Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Hendrik Wüst (CDU) : Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Dem christlichen Menschenbild fühlen sich nicht nur wir Christdemokraten verbunden, sondern, wie ich weiß, auch viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen politischen Richtungen. Deswegen werden Sie mir zustimmen, wenn ich formuliere: Dass der Mensch Ebenbild

Gottes ist, führt zu seiner unveräußerlichen Würde, trotz aller Unterschiede, Schwächen und Fehler. Das macht ihn stark, selbstbestimmt zu leben.

Wenn man in die Grundsatzprogramme meiner Partei schaut, liest man immer die etwas hölzerne Formulierung: Er ist berufen zur Freiheit in Verantwortung.

Diese Verantwortung wird von immer mehr Menschen in immer stärkerem Maße wahrgenommen. Die Menschen sind so aufgeklärt wie selten zuvor in der Geschichte unseres Landes. Sie sind so gut gebildet wie selten zuvor in der Geschichte. Der Zugang breiter Massen zu Informationen ist so groß wie nie zuvor.

Die Menschen lassen sich nichts mehr vorsetzen, was ihnen nicht passt. Jeder muss nur in seinen E-Mail-Account gucken, um zu sehen, dass die Bürger sehr selbstbewusst ihre Rechte wahrnehmen und auch sehr selbstbewusst sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Im Extremfall wird dann vom Wutbürger gesprochen.

Wenn der Mensch so stark ist, muss das für uns alle, die politisch verantwortlich tätig sind, eine Mahnung zur Demut sein, die unüberhörbar ist. Es muss uns mahnen, nicht immer mehr Vorschriften zu erlassen und dem Subsidiaritätsgedanken Folge zu leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das alte Nichtraucherschutzgesetz von Karl-Josef Laumann ist diesem Maßstab gerecht geworden.

(Beifall von Lutz Lienenkämper [CDU])

Es hat die Nichtraucher geschützt, ohne die Raucher zu diskriminieren. Die Menschen haben das ordentlich miteinander geregelt.

Erinnern Sie sich einmal zurück. Viele von Ihnen machen ja noch länger Politik als ich. Ich bin jetzt seit über 20 Jahren in verschiedenen Gremien tätig. Als ich angefangen habe, wurde bei Parteiveranstaltungen – Kreisvorstand, Unterbezirksvorstand – immer noch geraucht. Sie werden sich erinnern. Wahrscheinlich war das sogar bei den Grünen so – was auch immer Sie da geraucht haben.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Heute ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass sich in einer laufenden Sitzung jemand eine Zigarette ansteckt.

Genauso hat sich das in den Restaurants entwickelt, in denen gespeist wird.

(Inge Howe [SPD]: Genau! Die gehen vor die Tür! Heute schon!)

98 % der Fälle waren durch das alte Nichtraucherschutzgesetz und diese Entwicklung des Umgangs miteinander völlig ordentlich geregelt.

Sie haben dann gesucht: Wo finde ich die 2 %, die eine weitergehende Regelung rechtfertigen? Dann sind Sie beispielsweise auf die Eisdielen gekommen, in denen man, juristisch gesehen, noch hätte rauchen können.

Wir alle haben zur Dichtheitsprüfung, zur Inklusion, zur Beamtenbesoldung und vielen anderen Themen in den letzten Jahren massenweise E-Mails bekommen. Dass sich bei mir massenhaft Menschen darüber beschwert hätten, dass in Eisdielen geraucht worden sei, muss mir entgangen sein.

Sie haben einen Grund gesucht, das gute Miteinander der Menschen aufzuheben, die das selber regeln. Sie haben einen Grund gesucht, die Raucher zu isolieren und auszugrenzen. Ein Kollege hat mir jetzt erzählt, ihm sei sogar untersagt worden, draußen vor dem Landtagsgebäude zu rauchen.

Die Menschen sind selbstbewusster als je zuvor. Sie sind viel fähiger, diese Dinge selbst zu regeln. Grüne Bevormundung braucht da kein Mensch.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe ein schönes Zitat gefunden. Ulf Poschardt, der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung „DIE WELT“ hat Ende letzten Jahres geschrieben: Die Grünen sind autoritärer, paternalistischer und staatsseliger, als es die CDU vor 68 war.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die sozialdemokratische Bevormundung führt zur Handlungsunfähigkeit des Staates, wie Sie derzeit selber leidvoll feststellen müssen.

Die grüne Bevormundung führt zur Entmündigung von Menschen, die noch nie so mündig waren. Wenn man sich die Liste der Dinge anschaut, die die Grünen in der jüngsten Vergangenheit verbieten wollten, liest sich das wie Comedy: Motorrollerverbot, Plastiktütenverbot, Billigflugverbot,

(Ministerin Barbara Steffens: Ach, jetzt fängt das wieder an!)

Heizpilzverbot, Grillverbot in Parks, Verbot von Stand-by-Funktionen bei Elektrogeräten, Verbot von Süßigkeitenwerbung, Fleischverbot an einem Wochentag, Verbot von Alkoholwerbung, Verbot von Tieren im Zirkus, Werbeverbot für Fahrzeuge mit hohem Benzinverbrauch, Verbot von Ponyreiten, Verbot bestimmter Computerspiele, Nachtflugverbot, Solariumverbot, Schnäppchenverbot, Sonntagsfahrverbot, Kioskverbot. – Ich bin sicher: Hätte man mehr Zeit zum Googeln gehabt, hätte man noch viel mehr gefunden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für wie schwach, verantwortungslos, rücksichtslos und gewissenlos müssen Sie die Menschen halten, wenn Sie das alles verbieten wollen, um die Menschen voreinander zu schützen?

Wir trauen den Menschen zu, auch bei Brauchtumsveranstaltungen und in der Kneipe verantwortungsvoll miteinander umzugehen. Indem Sie die Veranstalter – in der Regel Ehrenamtler – im Karneval und im Schützenwesen zu Sittenwächtern Ihrer Bevormundungspolitik machen, gefährden Sie diese Brauchtumsveranstaltungen und machen die Menschen ein Stück heimatlos. Sie schaden den vielen kleinen selbstständigen Kneipiers und führen sie geradewegs in Hartz IV.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Unsere Befürchtungen sind leider Realität geworden. Sonst hätten nicht bei mehreren Demonstrationen in den vergangenen Tagen Tausende von Menschen gegen Ihre Politik demonstriert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerin Steffens, wenn Sie in der Pressekonferenz am 13. Juni 2013 sagen, es sei sein Armutszeugnis für die Veranstaltungen, wenn Stimmung nur aufkäme, wo geraucht würde, ist das dünnhäutige Überheblichkeit, wo sensible Offenheit gefragt wäre.

(Ministerin Barbara Steffens: Nein!)

Offensichtlich sind Sie in einer Mission unterwegs, die ein höheres Ziel hat.

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, Kinder!)

Sie sind erst zufrieden, wenn wir alle stilles Wasser trinken, Salat essen und mit Birkenstocksandalen durch Wald und Flur wandern, statt mit dem Flieger im Süden zu urlauben. – Wir haben ein anderes Bild vom Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihre Vorstellung mag für manche gut und völlig in Ordnung sein. In einer freiheitlichen, selbstbewussten Bürgergesellschaft darf sie nie per Zwang verordnet werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Kollege Abel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in einer lebendigen Demokratie ein normaler Vorgang, wenn Menschen gegen politische Entscheidungen protestieren und das auch auf der Straße tun. Das zeichnet unseren Rechtsstaat, unsere freiheitliche Grundordnung aus.

(Ministerin Barbara Steffens: Genau!)

Es ist legitim, wenn Wirte, wenn Vertreter des Brauchtums und Bürgerinnen demonstrieren. Doch

ich finde es erstaunlich, dass weder in Pressemitteilungen der Opposition noch in Ihren heutigen Redebeiträgen das angesprochen wurde, worauf Sie sich in der Begründung der Aktuellen Stunde beziehen, nämlich das, was am letzten Samstag in Düsseldorf passiert ist.

Lassen Sie uns einmal hinschauen, wie sich der Protest in Teilen geäußert hat! Es wurden Plakate mit dem Konterfei Adolf Hitlers hochgehalten, unterschrieben mit: Entmündigung kann tödlich sein.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ein einzi- ges!)

Selbst wenn es nur eines war, ist es schlimm genug. – Im Demonstrationszug waren Teilnehmer mit gelbem Stern auf der Brust, auf dem „Raucher“ stand. Die Frage steht im Raum, ob ein den Hells Angels nahestehender Rockerclan Ordnerfunktion ausgeübt hat. Man muss sich das mal vorstellen. Kriminellen Rockern nahestehende Gruppen laufen in der erste Reihe, offenbar vom Veranstalter geduldet.

Da wird eine hier im Landtag demokratisch getroffene Entscheidung mit der Nazidiktatur verglichen; da werden Zeichen der Ausgrenzung, Zeichen des Holocausts benutzt und damit das Leid der Opfer relativiert. Und von der anwesenden Bürgermeisterin der Stadt Düsseldorf, die der FDP angehört, wird das nicht problematisiert.

Zu alledem haben Sie nichts gesagt. Bei allem Verständnis für kreative und zugespitzte Protestformen, auch bei der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, heiligt der Zweck nicht die Mittel. Hier sind Grenzen überschritten worden, und das muss hier klar gesagt werden, wenn Sie das nicht tun!