Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

Montagabend: NRW.INVEST Award. Dort wurden drei Unternehmen ausgezeichnet. Eines davon kommt aus China und sucht sich in Europa Nordrhein-Westfalen als Standort aus, um hier ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aufzubauen. Das zweite Unternehmen kommt aus der Türkei. Es hat überlegt, wo es sich in Europa niederlässt, und ist zu dem Ergebnis gekommen: Wir gehen nach Nordrhein-Westfalen. Der dritte Preisträger war ein Unternehmen aus Bayern, das entschieden hat: Für unsere weitere Entwicklung ist es wichtig, nach Nordrhein-Westfalen zu gehen. – Das sind alles Beispiele dafür, dass Nordrhein-Westfalen ein hervorragender, attraktiver Standort für wirtschaftliche Entwicklung ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen ist unsere Leitmarktstrategie, unsere Clusterstrategie richtig. Ich habe gerade mit Blick auf die europäischen Programme schon genannt, dass wir dort eine Konzentration auf das Thema „kleine und mittlere Unternehmen“ und auf das Thema „F+E-Projekte“ vornehmen werden. Mehr als 60 % der Mittel des kommenden Budgets werden in genau diese Themenbereiche hineinfließen.

Wir bzw. die Unternehmen vermissen jedoch eines – das ist übrigens kein rein nordrheinwestfälisches Problem –, nämlich die steuerliche Forschungsförderung. Darum hat sich SchwarzGelb in Berlin vier Jahre lang nicht gekümmert, obwohl dies in der Koalitionsvereinbarung stand. Diese Art der Förderung hätte nicht nur dem Innovationsstandort Deutschland, sondern gerade auch Nordrhein-Westfalen sehr gut getan.

Wir haben viele gute Ideen, die wir zusammenbringen wollen. Es gilt das, was zum Beispiel der neue Landessprecher des BITKOM, Bernd Schmidt, im Zusammenhang mit einem der Zukunftsthemen gesagt hat:

„NRW ist ein Hightech-Land. Es gibt erstklassige Hochschulen und viele innovative Unternehmen … NRW ist die Mobilfunkregion Nummer eins.“

Er hat dort noch vieles andere gesagt.

Wir müssen bei der politischen Auseinandersetzung in unser Selbstverständnis einfließen lassen, dass wir enorm viel können. Wir sind vielleicht nicht überall die Nummer eins, aber Champions League sind wir in Nordrhein-Westfalen immer. In den Bereichen, in denen wir noch besser werden können, müssen wir die Ansätze finden, wo die Förderung auf den Punkt gebracht werden kann.

In der kommenden EU-Förderperiode werden wir entsprechend verfahren, und das auch noch unbürokratisch. Insofern werden wir diesen Forderungen gerecht. Die Anträge, die die Opposition zu diesem Punkt gestellt hat, gehen ins Leere. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Herr Minister Duin hat die Redezeit um ungefähr 1 Minute 43 Sekunden überzogen. Wenn die Fraktionen möchten, können sie die entsprechende Redezeit bekommen. – Das ist nicht der Fall.

Dann schließe ich hiermit die Beratung zum Tagesordnungspunkt 6 und gehe davon aus, dass ich Ihr Einverständnis habe, dass wir über die beiden Anträge gemeinsam im Sinne der Überweisung abstimmen. – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Anträge mit den Drucksachen 16/3447 und 16/3452 einschließlich des Entschließungsan

trags Drucksache 16/3513 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Dort soll dann auch die abschließende Beratung und Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. – Niemand stimmt dagegen. – Niemand enthält sich. Dann haben wir so verfahren.

Ich rufe auf:

7 Britisches Überwachungsprogramm „Tempo

ra“ ist unionsrechtswidrig: Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleiten!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/3441

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Kern das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Der Auftrag der Stasi im Unrechtsstaat DDR war simpel: alles zu wissen – die Totalüberwachung aller gesellschaftlichen und politischen Abläufe.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Dabei wähnte man sich natürlich im Recht. Ich zitiere: „Wir haben versucht, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen einwandfrei zu arbeiten.“ Das sagte einst Stasi-Chef Erich Mielke über die Arbeit seines Ministeriums.

Was wir bislang nur befürchteten und wofür wir belächelt wurden, ist nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden nun bittere Gewissheit: Die Totalüberwachung und Kontrolle des öffentlichen und privaten Lebens ist kein vergangenes Horrorszenario aus „Das Leben der Anderen“; es ist tagtägliche Realität, auch hier bei uns.

Auch heute behauptet man, nach Recht und Gesetz und nur zum Schutze der Bevölkerung zu handeln. Dabei sind die Kontrollmechanismen im digitalen Zeitalter noch viel perfider. In effizienter Arbeitsteilung unterstützen sich die nationalen Geheimdienste gegenseitig. Amerikaner und Briten überwachen großflächig, die Deutschen nutzen munter die dabei anfallenden Daten zur Bespitzelung der eigenen Bevölkerung.

Das Ganze wird so organisiert, dass nie ein politischer Entscheidungsträger jemals für die massive Missachtung der Grundrechte Verantwortung übernehmen muss. Das ist nichts anderes als globaler Kontrollterrorismus.

(Beifall von den PIRATEN)

Der größte Datenstaubsauger findet sich gleich nebenan: das Programm des britischen Geheimdiens

tes GCHQ namens Tempora. Durch das Anzapfen von Internetknotenpunkten und Glasfaserkabeln kann Tempora den weltweiten Telekommunikations- und Internetdatenverkehr überwachen.

Nicht nur die Verbindungsdaten, nein, auch der komplette Inhalt von E-Mails und Telefonaten wird gespeichert, allein bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen täglich. Auch Tempora basiert selbstverständlich auf geltendem britischem Recht. Mielke wäre stolz gewesen.

Im Gegensatz zu Prism und den USA, die sich seither erfolgreich der internationalen Gerichtsbarkeit entziehen, handelt es sich bei Tempora um das EUMitglied Großbritannien. Ganz offensichtlich hat Großbritannien mit den Überwachungsaktivitäten gegen geltendes EU-Recht sowie gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

Im Sinne der europäischen Grundrechte müssen ein solch eklatanter Verstoß geahndet und alle Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu zählt auch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission.

(Beifall von den PIRATEN)

Denen, die behaupten, die Geheimdienste unterlägen nicht den Regelungen des Unionsrechts, muss man einfach entgegenhalten: Die Aushebelung der europäischen Grundwerte und die Installierung eines Kontrollstaates sind unserer Ansicht nach jedenfalls nicht mit der europäischen Rechtsordnung vereinbar.

(Beifall von den PIRATEN)

Was hier geschieht, geht ganz klar über die Grenzen geheimdienstlicher Tätigkeiten hinaus. Wer das nicht einsieht, ist auf einer Linie mit Erich Mielke.

Millionen von Euro gibt die Europäische Union jährlich für große Hochglanz-Imagekampagnen aus, in der vagen Hoffnung, so die Menschen in Europa von gemeinsamen Werten und Idealen überzeugen zu können. Doch Sie können noch so viel buntes Papier bedrucken – wenn die Einhaltung der eigenen Grundrechte nicht endlich durchgesetzt wird, sind alle Bekenntnisse zu einer wertebasierten EU zynisch und verlogen. Ich kann die Menschen verstehen, die von einem wertelosen Europa nichts mehr wissen wollen.

Ich komme zum Schluss. – Wir Piraten bleiben dabei: Die Entwicklung der Geheimdienste hin zu einer internationalen Stasi mit Fernbedienung bekämpfen wir aufs Schärfste. Denn Überwachung ist wie Radioaktivität: Man merkt nichts – erst mal. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht der Herr Kollege Münchow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rede vor Ihnen live. Mich kann jeder sehen: Die Kollegen können mich sehen, die Besucher auf der Tribüne können mich sehen, man kann mich im Livestream sehen und eventuell morgen im Fernsehen. Vielleicht kann man es auch in der Zeitung nachlesen. Auch kann man es wahrscheinlich in sozialen Netzwerken nachlesen, wenn ich hinterher schreibe, dass ich heute am Rednerpult gestanden habe und was ich heute gesagt habe.

Aber was ich mit Kolleginnen und Kollegen untereinander bespreche, wenn ich mit Verbänden telefoniere oder mich mit einem Unternehmen per E-Mail austausche: Dieser Inhalt muss geheim bleiben. Das geht keinen etwas an. Das gilt nicht nur für Abgeordnete, das gilt für Journalisten, das gilt für Pfarrer, aber ist auch in vielen anderen Fällen für die Menschen von deutlicher und zentraler Bedeutung im Umgang miteinander und für das Vertrauen, das Menschen ihren Gesprächspartnern entgegenbringen.

Aber wie stehen wir heute da? China hört uns ab, Russland wahrscheinlich auch, vielleicht noch andere Staaten. Das haben wir immer geahnt. Ich denke, die Bundesregierung hat das auch gewusst. Aber dass unsere Freunde und Verbündeten wie die USA – ich will mich aber auf Großbritannien konzentrieren – das tun, überschreitet eine Linie deutlich.

Welchen Zweck verfolgen die Briten? Sicherlich ist die Abwehr von Terror ein Grund, aber wohl kaum die Sammlung und Analyse in dem Ausmaß, das uns von Edward Snowden vor Augen geführt wird. Formell muss man den Tatbestand wohl Spionage nennen; zumindest heißt das so im allgemeinen Sprachgebrauch. Ob es aber nun Wirtschaftsspionage ist, die unseren Unternehmen schadet, egal ob Freund oder Feind unsere Technologie ausspäht oder ob es sich um andere Gründe handelt: Es ist schlicht nicht zu tolerieren.

Nun müssen wir prüfen, was an den Behauptungen dran ist, die aufgestellt worden sind. Hier komme ich zum Antrag der Piratenfraktion. Zuerst gilt es, einmal zu prüfen, was wirklich passiert ist und wie groß der Umfang der Bespitzelung ist. Wir brauchen eine vernünftige Recherche. Dabei habe ich gegenüber dem Landesinnenministerium ein sehr großes Vertrauen. Ich hoffe, Herr Friedrich in Berlin kann das Vertrauen auch bestätigen. Da habe ich ein bisschen mehr Skepsis.

Wenn sich aber nach der Prüfung herausstellt, dass Großbritannien gegen geltendes Recht verstoßen hat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, dann kann es nicht nur, nein, dann muss es ein Vertragsverletzungsverfahren geben. Das muss gegen Großbritannien als Mitglied der Europäischen Union eingeleitet werden.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ich halte es da mit Wolfgang Bosbach, der vor einigen Tagen gesagt hat: „Wir werden den Rechtsstaat nicht verteidigen, indem wir seine Prinzipien außer Kraft setzen.“ Daran sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, sich vielleicht ein Beispiel nehmen.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat das auch bestätigt. Sie sagt:

„Die Kontrollfunktion von Parlament und Justiz zeichnet einen freien und demokratischen Staat aus. Sie kann aber nicht ihre Wirkung entfalten, wenn Regierungen bestimmte Maßnahmen in Schweigen hüllen“.

Gerade vor etwa fünf Minuten habe ich aktuell im „Spiegel“ gelesen, dass eine Tickermeldung gekommen ist, dass Angela Merkel das ganz anders sieht. Sie hat sich heute zum ersten Mal geäußert und findet es ganz normal, dass deutsche Bürger, dass Abgeordnete usw. abgehört werden. – Ich habe es nicht im Detail lesen können, weil es einfach zu kurzfristig kam.

(Lothar Hegemann [CDU]: Aber schon einmal gesagt!)

Ich habe es erst kurz gelesen, weil es gerade erst durch den Ticker kam. Man kann das noch einmal nachrecherchieren. Sie können sicherlich gleich in Ihren Stellungnahmen darauf eingehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.