Ich wollte sagen, dass mir immer wichtig war, dass zur sozialen Marktwirtschaft auch ein Ordnungsrahmen gehört. Ich denke, dass es unseren Vorvätern gelungen ist, mit der sozialen Marktwirtschaft Ordnungsrahmen, Spielregeln und Freiheit in einem vernünftigen Maße auszutarieren.
In diese soziale Marktwirtschaft gehört natürlich auch ein Ordnungsrahmen für den Arbeitsmarkt. Es ist etwas anderes, wenn Sie über den Arbeitsmarkt reden, als wenn Sie über den Kartoffelmarkt reden. Denn beim Arbeitsmarkt geht es um Menschen. Da geht es um Menschen, die in Ihrem Beruf auch ihre finanzielle Sicherheit haben. Und ich behaupte: Wer keine Sicherheit hat, gründet keine Familie und setzt keine Kinder in die Welt und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Wir brauchen weiterhin vor allen Dingen sichere und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und Arbeitsplätze in der Selbstständigkeit.
Was sind eigentlich die wichtigen Elemente der Ordnung im Arbeitsmarkt? Da gibt es eine Regel in den großen Wirtschaftsbereichen des Handwerks, dass man sich – zumindest in den meisten Gewerken – nur selbstständig machen kann, wenn man einen Meisterbrief hat. Kein vernünftiger Mensch stellt dies als Unsinn dar. Denn – ich sage es ganz
offen – wer im Handwerk zu doof ist, einen Meister zu machen, der sollte es mit der Selbstständigkeit besser lassen.
Es gibt aber auch einen anderen Grund, und dieser ist ganz klar: Wir wollen, dass wir im Handwerk eine qualifizierte Berufsausbildung haben und dass die Menschen, die ihr Handwerk können, ihren großen Schatz an Wissen, der über Generationen in den verschiedenen Handwerksberufen erworben worden ist, an die nächste Generation weitergeben.
Wenn Sie das rein liberal sehen, dann könnten Sie sagen: Wie kommt man darauf? Es ist schließlich ein schwerer Eingriff in die Gewerbefreiheit, dass man sich nur mit einem Meisterbrief selbstständig machen kann. – Trotzdem sagen wir aus guten Gründen: Der soll bleiben. Wenn irgendwelche Leute in Brüssel meinen, das könne man alles deregulieren: Wehrt euch, was ihr könnt! Der Meisterbrief muss auch in der nächsten Generation in Nordrhein-Westfalen und Deutschland seine Rolle behalten, die er seit eh und je hat!
Meine Damen und Herren, daneben gibt es einen Ordnungsrahmen für den anderen Teil des Mittelstandes, für alle Freiberufler, die beratenden Berufe. Die müssen alle nachweisen, dass sie eine gute Ausbildung haben. Aber wir haben für die beratenden Berufen viele Auflagen gemacht. Teilweise gibt es ein Werbeverbot. Beispielsweise dürfen Ärzte nicht gleichzeitig eine Apotheke betreiben, weil wir wollen, dass sie an dem, was sie veranlassen, wirtschaftlich nicht beteiligt sind. Weil sie diese Unabhängigkeit haben sollen, gibt es eine staatliche Gebührenordnung. Ich bitte Sie, dass wir auch die Freiberuflichkeit als ein wesentliches Element unserer Selbstständigenkultur in unserem Land bewahren. Ich bin dafür, dass zum Beispiel Ärzte freiberuflich tätig sind und dass wir sie nicht zunehmend zu Angestellten von Krankenhäusern im ambulanten Bereich machen.
Aber es gibt auch einen Ordnungsrahmen für die Arbeitnehmer. Dieser Ordnungsrahmen heißt Tarifvertrag. Es geht darum, dass in einer Region, in einer Branche die Löhne für alle gleich sind, damit der Wettbewerb über Innovation, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und nicht darüber stattfindet, wer den billigsten Arbeitnehmer findet.
Wenn ich an die Debatte darüber in den letzten Jahren denke, dann sage ich Ihnen: Ich habe nie verstanden, wie man für Meisterbrief und Gebührenordnung sein kann, aber gegen Tarifverträge. Das habe ich nie verstanden.
Deshalb gehöre ich zu den Menschen, die sich riesig darüber freuen, dass die Bundesrepublik Deutschland jetzt einen Mindestlohn bekommt.
Meine Damen und Herren, ein gutes Gemeinwesen braucht einen starken Staat. Vor Jahren habe ich immer gesagt: Gerade die Schwachen brauchen den starken Staat. Das ist wahr.
Aber während der Finanzkrise habe ich festgestellt, dass auch die Starken den ganz starken Staat brauchen. Ziehen wir also einen Strich darunter: Die wichtigste Aufgabe von Parlamenten und Regierungen ist, die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern.
Meine Damen und Herren, ein Staat, der handlungsfähig sein will, muss solide finanziert sein. Wenn man einmal in die Geschichte von NordrheinWestfalen schaut, dann stellt man fest, dass es seit mehr als 40 Jahren in jedem Jahr Haushaltspläne gab, nach denen wir mehr Geld ausgegeben als eingenommen haben. Wir haben uns wahrscheinlich alle daran gewöhnt. Es gibt eine Ausnahme: Das war das Jahr 2008, als wir im Haushaltsvollzug weniger ausgegeben als eingenommen haben.
Ansonsten war es immer anders. Hierüber mache ich mir riesige Sorgen. Meine Fraktion hat in den Beratungen zu diesem Haushalt und zu dem im letzten Jahr Vorschläge gemacht, wie man Schritt für Schritt zu einem ausgeglichenen Haushalt kommt. Dies hat die Mehrheit des Hauses abgelehnt. Sei‘s drum. Aber selbst dann, wenn man alles das gemacht hätte, was wir vorgeschlagen haben, hätten wir immer noch ein Defizit. Das ist auch die Wahrheit.
Folgende Sache treibt mich seit Jahren um: Von den 16 Bundesländern machen zurzeit sieben keine neuen Schulden. Aber unser Land hat in diesem Jahr 80 % der Kredite aufgenommen, die alle Bundesländer zusammen aufnehmen.
Trotzdem wird hier so getan, als sei das normal. Ich kann nur sagen: Wer den handlungsfähigen Staat behalten will, muss die Schuldenbremse ernst nehmen. Wir müssen in den nächsten Jahren zu ausgeglichenen Haushalten kommen.
Ich komme gleich dazu. – Vor dem Hintergrund, dass Nordrhein-Westfalen so dasteht und auch unsere Kommunen sagen, dass sie nicht gerade überfinanziert seien, um es freundlich auszudrücken, würde ich gerne einmal wissen, warum das bei uns so viel schwieriger ist als bei anderen. Ich weiß nicht, ob ich die Gründe dafür gefunden habe, aber ein entscheidender Punkt wird mir immer bewusster: Wir müssen zugeben, dass wir in NordrheinWestfalen zwar eine starke Wirtschaft haben, aber unsere Wirtschaft etwas langsamer wächst als der Durchschnitt der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Schlaue Leute von McKinsey haben ausgerechnet: Wenn wir beim Wirtschaftswachstum auf den Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland kämen, hätten Land und Kommunen in diesem Land 3 Milliarden € mehr Steuereinnahmen. Wir werden wohl in Nordrhein-Westfalen nie nur durch Sparen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen, sondern wir müssen sehen, uns so aufzustellen, dass auch unsere Wirtschaft so wächst wie der Durchschnitt in der Bundesrepublik Deutschland. Damit wäre das Problem gelöst.
Deswegen, meine Damen und Herren, – das möchte ich Ihnen auch sagen –, denke ich, dass eine auf Bundesländer bezogene Politik, was Auflagen für die Wirtschaft angeht, keine Zukunft hat. Wenn man eine Wirtschaft hat, die etwas langsamer wächst als der Schnitt, kann es keine intelligente Politik sein, dieser Wirtschaft gegenüber der Wirtschaft in anderen Bundesländern immer mehr Steine ins Gepäck zu legen, die sie mitschleppen muss und die andere nicht schleppen müssen.
Deswegen sage ich Ihnen heute, es ist nicht richtig, ein auf Nordrhein-Westfalen bezogenes Klimaschutzgesetz zu machen, das hier beachtet werden muss und in anderen Bundesländern nicht. Klimaschutzpolitik ist wichtig. Aber die Landesebene ist aus meiner Sicht dafür die falsche Ebene.
Das Wasserentnahmeentgeltgesetz – und, wenn wir ehrlich sind, auch das Tariftreuegesetz – sind bürokratische Monster. Keine Gemeinde kann das kontrollieren.
Dazu kann ich Ihnen eine schöne Anekdote erzählen. Als ich Minister wurde, gab ich damals meinem Arbeitsministerium den Auftrag: Schreibt mir mal ein paar Felder auf, auf denen wir entbürokratisieren können! Die Fachabteilung hat mir aufgeschrieben: Schaff das Tariftreuegesetz ab! Es lohnt nicht. – Die
Ich wollte eigentlich zu dem Punkt kommen, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Politik machen müssen, die die wirtschaftlichen Abläufe nicht erschwert, sondern erleichtert. Wir müssen nicht verhindern, sondern fördern.
Ich war in meinem Leben auch einmal 25 Jahre Mitglied eines Stadtrates. Im LEP, der jetzt in der Anhörung ist, steht, dass es keinen Flächenverbrauch mehr geben soll. Ich weiß, wir müssen mit Fläche sparsam umgehen; aber wirtschaftliche Entwicklung auf kommunaler Ebene ohne Flächenverbrauch kann ich mir in vielen Regionen, die ich kenne, nicht vorstellen.
Nur dann, wenn wir es schaffen, dass unsere Wirtschaft so wächst wie der Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland, können wir die Probleme lösen. Davon bin ich fest überzeugt.
Es gibt einen weiteren Punkt, den ich hier oft in Reden angesprochen habe und der mich ebenfalls umtreibt. – Im Jahre 1964 sind in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland viele Menschen geboren worden. Es sind nie wieder so viele Babys geboren worden wie in dem Jahr. Die Leute werden nächstes Jahr 50. Um es anders auszudrücken: Es wird nie wieder in Deutschland so viele 50. Geburtstage geben wie im nächsten Jahr. Aber die Babyboomergeneration, die in etwa von Mitte der 50er-Jahre bis Mitte der 60er-Jahre ging, ist riesengroß. Diese Generation wird in den nächsten Jahren in Rente gehen.
Wenn Sie dagegen die Kinder zählen, die heute zwischen fünf und 15 sind, die meiner Generation – ich gehöre auch dazu – beruflich folgen werden, stellen Sie fest, dass sie genau halb so viele wie die Babyboomergeneration sind.
Deswegen möchte ich Ihnen sagen, wir müssen die wenigen Jahren, in denen diese Babyboomergeneration noch im Berufsleben steht, nutzen, um zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen. Die, die nach uns kommen, werden es viel schwerer haben, das zu erreichen, als wir in den nächsten Jahren.
Deswegen muss man den Mut zu Strukturveränderungen haben – auch im Personalbereich. Schauen Sie, Sie haben zum Beispiel in diesem Jahr bei bestimmten Gruppen der Beamten die Lohnerhöhung
ausgesetzt. Dass man mit denen vorher nicht einmal geredet hat, ist eine Frage des politischen Stils. Aber, meine Damen und Herren, seien Sie doch ehrlich! Sie machen es deswegen, weil sie nicht wissen, wie sie es anders bezahlen sollen.