Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

10 Arbeit der Biokontrollstellen überprüfen. Le

bensmittelsicherheit stärken

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/3250

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Fehring das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen unterziehen sich mittlerweile 5 % der landwirtschaftlichen Betriebe mit rund 68.000 ha den Bedingungen der EU-Öko-Verordnung. Neben den 1.845 Erzeugerbetrieben auf der Agrarseite gehört zur Biolebensmittelerzeugung auch eine Vielzahl regional verteilter Erfassungs- und Verarbeitungsbetriebe. Sie alle unterliegen den Kontrollvorschriften des EU-BioSiegels bzw. der EU-Öko-Verordnung.

Da Bioprodukte nicht mit einer wissenschaftlich validierten Untersuchungsmethode von konventionellen Produkten unterschieden werden können, bedarf es zur sicheren, zutreffenden Deklaration des Produktionsverfahrens der prozessbegleitenden

Kontrolle. Diese wird grundsätzlich von privaten Kontrollstellen durchgeführt. Das hat sich historisch so entwickelt und muss nicht nachteilig sein. Als die Biolandwirtschaft aufgebaut wurde, gab es ohnehin noch keine Regelungen.

Zuständig für die Zulassung der privaten Kontrollen ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE. Sie kann eine Zulassung auch widerrufen. Diese Regelung wurde durch das ÖkoLandbaugesetz von 2002 ermöglicht, das die Länder ermächtigt, Kontrollaufgaben an Dritte zu übertragen. In NRW ist das LANUV damit beauftragt.

Die privaten Kontrollstellen sind Dreh- und Angelpunkt für eine wirksame Überwachung und Begleitung der Ökobetriebe. Diejenigen Betriebe, die neben der für alle EU-Ökoerzeuger gesetzlich geregelten Kontrolle Mitglied in einem Anbauverband sind – ich nenne zum Beispiel Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis oder Gäa –, müssen sich zusätzlich den Verbandsrichtlinien unterwerfen, die strengere Vorgaben im Pflanzenschutz, der Tierhaltung und der Verarbeitung vorschreiben als besagte EUVerordnung. Für Bioland-Verbandsbetriebe ist zum Beispiel eine Teilumstellung nicht möglich und eine deutlich geringere Tierzahl pro Hektar vorgeschrieben. Die Verbände erhalten zudem einen Inspektionsbericht von der Kontrollstelle und können bei Verstößen entsprechend reagieren.

Als dritte Kontrollinstanz fungiert das betriebliche Umfeld, sprich: die Nachbarschaft, ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Faktor.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wenn dennoch von Zeit zu Zeit schwerwiegende Unregelmäßigkeiten bis hin zum offensichtlichen Betrug auch die Ökobranche erschüttern und die Arbeit von über 99 % korrekt vorgehender Ökobetriebe gefährden, muss der Gesetzgeber hart durchgreifen. Wir fordern deshalb von der Landesregierung Maßnahmen, die geeignet sind, Schwachstellen im Kontrollsystem zu erkennen und zu beseitigen.

Eine mögliche Schwachstelle ist sicherlich die finanzielle Verflechtung zwischen Auftraggeber und Kontrollstelle. Insbesondere bei einem großen Kun

den könnte die Kontrollstelle geneigt sein, bei Ungereimtheiten nicht mit der erforderlichen Stringenz zu dokumentieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schützt eine staatliche Kontrollstelle hier vielleicht besser vor Betrügern? Würden gar Regelungen und Überwachungen der Europäischen Kommission mehr Schutz für die Verbraucher bringen? Können wir darauf vertrauen, dass in allen EU-Ländern deutsche Kontrollmaßstäbe gelten?

Kontrolle durch die EU-Bürokratie wird keinen Mehrwert bringen, eher das Gegenteil. Deshalb lautet unsere Forderung: vom Staat beauftragte private Kontrollstellen ja, aber zusätzlich unangemeldete Kontrollen der staatlichen Aufsicht vor allem in den Betrieben, die keinem Anbauverband angehören und nur nach der EU-Verordnung arbeiten, und denen, die aufgrund ihrer Betriebsstrukturen ein höheres Risiko darstellen. Insbesondere diese Betriebe müssten zusätzlich kontrolliert werden.

Kontrollstellen, die nachweislich nicht korrekt arbeiten, sind zu sanktionieren bzw. auszuschließen. Dies muss ebenfalls für die Öko-Erzeuger gelten.

Schwarze Schafe unter den Bioproduzenten ließen sich ferner durch eine Vernetzung der Kontrollstellen mit anderen staatlichen landwirtschaftlichen Institutionen schneller erfassen.

Sorgen bereiten mir zudem Bioerzeugnisse aus Osteuropa, Asien und den Ländern, deren Lebenskultur nicht oder nur wenig unserer Auffassung von korrekter Erzeugung entspricht. Sie sollten nur nach sorgfältigster Prüfung Biostatus erhalten.

Einen weiteren Schwachpunkt sehe ich im Personal der Kontrollstellen. Hier handelt es sich oftmals um junge Hochschulabsolventinnen oder -absolventen, die oftmals keine Praxiserfahrung vorweisen können und über eine geringe Lebenserfahrung verfügen. Hier fordere ich Personal mit mehr praktischer Ausbildung und Berufsjahren, das sicherlich eher in der Lage sein wird, Pflanzen- und Tierbestände vor Ort zu beurteilen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Soll also der gute Ruf von biologisch erzeugten Produkten keinen Schaden erleiden, muss das Biokontrollsystem auf den Prüfstand. Dies dient sowohl den Verbraucherinnen und Verbrauchern als auch den Erzeugern.

Herr Minister Remmel, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Rüße – Sie spreche ich insbesondere an; wir sind die beiden einzigen Praktiker, die das System kennen –, unterstützen Sie unseren Antrag, unsere Forderung an die Landesregierung zum Wohle der Verbraucher und der nordrhein

westfälischen Biobetriebe!

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Watermann-Krass das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag enthält eine Menge Panikmache, aber auch viele Behauptungen, die in dieser Form nicht zutreffen.

Herr Fehring, Sie sind ja Praktiker und haben hier viele Ausführungen gemacht.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Aber wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, habe ich den Eindruck, Sie haben entweder nicht daran mitgearbeitet oder nicht den Versuch gemacht, die Forderungen, die Sie hier mündlich vorgetragen haben, auch in den Antrag zu packen.

Es gibt bundesweit 20 Biokontrollstellen. In Ihrem Antrag liest man, es gebe in Nordrhein-Westfalen nur zwei. Wir wissen, 17 haben bundesweite Zulassung. Jeder ist also in der Lage, sich die Stelle, die ihn kontrollieren soll, auszusuchen.

Zu der gewissen Abhängigkeit, die Sie in Ihrem Antrag feststellen, kann man nur sagen: Die privaten Kontrollstellen werden vom BLE zugelassen. Sie werden auch ausdrücklich in ihrer Unabhängigkeit überprüft. Das ist Ziel dieser Zulassung. Die Stellen für Ökokontrollen müssen für den Bereich Ökolandbau eine Extraakkreditierung haben.

Alle Kontrollstellen werden durch die zuständigen Behörden der Bundesländer – bei uns durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz – in rechtlicher und fachlicher Hinsicht überprüft. Es werden Geschäftsstellenaudits durchgeführt. Die Landesbehörde begleitet die Kontrolleure der Kontrollstellen stichprobenartig. Das ist gesichert. Wechselt ein Landwirt oder ein Unternehmer die Kontrollstelle, so wird das dieser Behörde angezeigt. Es geht also keiner verloren.

Meine Damen und Herren, lieber Herr Fehring, gewisse Abhängigkeiten sind für uns also nicht erkennbar. Ich erwähne nur mal den TÜV für Ihr Auto, der ebenfalls privat organisiert ist. Keiner nimmt an, dass die Sicherheit darunter leidet.

Auch Ihre Forderung nach zusätzlichen Berichten auf Landes- und Bundesebene können wir nicht unterstützen. Der Sachverhalt ist übrigens dem Sonderbericht des EU-Rechnungshofs und der entsprechenden Stellungnahme der EU-Kommission zu entnehmen.

Sie fordern eine eigene Studie. Dazu sage ich: Eine Studie für NRW ist überflüssig. Sie finden Angaben hierzu, wie gesagt, im Sonderbericht.

Wir haben uns auf Länderebene immer wieder für eine Verbesserung der Ökokontrollstellen ausge

sprochen. 2010 haben wir für das Land immerhin zusätzliches Personal im LANUV bereitgestellt. Die rot-grüne Regierung hat sich auf der Bundesrats- und auch der Europaebene in den letzten Jahren immer wieder für eine Weiterentwicklung der Ökokontrollstellen eingesetzt, genauso wie es die Ökoverbände immer wieder tun, die ein Interesse daran haben, ihre Prozesskontrollen – es sind Prozesskontrollen, eine Endkontrolle nützt ihnen ja wenig – zu verbessern; dafür haben wir nach dem Hähnchenskandal im Biobereich gute Beispiele. Denn nur so wird das Vertrauen der Menschen beim Kauf von Ökoprodukten nachhaltig gestärkt.

Die EU ist weltweit der wichtigste Hersteller und Verbraucher ökologischer Erzeugnisse. Nur 15 % der Ökoprodukte, die in Europa konsumiert werden, kommen aus Nicht-EU-Staaten. Deshalb brauchen wir auch hier EU-weite Normen. Eine Kontrolle im Alleingang auf Länderseite nützt uns gar nichts.

Wenn Sie vonseiten der CDU in dieser Angelegenheit also etwas verbessern wollen, ein Tipp: Es hat auf der Bundesebene die Forderung gegeben, das Ökolandbaugesetz zu verbessern. Eine einheitliche Datenbank war die Forderung. Das ist sehr abgeschwächt worden. Wir haben es noch mal über eine Bundesratsinitiative versucht. Mein Tipp: Wenn Sie hier wirklich Transparenz haben wollen, reden Sie mit ihren CDU-Leuten auf Bundesebene! Nehmen Sie Kontakt auf, um an dieser Stelle etwas zu verändern!

Wir brauchen also keinen Antrag zur Überprüfung von Biokontrollstellen. Diese Regierung hat gehandelt. In Sachen Kontrollstellen, Transparenz und Lebensmittelsicherheit ist eine Menge passiert. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fehring, Sie haben mich zum Schluss direkt angesprochen und gesagt, ich würde das System genauso kennen wie Sie auch. Ich gebe den Ball zurück: Weil Sie das System kennen, bin ich überrascht, dass Sie den Antrag so gestellt haben.

Ich erinnere mich, wie die Ökokontrollen in meinem Betrieb abgelaufen sind, den wir seit zehn Jahren ökologisch bewirtschaften: Ich hatte zwei unangemeldete Kontrollen. Ich hatte eine Kontrolle, bei der eine LANUV-Begleitung dazukam. Ich fühle mich da schon hinreichend kontrolliert. Ich glaube, das geht Ihnen mit Ihrem Betrieb ähnlich.

Sie haben allerdings einen Punkt richtigweise angesprochen, nämlich die größeren Betriebe. Das ist gerade aktuell. In der Legehennen-Diskussion ist es sicherlich eine spannende Sache, welcher Betrieb davon betroffen war. Da haben Sie nicht ganz unrecht. Wir brauchen Ihren Antrag aber nicht, um an der Stelle die Sensibilität zu haben und solche großen Betriebe, bei denen Agrarindustrie in den Biosektor eindringt, stärker zu kontrollieren.

Wenn Sie den Prozess in den letzten Monaten verfolgt haben, stellen Sie fest, dass es laufend Veränderungen und Verbesserungen im Ökokontrollsystem gibt. Eben wurde der Aufbau einer Datenbank angesprochen. Gerade Nordrhein-Westfalen hat sich hier eingesetzt und gefordert, dass mehr passiert. Aus Niedersachsen – ebenfalls einem „grünen Land“ – kam der Vorstoß, einzelnen Kontrollstellen auch seitens eines Bundeslandes die Zulassung entziehen zu können. Ich glaube, wir sind insgesamt auf einem guten Weg, die Kontrollen da nachzubessern, wo es nötig ist.

Das Spannende an Ihrem Antrag ist aus meiner Sicht ein kleiner Nebensatz, mit dem Sie mich schon ein wenig verärgert haben. Sie erwähnen das QS-System und stellen es als vorbildlich dar. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Sie das getan haben. Denn QS hat seine Unschuld nun wirklich vollkommen verloren. Die Skandale – ob das der Aflatoxin-verseuchte Futtermais war, ob es der Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch war, wo 150.000 t Futtermittel mit Dioxin verseucht wurden; auch das war ein QS-zertifizierter Betrieb – sind nicht durch QS verhindert worden.

Ich weiß gar nicht, wo der Vorteil bei QS liegen soll. Bei QS sind es nicht die Bauern, die sich ihre Kontrollstelle aussuchen; das stimmt. Bei QS sucht die Westfleisch aus, welche Kontrollstelle sie nimmt. Daher verstehe ich nicht, warum das besser sein soll.

Im Gegenteil: Bei QS ist die Gefahr noch größer, dass eine Kontrollstelle unter Druck gerät, weil der Auftraggeber noch viel größer ist. Wenn ich morgen meiner Kontrollstelle sagen würde: „Wisst ihr was, mir passt das nicht, ihr kontrolliert mich zu scharf“ – wenn ich der Meinung wäre, das wäre so –, dann würde die mir antworten: Ja, dann kündigen Sie, Herr Rüße, so wichtig sind Sie für uns auch nicht.