Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Kruse das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch im vergangenen Jahr hat die Gewalt gegen Polizeibeamte in NordrheinWestfalen deutlich zugenommen. Im Jahre 2012 ist die Zahl der im Dienst von Gewalt, passivem Widerstand und Beleidigungen betroffenen Beamten auf über 10.000 Personen gestiegen.

Ja, es ist nicht nur so, dass Polizistinnen und Polizisten im täglichen Einsatz beschimpft, beleidigt oder bedroht werden, sie werden auch tätlich und/oder gewalttätig angegriffen, weil sie rechtsstaatliche Autorität repräsentieren und diese durchzusetzen haben.

Wir sind uns, so denke ich, darin einig, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in der Erfüllung ihrer schönen, aber auch anspruchsvollen und schwierigen Aufgabe die uneingeschränkte Rückendeckung durch die Politik verdient haben.

(Beifall von Andreas Bialas [SPD])

Ein aus Sicht der CDU-Fraktion notwendiger Vertrauensbeweis vonseiten der Politik und der Gerichte wäre es jedoch auch, wenn die Täter von Gewalt gegen Polizeibeamte mindestens genauso bestraft würden wie andere Gewalttäter.

Die Gewerkschaft der Polizei hat in ihrer Pressemitteilung vom 6. Mai 2013 die Erwartung geäußert – mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich kurz zitieren –,

„dass die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein konsequenteres Vorgehen der Gerichte gegen die Gewalttäter schafft. ‚Wir brauchen endlich eine Änderung des Strafgesetzbuches, mit der Polizisten, Feuerwerkleute und Rettungssanitäter, die während ihres Dienstes angegriffen werden, unter den Schutz des Staates gestellt werden.‘„

Deswegen unser vorliegender Antrag und unsere Initiative.

Die rot-grüne Landesregierung unternimmt aus Sicht der CDU-Fraktion zu wenig gegen die zunehmende Aggression gegenüber Polizeibeamten. Zwar hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der Regierungserklärung vom vergangenen Jahr das Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ angesprochen und angekündigt, dass sie sich durch eine sogenannte Woche des Respekts an den nordrheinwestfälischen Schulen darum bemühen möchte, die Gewalt gegenüber Polizeibeamten einzudämmen, auf die Umsetzung warten wir aber noch heute.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vielleicht kommt sie unmittelbar vor den Bundestagswahlen. Wer weiß! Allerdings haben wir erhebliche Zweifel daran, dass sich Gewalttäter von einer solchen, lediglich einmal jährlich stattfindenden Woche des Respekts tatsächlich beeindrucken lassen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, inzwischen kommt in etwa alle 90 Minuten ein Polizist in Nordrhein-Westfalen zu Schaden. Bedauerlicherweise kommen die Täter zumeist ungeschoren oder mit einer vergleichsweise geringen Geldstrafe davon, weil der bestehende Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe praktisch nie ausgeschöpft wird. Deswegen ergreifen wir heute erneut die Initiative und sind der Auffassung, dass neben einer

Strafverschärfung für Angriffe auf Polizeibeamte eine Beschränkung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsmöglichkeiten bei entsprechenden Strafverfahren geboten ist.

Gewalt gegen Polizeibeamte ist aus unserer Sicht kein Kavaliersdelikt und muss konsequent sanktioniert werden. Anderenfalls werden die Ordnungshüter in unserem Staat zunehmend zu Statisten, mit denen sich sozusagen jedermann ungestraft anlegen darf. Hierzu darf es aus unserer Sicht nicht kommen.

Ich weiß sehr wohl – Herr Minister Kutschaty wird gleich für die Landesregierung das Wort ergreifen –, dass wir einen ähnlich lautenden Antrag am 22. Dezember 2011 hier eingebracht haben.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Und 2010! – Zu- ruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ja, wir haben einen ähnlichen Antrag eingebracht, Herr Kollege Körfges. – Ich darf für alle in Erinnerung rufen, dass es zu einer abschließenden Beratung aufgrund der kurzen Legislaturperiode dann nicht mehr gekommen ist.

An dem Sachverhalt, an dem Tatbestand und an den Notwendigkeiten, den Strafrahmen entsprechend anzupassen, hat sich aus meiner Sicht aber nichts geändert. Wir fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Strafrahmen, wie in unserem Antrag formuliert, ergänzt und entsprechend angehoben wird.

Natürlich freuen wir uns auf die Beratung in den zuständigen Ausschüssen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kruse. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Bialas.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In letzter Zeit habe ich sehr vieles von der CDU gelesen.

(Thomas Kufen [CDU]: Sehr gut! – Theo Kruse [CDU]: Das ist immer gut! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Lesen bildet!)

Ich kann Ihnen sagen: Das war wahrlich keine Freude.

Bereits 2009 schreiben Sie in einem Positionspapier – ich darf zitieren –:

„Wir sind der Ansicht, dass der Respekt vor unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gebietet, das Mindeststrafmaß für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte … auf drei Monate Freiheitsstrafe zu erhöhen.“

Wenig später schreiben Sie:

„Wir setzen uns daher auf Bundesebene für eine entsprechende Erhöhung des Strafrahmens ein.“

Unmittelbar daran schließt sich die spannende Frage an: Was haben Sie getan? – Ich kann diese Spannung unheimlich schnell auflösen: Sie haben nichts getan.

Bereits seit 2009 – es tut mir leid, dass ich Sie daran erinnern muss – haben Sie eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bund. Also haben Sie in der Regierungsverantwortung bezüglich des Mindeststrafmaßes nichts gemacht.

Sie haben auch immer stellvertretende Vorsitzende in Ihrer Bundespartei gehabt – mit Herrn Rüttgers, Herrn Laschet und Herrn Röttgen, der sogar mit am Kabinettstisch saß.

Und wo und wann kam da etwas? Ich habe gesucht, wann denn nun einmal etwas passierte, und dazu viel gelesen: Gesetzentwürfe, Anträge, Koalitionsprogramme, Regierungsprogramme 2009 bis 2013, Initiativen und Beschlüsse auf Bundesparteitagen. Ich fand: nichts.

Eine Änderung des § 113 StGB hat tatsächlich stattgefunden. Wir haben sie in der IMK auch mitgetragen. Dabei ging es allerdings darum, dass die Privilegierung aus dem § 113 verschwindet und dass das Mitführen von gefährlichen Gegenständen strafschärfend wirkt. Das ist auch sinnvoll.

Im Hinblick auf eine Mindeststrafe ist aber nichts geschehen. Da war Fehlanzeige.

Auch was Eingriffe in die Freiheit von Richtern und die Offenbarung eines Verständnisses, die Gewaltenteilung aufzuweichen und aufzugeben, angeht, herrschte Fehlanzeige – zum Glück Fehlanzeige.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Was Eingriffe in den § 154 StPO betrifft, war ebenfalls Fehlanzeige.

In Bezug auf Schelte der Dienstvorgesetzten, weil diese die Polizisten bei berechtigten Anzeigen anscheinend oftmals nicht unterstützen, herrschte genauso Fehlanzeige.

Daraufhin habe ich mir gedacht: Wenn Sie eben seit 2009 nicht dazu gekommen sind – vier Jahre sind ja eine kurze Zeit –, dann finde ich bestimmt im aktuellen Wahlprogramm der CDU etwas dazu. – Aber auch da: nichts.

Als Nächstes habe ich mir gedacht: Dann hast du bei deinem Studium nicht aufgepasst. Das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung werden bestimmt auf Bezirksvertretungsebene oder auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene geregelt. – Das ist aber nicht so. Dafür ist definitiv die Bundesebene zuständig. Das ist Bundesrecht. Da tragen Sie Verantwortung – oder müssten Verantwortung tragen.

Wissen Sie, was ich mir dann noch gedacht habe? Dieses Thema ist beileibe nicht lustig. Jeder verletzte Polizist ist ein verletzter Polizist zu viel. Da sind wir uns in der Tat einig. Dann darf man aber auch keinen billigen Oppositionsklamauk auf dem Rücken der verletzten Kolleginnen und Kollegen machen. Das ist unappetitlich und unanständig. Sich nach Nichtstun auf den kaputten Knochen der Beamtinnen und Beamten profilieren zu wollen, zeigt eine eiskalte Einstellung gegenüber den Menschen, die in der Tat jeden Tag den Kopf hinhalten.

Bei jedem Ihrer fast gleichlautenden Anträge – 2010 und 2011; 2012 war er mit Castor ein bisschen anders gestellt; 2013 kommt er jetzt wieder – sprechen Sie Bundesgesetze an. Im Bund haben Sie eine Mehrheit und tun dort definitiv nichts.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt aufgreifen. Wir haben das Datenmaterial im Lagebild sehr deutlich sehen können.

Übrigens: In Bezug auf die Höhe der Verurteilungen heißt es häufig, dass da nichts geschehe oder dass es sich um Kavaliersdelikte handele, die überhaupt nicht geahndet würden. Das habe ich persönlich nie erlebt. Jedes Mal, wenn ich in einem Gerichtssaal war, in dem solche Straftaten zusätzlich zu anderen Tatbeständen verhandelt worden sind, ist in den Urteilen ein entsprechendes Strafmaß zusätzlich draufgepackt worden. Ich kenne das nicht anders. Vielleicht bräuchten wir da auch einmal sehr exaktes Datenmaterial und nicht nur ein Wühlen in gefühlten Eindrücken.

Aber was zeigt denn das Datenmaterial? Das Datenmaterial zeigt häufig den Zustand der Schuldunfähigkeit – ganz kurz gesagt: zu jung, zu dumm, zu besoffen. In der Regel sind es schwer betrunkene Menschen, die diese Delikte begehen. Und dann hilft Ihnen auch kein § 113. Das wissen Sie selbst. Insoweit ist das ebenfalls eine reine PseudoSymbolpolitik.

Es tut mir sehr leid, Sie darauf hinweisen zu müssen, dass man auch wesentlich konsequenter auf die Rahmenbedingungen der Gewalt eingehen und diese betrachten muss. Ich erinnere nur einmal an das, was permanent in der Düsseldorfer Altstadt geschieht. Dort trägt die Stadt Düsseldorf auch eine Mitverantwortung.

Vor allen Dingen muss man Folgendes berücksichtigen: Jawohl, es waren mehr Angriffe; vollkommen richtig. Es waren aber weniger Verletzte. Anscheinend hat die geänderte Ausbildungspraxis dazu beigetragen, dass das Bewusstsein der Polizisten höher ist, sich selbst zu schützen.

Das ist ein richtiger Weg. Wir werden leider, leider Gewalt nicht komplett abschaffen können. Aber wir müssen weiter konsequent auf dem Weg gehen, dass die Folgen von Gewalt ausgeschlossen werden können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Kollegin Schäffer.