Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Soweit ich mich erinnere, fordern wir einen Computerarbeitsplatz für je 100 Flüchtlinge in einer Unterbringungseinrichtung, damit sich die Menschen über die Situation in ihrem Heimatland informieren und gegebenenfalls mit ihren Angehörigen zu Hause kommunizieren können. Woher ist die Information, dass wir das für jeden Flüchtling fordern würden?

Vielen Dank für die Frage. Herr Kollege Herrmann, ich zitiere aus Ihrem Antrag:

„Es soll ein Sofortprogramm in die Wege geleitet werden, um in sämtlichen Unterbringungen in NRW Internet- und Computerarbeitsplätze in ausreichender Menge für die Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.“

Liebe Piraten, das mag, wie Sie es immer nennen, „piratig“ klingen. Und es muss auch immer alles irgendwie mit IT zusammenhängen. Aber das geht an der Realität der Flüchtlingspolitik in den Kommunen einfach vorbei.

(Beifall von der FDP)

Wir haben dezentrale Einrichtungen; da werden vier oder fünf Leute untergebracht. Wir sind froh, wenn wir dort zivilgesellschaftliches Engagement haben, sodass sie vor Ort betreut werden. Es ist schwierig genug, das aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dann muss man dort jetzt nicht auch noch zwin

gend einen IT-Arbeitsplatz einrichten. Also, liebe Leute, lassen wir die Kirche da bitte im Dorf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden mit der Frage der Integration von Flüchtlingen in den nächsten Jahren noch vor sehr großen Herausforderungen stehen. Herr Körfges, Sie haben das angesprochen. Mir geht es emotional genauso. Auch ich würde gerne die Probleme in den Herkunftsländern regeln. Wir sagen ja immer, die Probleme müssen in den Herkunftsländern gelöst werden. Aber das können wir als Landtag nicht. Wir müssen uns hier überlegen, welche Möglichkeiten wir denn haben, um mit den steigenden Zahlen vor Ort umzugehen und uns um die Flüchtlinge zu kümmern.

Ich glaube, es ist eine große Herausforderung, die Zivilgesellschaft hier mitzunehmen. Wir haben vor Ort Kirchengemeinden und Vereine, die bereit sind, sich hier entsprechend zu engagieren.

Ich habe dazu bereits ein Gespräch mit der Evangelischen Kirche auf der Landesebene geführt. Es gibt die Idee, ob man mit dem Landessportbund und anderen einen runden Tisch einrichtet, um zu überlegen, wie man den Akteuren vor Ort Möglichkeiten der Betreuung und Möglichkeiten der Beteiligung an der Integration der Flüchtlinge aufzeigen kann. Ich glaube, dass hier zivilgesellschaftlich ein sehr großes Potenzial vorhanden ist.

Ich versuche das jedenfalls in meinem Wahlkreis, in dem wir eine kleine dezentrale Einrichtung haben. Ich bin gerade dabei, mit den Kirchengemeinden einen Arbeitskreis Asyl vor Ort aufzubauen. Ich hoffe, dass ich auch die örtlichen Vereine dafür gewinnen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass das an vielen anderen Orten auch möglich ist.

Das wird aber nicht an jedem Ort gehen. Wir haben – auch da müssen wir ehrlich sein – auch Stadtteile, die insgesamt mit der Situation überfordert sind. Deswegen ist es wichtig – der Innenminister hat das ausgeführt –, dass man diese Situation nicht irgendwelchen Rattenfängern überlässt und auch nicht der Versuchung erliegt, dort mit ein paar schicken, schnellen Parolen, auch in Richtung Kommunalwahl, Stimmung zu machen. Man muss verantwortlich damit umgehen. Aber dazu gehört eben auch, dass man sich verantwortlich fühlt.

Herr Körfges, Sie haben gesagt, wir können hier nicht alle Probleme der Welt lösen. Aber wir haben, wie wir feststellen, wenn wir uns die Herkunftsländer angucken, natürlich die Möglichkeit, einmal über ein Land zu sprechen: Serbien. Ich bin mit unserer Europafraktion – Sie haben ja auch Kontakte zu Ihrer Fraktion – im Gespräch, wie man hier ganz anders Druck machen kann. Wir wissen ja, welche Asylbewerber aus Serbien kommen. Das sind Angehörige dort ethnisch verfolgter Minderheiten. Die EU hat gegenüber Serbien ein gewisses Druckpotenzial, das aus meiner Sicht nicht ausgereizt wird.

Das gilt übrigens – auch wenn das eine ganz andere Thematik ist – auch für Rumänien und Bulgarien, was die Armutsflüchtlinge angeht. Ich glaube, dass wir hier nur über die Einbeziehung der europäischen Ebene weiterkommen. Auf Parteiebene kann man vielleicht das eine oder andere anstoßen.

Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich glaube, dass wir eine gute Beratung in den Ausschüssen haben können. Wie gesagt, wir haben angeregt, eine Anhörung dazu durchzuführen. Das sollen die Fachpolitiker bitte noch einmal prüfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Ende der Beratung angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Erstens stimmen wir über den Gesetzentwurf ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/4139 an den Innenausschuss – federführend –, an den Integrationsausschuss, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Mitberatung. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gegenstimmen und Enthaltungen gibt es nicht. Die Überweisungsempfehlung wurde also angenommen.

Zweitens stimmen wir über den Antrag ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/4164 an den Innenausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Integrationsausschuss zur Mitberatung. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Auch hier darf ich wieder fragen, wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte. – Gibt es Widerspruch oder Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

5 Für Wachstum und Wohlstand – Landesregie

rung muss Industriestandort stärken statt ihn durch Bürokratie und Abgabenlast zu schwächen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4154

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4230

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion als erstem Redner Herrn Kollegen Wüst das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucherinnen und Besucher! Vielen herzlichen Dank für die Erteilung des Wortes. Wir hatten gestern eine sehr emotionale, in weiten Teilen auch einige Debatte zum Thema „Outokumpu“ und haben an die Vertragstreue appelliert.

In einer wirtschaftspolitischen Debatte ist es uns wichtig – deswegen haben wir diesen Antrag gestellt –, dass wir nicht den Einzelfall beklagen und dann, wenn es schon passiert ist, an Symptomen herumdoktern, sondern dass wir darüber sprechen, was die Politik tun kann, damit Nordrhein-Westfalen weiter ein starker Industriestandort bleiben kann. Outokumpu ist vielleicht in seinen Auswüchsen ein Einzelfall, in seinen Auswirkungen auf NordrheinWestfalen und den Arbeitsmarkt aber keineswegs.

RWE, Bayer, E.ON, Lanxess, Evonik, ThyssenKrupp, Vodafone, Opel, Siemens und voestalpine haben insgesamt einen Arbeitsplatzabbau von 30.000 Stellen angekündigt, viele davon in Nordrhein-Westfalen. Ganze Werke werden geschlossen bei voestalpine. Das gilt auch für Outokumpu, von Opel gar nicht zu reden. Vielfach lautet die Begründung: Überkapazitäten!

Natürlich kann man fragen „Was hat Politik mit Überkapazitäten in bestimmten Märkten zu tun?“ und mit den Achseln zucken. Ja, dann rückt aber die Frage nach der Standortqualität in den Fokus: Warum findet ein solcher Abbau in NordrheinWestfalen, nicht aber woanders statt? Im Zweifelsfall herrscht natürlich ein harter Standortwettbewerb, wie wir ihn sonst viel augenscheinlicher bei Neuansiedlungen kennen.

Warum investieren Unternehmen immer weniger in Nordrhein-Westfalen? – Wir wissen seit der McKinsey-Studie, dass in Nordrhein-Westfalen nur 18 % des Bruttoinlandsproduktes in neue Anlagen investiert werden. In Bayern und Baden-Württemberg sind es über 20 %, fünf, sechs Prozentpunkte über der Neuinvestitionszahl in NordrheinWestfalen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das stimmt nicht!)

Das IW Köln hat errechnet, dass zwischen 2000 und 2012 insbesondere in der energieintensiven Industrie, wo viel Strom verbraucht wird – da sind wir ja stark in Nordrhein-Westfalen –, nur noch 85 % der Abschreibungen reinvestiert werden. Es gibt eine schleichende Deindustrialisierung durch Desinvestition. Deswegen ist die Frage schon gerechtfertigt: Wo liegt die Ursache?

Wir sind bei der Anhörung zum Wasserentnahmeentgelt Anfang dieses Jahres mit diesem Thema in

Kontakt gekommen. Damals hat Herr Páez-Maletz von den Quarzwerken beschrieben, dass in der letzten großen Wirtschaftskrise – 2008/2009 – an der Peripherie Europas die großen Flachglasstraßen und Papierproduktionen stillgelegt worden sind. Im letzten Jahr, 2012, sind alleine zwei von fünf Flachglasstraßen in Nordrhein-Westfalen stillgelegt worden, während die an der Peripherie weiterliefen. Die Solarglasproduktion ist nach Belgien verlegt worden. In der Papierindustrie gibt es gravierende Fälle von Stilllegungen.

Also: Nordrhein-Westfalen ist in einem StandortBenchmarking offensichtlich nicht so stark, wie wir es uns alle wünschten.

Im Beschlussteil unseres Antrags, den wir gestellt haben, haben wir darauf hingewiesen. Gesetzesvorhaben wie das Klimaschutzgesetz müssen in erster Linie auf Konsequenzen für den Industriestandort abgeklopft werden. Der Klimaschutzplan ist ein Damoklesschwert. Nehmen Sie als Beispiel einmal Bayer in Uerdingen: Bei der Chlorelektrolyse könnte etwas entstehen. Aber die machen sich dort natürlich Sorgen, was mit dem Klimaschutzplan und anderen Auflagen obendrauf kommt, und haben die Investitionen zunächst mal zurückgehalten.

Wir haben hier schon über Landesentwicklungsplanung diskutiert. Natürlich kann man – wie Sie es getan haben, Herr Duin – sagen: Die großen Ufos landen hier nicht mehr!

(Minister Garrelt Duin: Raumschiffe!)

„Raumschiffe“ haben Sie gesagt. Die großen Raumschiffe landen hier nicht mehr. – Vielen Dank für die Erinnerung!

Das Raumschiff HARIBO ist in Nordrhein-Westfalen gestartet und mit einem Standort jetzt in RheinlandPfalz gelandet und eben nicht in Euskirchen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hört, hört!)

Das ist vielleicht kein ganz großes Raumschiff, aber immerhin ein bemerkenswertes und für die betroffene Region schon wichtig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Daran erkennt man, dass Standortfaktoren eine Rolle spielen. Wenn es konkret wird, wenn man hinter die Kulissen schaut, dann sieht man, dass es zum Beispiel um Grundstückspreise geht. Auf die hat man seitens der Politik wenig Einfluss, indirekt vielleicht. Es geht aber auch um die Gewerbesteuer. Wir alle wissen, was vor zwei Jahren durch die Erhöhung des fiktiven Hebesatzes passiert ist: Es gab eine flächendeckende Gewerbesteuererhöhung.

Nach der Anhörung in dieser Woche war auch klar: Die Bürgermeister sehen sich durch den Kommunalsoli – der Solidaritätsleistung, die sie erbringen müssten – außerstande, auf weitere Gewerbesteuerhöhungen zu verzichten.

Es gibt also eine ganze Menge Stellschrauben, über die wir Einfluss nehmen können, um ein anständiger, guter und zukunftsfähiger Industriestandort zu bleiben. Mein Appell lautet: Nicht mehr so viel über die Symptome an den einzelnen Stellen jammern, sondern dafür sorgen, dass wir insgesamt ein besserer Industriestandort werden, als wir es zurzeit sind! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Wüst. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wieder einmal ein Redebeitrag und ein Antrag seitens der CDU, dass alles, was wirtschafts- und industriepolitisch schlecht ist, nur aufgrund der Politik der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen schlecht ist.

(Beifall von der CDU)

Ein paar Redebausteine fehlten, Herr Kollege Wüst. Aber ich denke, dass Sie sich diese heute geklemmt haben, weil sie an der Stelle vielleicht ausnahmsweise nicht passten. Aber in Ihrem Manuskript werden sie sicherlich gestanden haben.