Zu alledem haben Sie nichts gesagt. Bei allem Verständnis für kreative und zugespitzte Protestformen, auch bei der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, heiligt der Zweck nicht die Mittel. Hier sind Grenzen überschritten worden, und das muss hier klar gesagt werden, wenn Sie das nicht tun!
Meine Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrem Antrag von Bevormundung. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, Menschen so gut es geht vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Das Grundgesetz garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Wir wissen, dass Rauchen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Gesellschaft ist. Wenn Menschen freiwillig dieses Risiko in Kauf nehmen, ist das ihre freie Entscheidung. Wir können und wollen diese Freiheit nicht einschränken.
Wir wissen auch, dass jedes Jahr 3.300 Todesfälle in Deutschland auf eine regelmäßige Passivrauchbelastung zurückzuführen sind. Wir wissen, dass die Konzentration vieler gesundheitsschädigender Inhaltsstoffe in der Luft, die in den Raum abgegeben wird, größer ist, als in dem Rauch, den die Raucherinnen und Raucher inhalieren.
Wir wissen aus einer Studie skandinavischer Länder, die Krankendaten von mehr als 15 Millionen Berufstätigen ausgewertet haben, dass bei keiner anderen Berufsgruppe das Risiko, an Krebs zu erkranken, so hoch ist wie bei Kellnerinnen und Kellnern. Lassen Sie uns mal schauen, wer sich hinter dieser Berufsgruppe verbirgt! Das sind in großen Teilen Studentinnen, die sich durch Aushilfsjobs in Szenekneipen etwas dazuverdienen; das sind meist Geringverdiener, das sind Selbstständige, die im eigenen Geschäft stehen – allesamt Menschen, die auf das Einkommen angewiesen sind.
Meine Damen und Herren von der FDP, meine Damen und Herren von der CDU, wollen Sie uns angesichts dieser Situation erklären, dass bei Ihnen bei der Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Unannehmlichkeit, für eine Zigarette vor die Tür zu gehen, die Unannehmlichkeit ein stärkeres Gewicht hat? – Das ist keine Freiheit, das ist Bevormundung derer, die sich entschieden haben, nicht zu rauchen. Das ist Bevormundung, meine Damen und Herren!
In der Anhörung wurde noch einmal sehr eindeutig festgestellt, und zwar von der Europäischen Kommission, den Ärztekammern, dem Deutschen Krebsforschungszentrum, dass ein konsequenter Nichtraucherschutz zur Verbesserung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung führt, besonders der Angestellten in der Gastronomie.
Rauchverbote führen zur Senkung der Zahl von Herzinfarkten; das belegen Studien für Italien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zahlen der Atemwegserkrankungen und verschiedener Erkrankungen des Herz
Kreislauf-Systems gingen dort zurück. Neuere Studien weisen auf eine Verbesserung der Gesundheit der Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder hin – sowohl bei Nichtraucherinnen als auch bei Raucherinnen.
Ebenso deutlich kam heraus – das lassen Sie gerne unter den Tisch fallen –: Es sind keine wirtschaftlichen Negativeffekte festzustellen.
Ich belege das ganz konkret entlang der Anhörung und der Studien. Ich fange mit dem Bayerischen Landesamt für Statistik an, unverdächtig, uns nahe zu stehen. Die Umsätze der bayrischen Gastronomie im ersten Jahr nach dem Volksentscheid liegen deutlich über denen des Vorjahres. Ich bleibe in Bayern bei dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Auch die Gastronomieumsätze sind davon nicht in größerem Umfang bzw. dauerhaft betroffen. Dies steht auch im Einklang mit der internationalen Studienlage, so wörtlich.
Wie die internationale Studienlage aussieht, stellt die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme fest. In 47 von 49 Studien zu den Auswirkungen von strikten Nichtraucherschutzgesetzen in der EU können keine negativen wirtschaftlichen Folgen festgestellt werden.
Laut eines WTO-Berichts haben rauchfreie Umgebungen entweder neutrale oder positive Auswirkungen auf Unternehmen, einschließlich der Gastronomie. Privatempirisch – ich komme aus Düsseldorf-Flingern – nehme ich es so wahr, dass sich jetzt vermehrt Menschen, die vorher aufgrund des Rauchs nicht in die Kneipen gegangen sind, wieder hintrauen.
Für unsere Gastronomie würde ich mir wünschen, dass diese Gruppe auch die Umsätze der gastronomischen Betriebe in Nordrhein-Westfalen wieder hebt, die nach unten gegangen sind – auch in der Zeit, als Sie regiert haben – und jüngst sogar eingebrochen sind, und zwar im Frühjahr, besonders im Februar und im März, also bevor unser Gesetz in Kraft trat. Das ist die Realität, meine Damen und Herren.
Sie suggerieren hier außerdem – das hat der Kollege Yüksel schon gesagt –, dass die Proteste eine Mehrheitsmeinung zum Ausdruck brächten, der wir uns verschließen würden. Bereits im Februar 2005 lag die Zustimmung für rauchfreie Gaststätten bei 53 %, im Februar 2012 bei 78 %. Inzwischen gibt es sogar bei den Raucherinnen und Rauchern eine Mehrheit für unser Gesetz. Schauen Sie sich einmal die Umfrage in der „WAZ“ an!
Der Nichtraucherschutz war eines der zentralen Themen im Landtagswahlkampf. Die Wählerinnen und Wähler haben uns, SPD und Grünen, auch dafür ein Mandat gegeben. Hören Sie also auf, so zu tun, als ob an unserer Entscheidung irgendetwas Anstößiges wäre! Der ausgestreckte Finger an Ihrer Hand zeigt auf uns, drei Finger weisen auf Sie zurück. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich die Debatte in der Aktuellen Stunde an dieser Stelle für einen ganz kleinen Moment unterbrechen; denn ein Ehrengast, der im Landtag eingetroffen ist, hat gerade auf der Tribüne Platz genommen.
Ich begrüße in unserer Mitte ganz herzlich die Botschaftsrätin des Staates Israel in Berlin, Frau Zehavit Ben Hillel.
Sehr verehrte Frau Botschaftsrätin, wir freuen uns sehr, dass Sie den Landtag Nordrhein-Westfalen besuchen, und heißen Sie im Namen des Hohen Hauses ganz herzlich willkommen. Sie sind ein gern gesehener Gast in unserer Mitte. Ihr Besuch ist Ausdruck der engen freundschaftlichen und in jeder Hinsicht besonderen Beziehungen unseres Landes zu Ihrem Land, zu Israel, die wir weiter ausbauen wollen. Das ist uns ein ganz besonders wichtiges Anliegen.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kollegen! Herr Abel, ich war auf dieser Demo. Wenn in einzelnen Gruppen Leute auftreten, die man da eigentlich nicht haben will, ist man nicht immer in der Lage, die zu isolieren und auszusondern.
(Zurufe von den GRÜNEN: Dann muss man aber etwas dazu sagen! Dann muss man sie isolieren! Dann muss man sie ausschließen!)
Ich will nur sagen: Ich habe das nicht wahrgenommen. Ich hätte mich selbstverständlich dagegen zur Wehr gesetzt. Ich finde es nur unschön, dass die ganze Demo dann gerade unter diesem Banner läuft.
Das ist der Sache nicht angemessen. Die Demo war friedlich, farbenfroh, kreativ und lustig. Wenn da einzelne Idioten herumlaufen, kann nicht der ganze Zug etwas dafür. Natürlich muss man sich davon distanzieren; da gebe ich Ihnen völlig Recht.
Aber kommen wir zur Demo: Das war in der Tat eine farbenfrohe Veranstaltung. Ich muss sagen, durch den Antrag der FDP haben wir heute einen schönen, öffentlichkeitswirksamen Termin bekommen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir aus einem anderen Grund wieder über das Nichtraucherschutzgesetz reden. Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch einmal inhaltlich darüber reden, zum Beispiel aufgrund von Anträgen, so, wie wir es im Vorfeld getan haben. By the way muss ich ganz klar sagen: Von der FDP habe ich auf der Demo niemanden gesehen.
(Christian Lindner [FDP]: Wo waren Sie überhaupt? – Zuruf von der FDP: Wen haben Sie denn überhaupt gesehen? – Weitere Zu- rufe von der FDP)
Piraten dargestellt hat: Die Piraten sind damals ins Parlament eingezogen und haben von dem Nichtraucherschutzgesetz Wind bekommen. Wir haben dann schleunigst dafür gesorgt, dass wir auf dem Parteitag ein Positionspapier bekommen, damit wir wissen, wie wir uns dazu zu verhalten haben. Das haben wir auch direkt getan.
Wir haben dann Anträge eingebracht. Ursprünglich waren es vier; am Ende waren es noch drei. Wir haben versucht, inhaltlich an dem Gesetz zu arbeiten und uns inhaltlich dazu zu positionieren, statt, wie CDU und FDP, mit einer grundsätzlichen Ablehnungshaltung zu reagieren nach dem Motto: Das wollen wir nicht und Friede. – Ich finde, in der Politik sollte man versuchen, tatsächlich auf die Kritikpunkte einzugehen und auf diesen Kritikpunkten basierend Änderungsvorschläge zu machen, statt einfach nur zu sagen: Wir sind dagegen.
In der Debatte innerhalb der Partei haben wir nämlich schnell festgestellt, dass die Kritik am ursprünglichen Gesetz natürlich zulässig war und dass es Lücken gab, die ausgenutzt wurden und auf die man reagieren musste. Wir waren nur nicht damit einverstanden, wie dann reagiert wurde. Es wurde mit dem Holzhammer reagiert: mit einem Totalverbot. Es wurde nicht versucht, zu vermitteln und einen Interessenausgleich zu schaffen. Das hat nicht stattgefunden. Dagegen haben wir uns verwahrt, und dagegen verwahren wir uns nach wie vor.
Zu diesen Kritikpunkten gehörte und gehört immer noch, dass Geschäftsmodelle eliminiert wurden. Für die Shisha-Bar-Besitzer hat sich keiner interessiert; für die Raucherklub-Besitzer hat sich ebenfalls keiner interessiert. Das sind Geschäftsmodelle, die einzig und allein darauf beruhen, dass man in diesen Lokalen rauchen kann.
Ich verstehe nicht, warum man, wenn es für diese Klubs eindeutig geregelt ist, dass es sich bei dem Publikum tatsächlich nur um Raucher handelt, dort das Rauchen verbieten muss. Das verstehe ich nicht. Das möchte ich bitte einmal erklärt haben. Ich habe das bisher nicht verstanden, und ich werde es vermutlich auch weiterhin nicht verstehen.
Herr Abel, zu dem, was in den Kneipen tatsächlich passiert: Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Annahmen nehmen.
(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Sie hätten mal die Stellungnahmen lesen müssen! Das ist sehr interessant!)
Sie behaupten, es gehe aufwärts, das kurbele das Geschäft an. – Wir haben im Vorfeld und auch während der Demo mit Gastwirten gesprochen. Kein Gastwirt, mit dem ich gesprochen habe, kann das
Herr Wüst, eine kurze Rückfrage: War Ihre Liste vollständig? Können wir die noch vervollständigen? – Es war eine schöne Liste; die hat mir gefallen.