Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Was waren das für Gründe? – Sie waren damals vielfältig, aber die sachlichen Gründe waren ziemlich klar. In dem Entschließungsantrag der CDU hieß es damals: Aufgrund der Expertenanhörungen seien Nachbesserungen am Entwurf erforderlich; vor allem die Entwicklung von Jugendschutzprogrammen müsse beschleunigt werden. – Andreas Krautscheid sprach damals von einer gewissen Erleichterung darüber – Zitat –, „dass noch einige Zeit ins Land gehen kann, um diesen Staatsvertrag nachzuarbeiten.“

Was ist seitdem geschehen? Es ist mittlerweile einige Zeit ins Land gegangen. Und, Herr Kollege Vogt, hat sich in der Zeit viel Positives getan? – Ich würde sagen: In Bezug auf das Jugendmedienschutzgesetz und auf die staatsvertraglichen Regelungen ruht seitdem still der See. Wir wissen nur, dass die Ministerpräsidenten im Herbst vorigen Jahres die Rundfunkkommission der Länder aufgefordert hat, einen neuen Entwurf zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren, die Situation ist ja seit 2010 eher noch viel komplizierter geworden: Mangelnde Anonymität und Datenunsicherheit im Netz haben ganz neue Dimensionen erreicht. Die jungen Leute haben sicher keine Probleme mit Nutzungskompetenz, aber mit Stalking, Sucht und Mobbing. Die sozialen Netzwerke bringen erhebliche Probleme, und Kinder sind kaum noch zu schützen, nicht alleine vor jugendgefährdenden Angeboten, sondern vor allem vor den Folgen einer Mediennutzung, nach der zum Beispiel die Attraktivität eines Menschen vor allen Dingen an der Zahl der Followers, Friends oder Likes orientiert wird, mit den entsprechenden Folgen für die Verlierer dieser Kampagnen.

Die Social Medias selbst machen die Inhalte immer offener zugänglich. Heute übrigens gibt es gerade eine Veränderung: Facebook hat ab heute ermöglicht, dass auch Minderjährige ihre Inhalte allgemein öffentlich zugänglich machen können. Allerdings erscheint, wie Facebook vorhin mitteilt, ein Warnhinweis, in dem man sagt, welche Folgen und Konsequenzen das hat. Aber, auch Minderjährige können jetzt auf Facebook ihre Informationen allgemein öffentlich bekannt machen.

Es gibt also dringenden Handlungsbedarf für Aufklärung, Hilfe und Regeln. Andreas Krautscheid fragte damals ganz selbstkritisch, ob man sich nicht viel Ärger und Nachsitzen beim Staatsvertrag hätte ersparen können, wenn man die Absichten früher mit den Leuten aus der Netzgemeinde besprochen hätte.

Damit sind wir ja beim heutigen Antrag der Piratenfraktion. Wie sieht es denn mit den Informationen aus? – Ende April dieses Jahres informierte die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien den Ausschuss über den Stand der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages. Kernsatz des Berichtes ist die erste Zeile. Da heißt es: „Zurzeit liegt noch kein Entwurf eines 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vor...“ Und weiter wird mitgeteilt: Die Fachebene erarbeitet zurzeit Vorschläge zum Medienkonzentrationsrecht und zum Jugendmedienschutz.

Die Antwort auf die Große Anfrage der Piraten bringt uns da nicht schrecklich viel weiter. So möchte ich nun zu dem Antrag der Piratenfraktion kommen.

Dass die Arbeitsweise der Rundfunkkommission intransparent ist, das haben wir auch hier schon bei einer anderen Debatte kritisch angemerkt, denn das stimmt. Bei einer intransparenten Arbeit wird die Landesregierung ein erneutes Scheitern von Regelungen des Jugendmedienschutzes billigend in Kauf nehmen. Ja, diese Gefahr ist ganz real. Richtig ist auch die Forderung nach regelmäßiger Unterrichtung der Landtagsabgeordneten über den Sachstand der Verhandlungen, und das nicht nur formal, sondern auch inhaltlich.

Aber andere Ihrer Lösungsansätze sind höchst problematisch. Nehmen wir Ihre Forderung nach einem dauerhaften Online-Konsultationsportal. Die Landesregierung hat bei dem Online-Prozess zum Landesmediengesetz – was ja, wie ich neuerdings weiß, keinen Entwurf darstellt, sondern eher eine Ideensammlung zu einem Landesmediengesetz – vor allen Dingen als Ergebnis bekommen, dass sich die gemeldet haben, die finanziell betroffen wären, wenn sie beschnitten würden, nämlich die Bürgerfunker. Es haben sich fast nur Bürgerfunker gemeldet. Dieses Online-Portal ist ein ziemlicher Schuss in den Ofen.

Das heißt, damit kann man nicht unbedingt auch die Transparenz und Nachfrage erreichen, die man sich wünscht. Die Beteiligung der Öffentlichkeit entbindet nicht von den Kommunikationsanforderungen mit Fachleuten und den politisch Verantwortlichen.

Auch eine generelle Öffentlichkeit der Sitzungen der Rundfunkkommission mit Live-Streaming scheint mir nicht zielführend. Wir haben übrigens im Rundfunkrat des WDR gerade noch darüber debattiert und haben gesagt: Es gibt gute Gründe dafür, Sitzungen sowohl mit öffentlichen als auch nichtöffentlichen Teilen zu machen. Eine generelle Öffentlichkeit ist nicht zielführend.

Aber dass die Rundfunkkommission auch über sich selbst deutlich besser informieren muss, das ist zu unterstreichen. Versuchen Sie nur einmal, die Mitglieder der Rundfunkkommission im Internet herauszubekommen. Außer der Vorsitzenden bekommen Sie noch nicht einmal die Mitglieder der Rundfunkkommission heraus.

Einer Verfassungsänderung zugunsten eines imperativen Mandates bedarf es auch nicht. Die Durchsetzung und Entscheidungsfähigkeit des Parlamentes ist auch bei Gemeinschaftsbeschlüssen aller Länderparlamente gegeben, wie das Scheitern im Jahr 2010 gezeigt hat.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wenn wir Ihren Antrag ablehnen, heißt das nicht, dass wir die Landesregierung nicht dennoch dringlich an die Gebote der Transparenz und Information erinnern, damit die Fachpolitiker die Entwicklung der Staatsverträge begleiten können.

Wenn der Antrag der Piraten noch einmal auf die Dringlichkeit eines seit 2010 liegen gebliebenen Vertragsprojektes aufmerksam gemacht hat, dann hat er ein wichtiges Ziel erreicht – nicht zuletzt im Interesse der Jugendlichen, der Kinder und der Menschen, die man verharmlosend „Community“ nennt. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Sternberg. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Bolte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bald drei Jahre her, dass der Landtag in seiner Sitzung am

16. Dezember 2010 den 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einstimmig abgelehnt hat. Das war, wie Prof. Sternberg es gerade schon umrissen hat, ein bemerkenswerter Vorgang, auch wenn es nicht der allererste abgelehnte Staatsvertrag war, sondern der zweite.

Ich glaube aber, es ist tatsächlich ein bemerkenswerter Vorgang, aus dem – das habe ich damals auch schon gesagt – gerade für uns als Landtag auch eine Verantwortung erwachsen ist, bei der Gestaltung eines zukunftsfähigen Kinder- und Jugendmedienschutzes mitzuwirken.

Wir haben heute in dieser 42. Sitzung nicht die Antwort auf das Leben des Universums und den ganzen Rest vorliegen, aber immerhin die Antwort auf eine Große Anfrage der Piratenfraktion. Ich finde, die wichtigste Antwort aus dieser Großen Anfrage ist: Es gibt schlicht und ergreifend noch keinen neuen Entwurf für einen neuen JugendmedienschutzStaatsvertrag. Aber es gibt Vorgaben und Leitlinien, anhand derer eine solche Novelle entstehen soll.

Wir haben immer gesagt – das ist auch weiterhin der Fall –: Wir wollen einen Kinder- und Jugendmedienschutz, der effektiv wirkt, der die Freiheit des Internets achtet und der auch in technischer Hinsicht der Netzrealität angemessen ist. Ich finde, in der Antwort der Landesregierung sind viele Eckpunkte erkennbar, die das widerspiegeln.

Das oberste Ziel der Neufassung eines Staatsvertrages muss eine rechtssichere und für alle nachvollziehbare Regelung sein. Es war gerade dieses Thema, meine Damen und Herren, das damals bei sehr vielen Menschen Verunsicherung hervorgerufen hat. Wenn man sich den Staatsvertrag vornimmt, dann muss das gewährleistet sein.

Auch die Frage der Freiwilligkeit war damals hoch umstritten. Dass Freiwilligkeit wirklich freiwillig sein muss, ist ein Thema, das wir aufgreifen müssen. Die Frage des Anbieter-Begriffs wird immer wieder thematisiert. Das sind alles Fragen, bei denen wir aus der Novelle 2010 für eine Neuregelung lernen müssen.

Der zweite Punkt, den ich aufgreife, ist der, dass es der Netzrealität angemessen sein muss, worüber wir da sprechen. Das ist die Tatsache, dass die Welt im Internet eine andere ist als in den klassischen Medien. Dem muss sich der Kinder- und Jugendmedienschutz stellen. Das machen wir, wenn wir Kinder und Jugendliche in der Medienkompetenz fördern. Herr Kollege Vogt hat eben schon viele Projekte umrissen, die es gibt, mit denen wir unter Rot-Grün Verbesserungen herbeigeführt haben.

Es geht aber auch um neue Regelungsinhalte wie User-generated Content. Das hat damals viel Verunsicherung, viel Kritik herbeigeführt. Dazu kommen

Fragestellungen wie der internationale Rahmen, den das Internet mit sich bringt, aber auch neuere Entwicklungen wie mobiles Internet, bei dem wir es auch mit Regelungshorizonten zu tun haben, die wir aus anderen Bereichen der Medienregulierung so nicht kennen.

Was ich auch an einer Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ganz wichtig finde, ist die Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche auch unterschiedliche Schutzbedürfnisse und Schutznotwendigkeiten haben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das waren eher die kritischen Punkte als allein die Frage, ob es genügend Konsultationen, genügend Beteiligung der Community gab. Ich glaube, es waren eher die inhaltlichen Fragestellungen, die damals zum Scheitern der Novelle geführt haben.

Ich will aber auch sagen, dass durchaus viel passiert ist. Man kann sich nicht hier hinstellen und sagen, es sei nichts passiert, es habe keine Beteiligung gegeben. Auch das ist gerade schon umrissen worden. Die Landesregierung hat ja eine breite Beteiligung, eine breite Online-Konsultation genau zu diesem Thema Jugendmedienschutz durchgeführt: Wie kann das zukunftsfähig aufgestellt werden?

Es hat auch Verbesserungen bei den Informationsrechten bei der Erstellung von Staatsverträgen gegeben. Der Landtag wird frühzeitig informiert, wenn Staatsverträge am Horizont auftauchen. Wir haben insgesamt, glaube ich, auch die Chance ergriffen, die Diskussion neu und mit vielen Beteiligten zu führen. Es gab, wie gesagt, diverse Diskussionen und Konsultationen. Sich hinzustellen und zu behaupten, es sei gar nichts passiert, ist ziemlich neben der Realität.

Ich finde es richtig, dass dieser Prozess viel Zeit beansprucht, Herr Prof. Sternberg. Sie haben das eben als eine liegen gebliebene Baustelle thematisiert. Nein, das finde ich überhaupt nicht. Es ist völlig richtig, dass man sich die Zeit nimmt. Wir haben es damals ganz klar gesagt. Es geht nicht darum, dass wir ein paar Formulierungen aus der alten Novelle ändern, und auch nicht darum, das Ganze ein bisschen hübscher zu verkaufen. Vielmehr geht es um einen Rechtsrahmen, der einen Rahmen für die Bedingungen des digitalen Zeitalters schafft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss zum Schluss kommen. Mir ist es aber schon wichtig, zu betonen, dass wir in den vergangenen drei Jahren Verbesserungen bei den Informationsmöglichkeiten für das Parlament herbeigeführt haben. Das ist richtig so. Es ist auch richtig, dass wir als Parlament den Anspruch haben, politischen Willen zu formulieren. Ich glaube aber, dass das, was Sie mit dem imperativen Mandat vorgeschlagen haben, so nicht funktionieren wird. Es kann auch nicht funktionieren, wenn eine Landesregierung überhaupt keine Mög

lichkeiten mehr hat, in Verhandlungen Spielräume aktiv zu nutzen.

Lassen Sie uns auch diese Fragen in der vor uns liegenden Ausschussdebatte thematisieren. Lassen Sie uns das Thema „zukunftsfähiger Kinder- und Jugendmedienschutz“ gemeinsam vernünftig ausgestalten. Das werden wir im Ausschuss tun – und nicht nur dort; das verspreche ich Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Bolte. – Für die FDP-Fraktion kommt nun Herr Kollege Witzel ans Rednerpult – natürlich nur, wenn er will. Davon gehe ich aber aus.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie kennen doch Herrn Witzel!)

Eben.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat in ihrer Vorbemerkung auf die Antwort zur Großen Anfrage 6 zwei wichtige Sätze festgeschrieben. Ich darf zitieren:

„Jugendschutz liegt in der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Er hat seinen Bezugsrahmen insbesondere innerhalb der Familie und in der Schule, aber auch im sozialen Gefüge allgemein und damit ebenso in Bezug auf die Nutzung moderner Medien.“

Diesen Aussagen können Liberale gern zustimmen. Dem Schutz unserer Kinder und Jugendlichen müssen wir besondere Bedeutung beimessen. Gleichzeitig müssen wir uns aber bewusst sein, dass gesetzliche Regelungen alleine nicht ausreichend sind. Möglicherweise können sie an der einen oder anderen Stelle sogar kontraproduktiv sein.

Was für uns als Liberale gerade im Bereich der modernen Medien zählt, ist der Auf- und Ausbau von Kompetenz, nämlich der Medienkompetenz. Diese Ausbildung der Medienkompetenz muss sich auch gesamtgesellschaftlich niederschlagen.

Wer einen effektiven Jugendschutz will, darf sich nicht auf die Jugendlichen selbst beschränken. Auch Eltern und Lehrer, also öffentliche Multiplikatoren, müssen sich im breit gefächerten Angebot der Medienkompetenzförderung wiederfinden können.

Die Landesregierung hat hierzu für den Haushalt 2014 einen Ideenansatz geliefert. In Kürze wird an geeigneter Stelle noch gesondert darüber zu sprechen sein, was genau Sie sich dort inhaltlich vorstellen.

Nach der Antwort auf die Große Anfrage der Piraten sollte die Rundfunkkommission den Regierungschefs einen Entwurf für einen Staatsvertrag bis zum

Herbst dieses Jahres vorlegen. Vielleicht erfahren wir gleich noch, ob dies nun schon erfolgt ist oder nicht, und erhalten auch eine Antwort auf die Frage, ob mittlerweile absehbar ist, über welchen Zeitrahmen bis zu einem neuen JugendmedienschutzStaatsvertrag wir uns unterhalten.

Nun komme ich zum Antrag der Piraten. Ihr Antrag bezieht sich im Grunde auf die bereits bestehende Erkenntnis des Landtags, dass die Transparenz bei der Ausarbeitung von Staatsverträgen oft zu wünschen übrig lässt und Länderparlamente faktisch nur eine Abnickfunktion haben. Das ist natürlich nicht in Ordnung. Alle selbstbewussten Demokraten sollten das in der Tat so sehen.

Die heutige Situation ist zweifelsfrei unbefriedigend. Wir haben dies als FDP-Landtagsfraktion verschiedentlich dargestellt und gerade am Beispiel dieses Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in der 15. Legislaturperiode hierzu umfangreich debattiert. Wir haben in der letzten Legislaturperiode eigene Antragsvorhaben dazu vorgelegt. Hier ist es auch notwendig, den Partizipationsprozess vor Vorlage eines endgültigen Textes für Staatsverträge zu optimieren.

Nach dem Scheitern des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages sollte im Landtag Nordrhein