit gestört hat. Der erste Satz Ihres Gesetzentwurfs heißt:

„Das Prinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik verlangt einen Bürger, dem ein transparenter Staat gegenübersteht.“

Was heißt „gegenübersteht“? Das Wort, das mich gestört hat, ist das Wort „gegenübersteht“. Ich sage das sehr deutlich.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Machen Sie das mal! – Nicken von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Herr Paul, Sie nicken mit dem Kopf. Ich darf das doch formulieren, wenn mich an dieser Stelle ein Wort sehr deutlich stört.

Ich glaube, wir müssen ein anderes Verständnis von Menschen haben. Demokratie ist nicht irgendetwas, was einem gegenübersteht, ein Staat, der mir anonym gegenübersteht, von dem ich irgendwelche Daten abfordern kann, sondern das sind wir alle. Das demokratische Gemeinwesen sind wir alle. Und es geht nicht nur darum, zu gucken, dass wir Transparenz schaffen, sondern auch darum, dass wir die anderen Punkte, die sehr deutlich in der OpenGovernment-Strategie formuliert sind, nämlich Partizipation und Zusammenarbeit, hier ebenso einbauen und an dieser Stelle gleichgewichtig formulieren. Ich halte das für ganz wesentlich.

Herr Kollege van den Berg, nicht ganz überraschend kommt eine Zwischenfrage, dieses Mal von dem Kollegen Olejak. Würden Sie die zulassen?

Dann machen wir das.

Vielen Dank, Herr Kollege. Ist Ihnen bewusst, dass die Kommunen – ich weiß nicht, in welcher Kommune Sie persönlich in dieser Hinsicht früher tätig waren –, die das Ganze momentan in dieser Hinsicht aktiv vorantreiben und auch selber viel mehr Open Data fast wie nach einem Transparenzgesetz voranbringen, dies freiwillig tun, ohne von Ihnen in dieser Hinsicht sozusagen behindert zu werden – sehr „nett“ im Übrigen? Ist Ihnen das klar? Die machen das freiwillig.

Herr Kollege, ich weiß nicht, von welcher Kommune Sie gesprochen haben, aber mir ist bewusst – ich kann Ihnen von meiner und von anderen Kommunen berichten –, dass es in Kommunen wie Köln ganz klar zur Strategie gehört, Daten bereitzustellen, um die Akzeptanz für Entscheidungen zu verbreitern. Das ist auch der Sinn der Sache. Der Sinn der Sache ist nicht, dass wir sagen: Die Demokratie ist jetzt so, wie sie ist, fertig.

Als Willy Brandt im Deutschen Bundestag 1969 am Pult gestanden und mehr Demokratie gefordert hat, war der Aufschrei groß, weil viele gesagt haben: Was soll denn das! Demokratie haben wir doch! Es gibt doch Wahlen! Der Adenauer, der Erhard, die sind doch alle demokratisch gewählt worden! – Aber die große Erkenntnis dahinter war ja: Demokratie ist niemals fertig. Wir müssen immer weiter daran arbeiten. In diesem Sinne sehe ich auch die Open

Government-Strategie und die Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz. Wenn wir an der Stelle Konsens hätten, wäre das eine gute Geschichte.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen uns im Weiteren mit den Hausaufgaben beschäftigten, die an dieser Stelle nötig sind. Das sind technische Lösungen; gar keine Frage. Das heißt aber auch, dass das Thema „Datenschutz“ ordentlich aufgearbeitet und geguckt werden muss, dass wir an dieser Stelle nichts produzieren, was uns an anderer Stelle einholt. Wir müssen die Menschen in der Verwaltung mitnehmen, gerade in der kommunalen Verwaltung. Sie haben vorhin zu Recht eingeräumt, dass diese die Hauptbetroffenen sein werden. Wir müssen die Konnexität ordentlich betrachten und die Technologiefragen an dieser Stelle klären.

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, freue ich mich auf die Beratungen im Fachausschuss, glaube, dass wir an dem Thema weiter arbeiten werden und will mit einem Wort schließen, das Sie, Herr Minister Jäger, schon einmal formuliert haben: Das reine Fordern von Transparenz ist noch lange kein Ausdruck dafür, dass man in der Sache wirklich den Durchblick hat. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege van den Berg, würden Sie bitte noch am Mikrofon bleiben. Es gibt nämlich eine angemeldete Kurzintervention vom Fraktionsvorsitzenden der Piraten, von Herrn Dr. Paul. Wir geben ihm 90 Sekunden. Sie haben dann, wie gewohnt, auch 90 Sekunden Zeit, um darauf zu reagieren. – Bitte schön, Herr Dr. Paul.

Vielen Dank. – Herr van den Berg, ich möchte an der Stelle nur etwas richtigstellen, damit Sie mein Kopfnicken bzw. mein Kopfschütteln nicht falsch interpretieren. Wenn der Einzelne einer Behörde gegenübersteht, ist das immer eine Gegenüberstellung. Das widerspricht nicht dem Relationenfeld, dass alle den Staat bilden. Man muss eben immer gucken, welche Relation gerade in der Betrachtung ist. Und diese gilt es transparent zu machen. – Das wollte ich nur richtigstellen. Danke.

Vielen Dank, Herr Paul. Ich habe auch wahrgenommen, dass Sie den Kopf mal so und mal so bewegt haben, also in beide Richtungen. Ich will nur deutlich machen, was mich auch schon beim Antrag zum Thema „Gutachten und Transparenz“ ein bisschen störte: Wir dürfen den Staat, glaube ich, nicht als etwas Anonymes darstellen, der dem Bürger fast feindlich gegensteht

und nur darauf achten muss, dass der Bürger transparent irgendwelche Daten bekommt. Es geht auch um das Mitmachen und Zusammenarbeiten. Und diese beiden Punkte sind mit dem Punkt, den Sie heute fordern, in der Open-GovernmentStrategie gleichberechtigt. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Deswegen steht weiterhin die Einladung, sich an diesem Prozess zu beteiligen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Da sind wir d`accord)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch mal der Kollege Bolte zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil in der Debatte gerade drei wichtige Punkte angesprochen wurden, habe ich mich noch mal zu Wort gemeldet. Ich finde die Prozesse, die es kommunal bereits gibt, sehr spannend. Es gibt „Offenes Köln“. Der Sachverständige Steinbach in der Anhörung zu unserem OpenGovernment-Antrag – ich erinnere Sie daran – ist da einbezogen worden. Es gibt eine Ausweitung dieses Projekts auf Moers, auf Bochum. Das sind natürlich Erfahrungen, die man miteinbeziehen kann. Deshalb habe ich ja gesagt: Zivilgesellschaftliche und kommunale Projekte miteinbeziehen! Das ist unheimlich wichtig.

Es ist aber auch unheimlich wichtig, die Frage von Medienkompetenz nicht nur für die Bundeskanzlerin, sondern auch für alle anderen Menschen zu klären. Das gilt auch für Informationskompetenz. Das ist ein ganz interessantes, noch relativ neues Konzept, eben dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger, die Informationen gerade auf digitalem Weg erhalten, mit dieser Information auch tatsächlich etwas anzufangen wissen. Das ist ein interessantes Konzept, das weiterbearbeitet werden muss.

Es muss sicherlich auch Einfluss auf den kulturellen Wandlungsprozess haben, der vor uns liegt. Das möchte ich noch mal betonen: Es geht tatsächlich um einen Prozess, an dem viele beteiligt sind, an dem nicht nur diejenigen aufseiten der Verwaltung einbezogen werden, sondern auch diejenigen, die dann auf die Informationen zuzugreifen wissen und sich kompetent und mündig am demokratischen Willensbildungsprozess auf Basis dieser Informationen beteiligen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Piratenfraktion ist der nächste Redner der Kollege Marsching.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Ich habe so viel zu sagen und so wenig Zeit. Herr Kollege Bolte hat gerade richtig angemerkt, dass ich hier sehr viel mitgeschrieben habe; ich habe so viel zu sagen. Ich versuche zunächst mal ganz schnell auf die Kollegen Ganzke und van den Berg von der SPD einzugehen.

Herr Kollege Ganzke hat gesagt, wir würden hier Schnellschüsse betreiben, das dürfe man nicht so über das Knie brechen. Wir hätten hier, sagt Herr van den Berg, nicht den Stein der Weisen gefunden. Entschuldigung, aber das behaupten wir auch gar nicht. Wir wollen das hier als Diskussionsgrundlage einbringen. Wir wollen dieses Gesetz gerne in Kooperation mit den anderen Fraktionen, den anderen Initiativen und natürlich auch mit „NRW blickt durch“ weiterentwickeln. Aber wir wollen eben auch einen Gesetzentwurf dazu einbringen. Wir sind nun mal eine Parlamentsfraktion; das ist unsere ureigene Aufgabe.

(Beifall von den PIRATEN)

Nicht so viel klatschen! Ich habe keine Zeit.

Zur Open-Government-Strategie der Landesregierung kann ich nur sagen: Open Government beginnt mit Open Data. Da kann ich nur hinzufügen: Dieses Gesetz setzt ganz vorne an. Das Transparenzgesetz soll nämlich offene Verwaltungsdaten herstellen. Und das bedeutet die Information der Bürger. Ohne „Denk selbst und informier Dich!“ funktioniert Open Government nicht.

Sie haben gesagt, man müsse das IFG, das Informationsfreiheitsgesetz, weiterentwickeln. – Ja, das kann man machen, aber nur, wenn wir diesen Paradigmenwechsel hinbekommen. Es geht nämlich nicht um das Informationsbedürfnis des Einzelnen, sondern es geht um ein generelles Informationsbedürfnis aller Bürger und darum, die Hol- in eine Bringschuld umzuwandeln; das haben wir ja schon gehört. Beim Informationsfreiheitsgesetz muss ich wissen, was es überhaupt für Daten gibt, um sie abrufen zu können. Genau das wollen wir eben nicht mehr. Wir wollen, dass die Daten schon zur Verfügung stehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Beim Kollegen Sieveke möchte ich mich zunächst für das viele Lob bedanken, das wir bekommen haben. – Ich sehe ihn gerade nicht; er wird es mitbekommen. – Open Government in Bund sei wichtig, hat er gesagt. – Dass Frau Merkel heute gesagt hat, Internet sei für sie Neuland, haben wir auch schon gehört.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Wir brauchen mehr Open Government. Darin sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Wir brauchen da