Protokoll der Sitzung vom 31.01.2014

Aber ich weiß, warum Sie es nicht gemacht haben. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mir auch die Frage stellen, ob ich solche Zahlen nach Berlin melden möchte. Die sind nämlich hinreichend beschämend. Wenn Sie sich die aktuelle Statistik aus dem November einmal anschauen, die heute im Monatsbericht Januar 2014 vorgelegt worden ist, dann sehen Sie: Der Finanzierungssaldo der Länder beträgt insgesamt 8,5 Milliarden € bis Ende November. Und davon entfallen allein auf NordrheinWestfalen sage und schreibe 3,9 Milliarden €.

Ich weiß selbst: Ein Finanzierungssaldo ist nicht die Nettokreditaufnahme. Aber wir machen es gerne auch noch ein wenig deutlicher. Sie haben 3,2 Milliarden € Nettoneuverschuldung im Jahre 2013 gemacht. Nach den Prognosen der anderen Länder sind das 80 % aller Nettoneuverschuldungen aller Bundesländer in Deutschland. Das ist doch peinlich für Nordrhein-Westfalen!

Wir haben eine bessere Regierung verdient!

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Optendrenk. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmel

dungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

2 Rente generationengerecht und zukunftsfest

machen – keine Rentenexperimente auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahler

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/4821

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion dem Herrn Kollegen Alda das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen zum Tag des Lackmustestes für die junge Generation. Was hält man hier in NordrheinWestfalen vom Thema Renten und Generationengerechtigkeit? Spielt man hier gar Große Koalition, oder sind es am Ende doch Schwarz-Rot oder RotSchwarz-Grün, die hier zusammenstehen?

Zu den Fakten: Die Bundesregierung plant in ihrem Gesetzentwurf zum RentenversicherungsLeistungsverbesserungsgesetz die Absenkung des Rentenzugangs auf 63 Jahre, die Erhöhung der Mütterrente, bessere Absicherung bei Erwerbsminderung und eine Dynamisierung bei den Rehabilitationsleistungen. Bis Mitte des Jahres möchte Ministerin Nahles die zwei Punkte Mütterrente und Rente mit 63 Jahren durchgesetzt haben.

Zunächst zur Mütterrente: Da sind wir auch für, ja. Ich stelle mir sogar die Frage, warum meine Frau für eines unserer Kinder keine Rente bekommt, ansonsten schon. – Nicht den Kopf schütteln: Es ist doch tatsächlich so.

Abgesehen davon, dass die geplante Mütterrente den wirklich bedürftigen Frauen nicht hilft, da diese beim Versorgungsausgleich angerechnet wird, sind wir auch hier nicht für den eingeschlagenen Weg, da die Ausweitung der Leistungen der Mütterrente eine versicherungsfremde Leistung darstellt.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Kollege Garbrecht ist jetzt nicht da. Er hat im Internet seine Auffassung veröffentlicht, dass Kinderziehung konstitutiver Bestandteil der Rentenversicherung ist. Diese Auffassung irrt. Kindererziehung ist eine gesellschaftliche Aufgabe und damit, meine Damen und Herren, Steuersache.

Im Gegenteil: Hier wird Arbeitern, Angestellten und deren Arbeitgebern eine ihnen gesetzlich zustehende Beitragssenkung vorenthalten. Widerlich ist die entsprechende Gesetzesänderung im Schweinsga

lopp durchgeführt worden, und zwar unter dem Deckmäntelchen der Gerechtigkeit, ein Mäntelchen in der Größe „One size fits all“, das immer passt, wenn etwas vorgegaukelt werden soll.

Was wir inhaltlich unterstützen könnten, es aber wegen der Finanzierung nicht tun werden, sind die Änderungen der Erwerbsminderungsrenten und der Rehabilitation. Aber diese Änderungen kommen erst in ein paar Jahren, wenn sie dann überhaupt noch zu finanzieren sind.

Kommen wir zum Hauptstreitpunkt der Koalition von SPD und CDU, der vorgezogenen Rente mit 63. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll schon mit 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können. Bestimmte Unterbrechungsphasen sollen dabei angerechnet werden. Für Langzeitarbeitslose gilt diese Regelung nicht. Die Möglichkeit, künftig ab 63 Jahren bereits abschlagsfrei in Rente zu gehen, läuft im Prinzip der Rente mit 67 zuwider, weil diese explizit auf das Renteneintrittsalter und nicht auf die geleisteten Beitragsjahre abhebt.

Zudem wird außer Acht gelassen, dass eine steigende Lebenserwartung auch eine längere Lebensarbeitszeit zur Folge haben muss.

(Beifall von der FDP)

Darüber war man sich auch in den Kreisen der Großen Koalition und insbesondere in der CDU mal im Klaren. Nur wegen des vorgeblichen Gerechtigkeitsmäntelchens wird hier der Wendehals arg strapaziert – ganz zu schweigen von den Unternehmenssanierern, die jetzt schon wieder Mitarbeiter entsorgen wollen, und zwar auf Kosten der Beitragszahler. So was kommt halt von so was.

Meine Damen und Herren der Großen Koalition, Sie laufen mit diesem Vorschlag gegen eine Wand aus Experten, darunter zum Beispiel Herr Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, gegen eine Wand der Presse zum Beispiel „SPIEGEL“, „FOCUS“ „Süddeutsche Zeitung“, „Handelsblatt“ – Herr Präsident, Sie erlauben mir, ich zitiere –, wo die Ministerin als „Lady Gaga“ bezeichnet wurde, und nicht zuletzt, liebe SPD, gebildet von Ihrem ExKanzler Schröder und weiteren Persönlichkeiten aus Ihren Reihen.

Ihr Vorhaben kostet insgesamt 160 Milliarden €. Damit wird es für die Beitragszahler und für die Generation danach gefährlicher als die griechischen Staatsanleihen. Die Große Koalition führt die Beitragszahler, also Arbeiter, Angestellte und deren Arbeitgeber, hinter die Fichte. Der hinterhältige Trick, die Gesetze zu ändern, um den Beitragszahlern die ihnen zustehende Beitragssenkung nicht zukommen zu lassen, erinnert mehr an „Das Volk ist eh dumm“ als an Transparenz. Besonders schlimm ist aber das, was der Oberfichtenführer Erzengel Gabriel vollführt: Die Generation muss be

lohnt werden, die unter unsäglichen Bedingungen arbeiten muss.

Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Hier geht es nicht um die Kriegsgeneration und die Trümmerfrauen, sondern um meine Generation. Das ist die Generation der geburtenstarken Jahrgänge, die bei der Lehrstellensuche auswählen konnte und für die unter Kultusministern wie Johannes Rau zusammen mit der FDP hier in Nordrhein-Westfalen alle Möglichkeiten der Bildung geschaffen wurden, zum Beispiel die Gesamtschulen und die Gesamthochschulen – eine Generation, deren Jobkonkurrenz hinter dem Eisernen Vorhang festgehalten wurde und bei der in China noch die Kulturrevolution das Nonplusultra war.

Nein, meine Damen und Herren, die GroKo benachteiligt nicht nur die gegenwärtige junge Generation, sondern auf absehbare Zeit auch alle nachfolgenden –

(Beifall von der FDP und Michele Marsching [PIRATEN])

ein Wechsel, gezogen auf Kosten derer, die sich nicht wehren können.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf, dem Antrag zuzustimmen, und danke Ihnen. Ansonsten schauen Sie in den Antrag, in dem die Alternative steht. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Warden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ulrich Alda, es ist nicht ganz einfach, auf deinen Vortrag zu erwidern. Denn er bewegt sich doch haarscharf am Rande der Sachlichkeit. So will ich es einfach mal formulieren.

(Beifall von der SPD)

Ich finde es wirklich unbeschreiblich, sehr geschätzter Kollege, Gerechtigkeit mit einem „Mäntelchen“ zu bezeichnen.

In Ihrem Antrag beschreiben Sie als FDP-Fraktion in immerhin 14 Zeilen – das muss man sich einmal vorstellen – eines der anspruchsvollsten Ziele der jetzigen Bundesregierung, nämlich das in dieser Woche vom Bundeskabinett verabschiedete sogenannte Rentenpaket. 14 Zeilen für ein derart komplexes System und einen derart komplexen Gesetzentwurf. Das ist kaum zu bemessen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf dient dazu, die gesetzliche Rentenversicherung als wichtigstes Element der Alterssicherung zukunftsfähig zu machen. Kernelemente sind dabei – das wurde richtig ausgeführt – die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren, die sogenannte Mütterrente, Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und einiges andere.

Diese Maßnahmen dienen dazu – das sehen wir anders als Ihre Fraktion –, das hohe Maß an sozialer Sicherung im Alter, das bereits heute besteht, auch in Zukunft zu erhalten und hiermit eine Gerechtigkeitslücke – das ist mehr als nur ein Mäntelchen – zu schließen.

Umfragen zeigen: Die Bürgerinnen und Bürger warten auf diese neue Regelung. Viele Menschen, die seit 45 Jahren im Berufsleben stehen, freuen sich auf den neuen Lebensabschnitt und die neue Perspektive.

Bitte beachten Sie auch: Wir schenken den Menschen nichts, was sie nicht auch in die Rentenkasse eingezahlt haben. Sie haben es sich im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet und damit auch verdient. Wer seit 45 Jahren – ich gehöre einer ähnlichen Generation wie Sie, Herr Alda, an – Tag für Tag in oft anstrengenden, kräftezehrenden Berufen tätig war, dem ermöglicht das neue Rentenpaket eine durch zusätzliche Versorgung und Freiheiten selbstbestimmte weitere Lebenszeit.

Für uns steht der Kabinettentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales für Gerechtigkeit und Respekt vor der Lebensleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir sehen mit Spannung dem Verlauf der parlamentarischen Debatte entgegen, die in Kürze im Deutschen Bundestag beginnen wird. Meinem Hinweis auf die parlamentarische Zuständigkeit des Deutschen Bundestages können Sie schon entnehmen, dass unserer Meinung nach hier und heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, das Thema „Rente“ im Landtag NordrheinWestfalen inhaltlich zu diskutieren.

Trotzdem möchte ich noch einige Anmerkungen zu Ihrem Antrag machen, den wir als SPD-Fraktion heute ablehnen werden:

Wir kennen selbstverständlich die Bedeutung und die Herausforderung des demografischen Wandels. Aber gerade deshalb müssen wir all unsere Kraft einsetzen, um einer älter werdenden Generation einen finanziell abgesicherten Ruhestand zu garantieren und Teilen von ihnen die Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialhilfe – die wäre im Übrigen steuerfinanziert durch die noch arbeitende Generation – zu ersparen.

Selbstverständlich werden wir dabei die nachwachsende Generation und ihre Lebenszeit fest im Blick haben. Auch sie haben Anspruch auf eine lebenswerte sichere Zukunft. Oben auf der Tribüne sitzt eine Reihe von Schülerinnen und Schüler. Um genau die geht es nämlich. Die müssen auch eine

Perspektive haben. Dessen sind wir uns als Sozialdemokraten sehr bewusst.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Kosten des Rentenpakets sollen in diesem Jahr bei 4,4 Milliarden € liegen. Insgesamt sind das weniger als 2 % der aktuellen jährlichen Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung. Allein die neu eingeführte Mütterrente macht davon etwa drei Viertel aus. Im Jahre 2015 sollen die Kosten auf 9 Milliarden € steigen, bis zum Jahre 2020 auf 10 Milliarden € und bis 2030 auf 11 Milliarden € jährlich.

Die Finanzierung sichert die Große Koalition auf Bundesebene durch stabile Beitragssätze. – Sie haben das eben schon kurz angeführt. Wir bewerten das anders als Ihre Fraktion. – Danach werden die Beitragssätze in der allgemeinen Rentenversicherung festgelegt, und das verhindert, dass die Beiträge aufgrund der Rücklagen in den Rentenkassen gesenkt werden. Die Mehrausgaben für das Rentenpaket können dann aus den Rücklagen finanziert werden.