Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Der alte ist von 1995. Das ist eine Welt, die mit der heutigen in vielen Dingen nichts mehr zu tun hat und deswegen im LEP auch nicht mehr richtig abgebildet sein kann. Die Menschen, die wir um Stellungnahmen gebeten haben, sagen: Gut, dass es einen neuen gibt.

Ich will aber auch Folgendes konstatieren: Es gibt eine Menge von Stellungnahmen, bei denen es drei Grundkategorien gibt. Wenn man sich die anschaut, erkennt man, wie man damit umgehen muss. Es gibt Sachen, da muss man sagen: Okay, da ist man anderer Auffassung, das muss trotzdem so bleiben.

Es gibt aber eine Reihe von Stellungnahmen, in denen Dinge vorkommen, bei denen man sagen muss: Okay, die das geschrieben haben, haben den Text gelesen und verstehen darunter etwas ganz anderes, interpretieren das ganz anders, als wir es gemeint haben. Ich will offen sagen, dass es dann nicht deren Aufgabe ist, es anders zu verstehen, sondern die Aufgabe der Landesregierung, die Sachen anders zu formulieren, damit das, was gemeint ist, was Sinn der Regelung ist, auch bei denen, die sich davon betroffen fühlen, richtig ankommt. Ich meine, das hat die Landesregierung auch schon deutlich gemacht, dass das passieren soll.

Und dann gibt es eine dritte Gruppe von Themen – die gehört dazu, weil wir, wie ich es beim letzten Mal, was gerade zwei Wochen her ist, hier gesagt habe, das Ganze ergebnisoffen angehen werden – in bestimmten Stellungnahmen, in denen Dinge vorkommen, zu denen man sagen muss: Okay, da muss man noch einmal drüber nachdenken. Vielleicht muss man das wirklich anders regeln. Vielleicht muss man es auch an der einen oder anderen Stelle gar nicht regeln. Auch das werden wir uns anschauen. Das ist zugesagt. Deswegen gibt es keinen Grund, den LEP, der dringend notwendig ist, zurückzuziehen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Ich will deutlich machen und sagen: Die CDU hat Angst vor der Abwägung. Das gerade ist aber Aufgabe von Politik. Wir haben gestern beim Kollegen Laschet beim Thema „Garzweiler“ gemerkt, dass er nicht so gerne die Fragestellungen, die unangenehm sind, selbst abwägen und entscheiden möch

te, sondern sagt: Macht ihr mal, und wenn ihr es gemacht habt, dann leben wir auch damit und tragen das so mit.

So kommt man aber, wenn man ein Land gestalten und Verantwortung für ein Land übernehmen möchte, nicht weiter. Das ist nicht der Anspruch, den wir als Sozialdemokraten – ich vermute, die Grünen auch nicht – an Politik und Gestaltungsmacht haben.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Unsere Aufgabe ist es vielmehr, gerade in schwierigen Fragestellungen, wo Interessen gegeneinander stehen – das ist beim Thema „Flächenverbrauch“ und beim Thema „demografische Entwicklung“ so –, die Sachverhalte miteinander so ernsthaft zu diskutieren, dass man miteinander eine Abwägung von Instrumenten und Zielen vornehmen kann.

Ich sage Ihnen ehrlich: Das, was Sie hier machen, hat bei Ihnen gute Tradition. Den Abwägungsausfall bei Datteln 4 hat Ihnen ein Gericht bescheinigt. Sie versuchen hier erneut, sich an einer Abwägung vorbeizudrücken. Das führt ins Desaster. Das hätten Sie mittlerweile lernen müssen.

Ich will auch offen sagen: Für mich ist das, was Sie heute fordern – aus Angst vor Abwägung, aus Angst vor ernsthafter inhaltlicher Auseinandersetzung zu sagen: Dann räumt es ganz ab, obwohl wir dringend einen neuen Landesentwicklungsplan brauchen –, ein Offenbarungseid für eine Volkspartei, die eigentlich Gestaltungswillen haben sollte.

(Ilka von Boeselager [CDU]: Oh!)

Damit will ich zum Ende kommen. Wenn Sie meinen, wir sollten den LEP zurückziehen, dann sage ich Ihnen: Erfahrungen im Zurückziehen haben Sie; wie gesagt, Frau Thoben, LEP-Entwurf 2008. Ein Rat von mir: Was Sie zurückziehen sollten, ist dieser Antrag. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Für die grüne Landtagsfraktion spricht jetzt der Kollege Goldmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass mich auf der politischen Ebene so schnell nichts aus der Fassung bringt. Aber der heute zur Beratung anstehende CDU-Antrag mit seiner Kernforderung hat mich in seinem blinden Aktionismus ziemlich sprachlos gemacht.

Wir haben uns in der letzten Plenarsitzung vor 14 Tagen inhaltlich mit dem LEP-Entwurf beschäftigt. Die CDU hatte in einer aus meiner Sicht konstruktiven Debatte leider nur wenig beizusteuern. Ich kritisiere heute nicht, dass sich die CDU außerstande

gesehen hat, Erkenntnisse aus dieser Debatte zu ziehen. Ich kritisiere noch nicht einmal, dass die CDU den FDP-Antrag von vor 14 Tagen und insbesondere die Resolution des Rates der Stadt Warstein vom 31. März dieses Jahres in weiten Teilen anscheinend abgekupfert hat. Aber wer einen solchen Antrag stellt wie Sie heute, der kann und will nicht ernst genommen werden.

Die CDU-Forderung lautet – Herr Eiskirch hat gerade darauf hingewiesen –, die Landesregierung möge ihren missglückten LEP-Entwurf sofort zurückziehen. Sie soll ihn nicht inhaltlich – auf der Grundlage von 1.500 Stellungnahmen, die sie auswertet – überarbeiten und fortschreiben, nein, die Forderung lautet schlicht und ergreifend, die Landesregierung solle ihren LEP-Entwurf sofort zurückziehen.

Hat sich die CDU dabei etwas gedacht? – Wohl kaum.

(Lachen von André Kuper [CDU] und weite- ren Abgeordneten der CDU)

Spielen wir die Forderung einmal durch: Ein Zurückziehen des vorliegenden Antrags bedeutet faktisch den bedingungslosen Stopp des gesamten bislang durchgeführten formalrechtlichen Verfahrens. Dreieinhalb Jahre der intensiven Vorbereitung wären für die Tonne. – Okay, das könnte ja so sein. Man hätte zwar einen Haufen Geld verschwendet, aber mit einer soliden Haushaltspolitik hat es die CDU ja ohnehin nicht.

(Zurufe von der CDU)

Was wollen Sie – ich spreche Sie direkt an, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU – den 1.500 Einwenderinnen und Einwendern sagen, die sich in einem auf rund sechs Monate angelegten Öffentlichkeits- und Trägerbeteiligungsverfahren intensiv mit allen Facetten des LEP-Entwurfs auseinandergesetzt haben? Soll das auch alles für die Tonne sein, und dann drückt man mal eben auf „Neustart“? Ich bezweifele ernsthaft, dass Sie sich mit den Konsequenzen Ihres Antrags auch nur ansatzweise auseinandergesetzt haben.

Kommen wir zu Ihrer epochalen Begründung: Der Landesregierung schlägt eine massive Protestwelle für ihren LEP-Entwurf entgegen. – Ist Ihnen mal durch den Kopf gegangen, dass der vorliegende Entwurf, wenn die unterschiedlichen Ansprüche an den Raum von kommunaler Seite einerseits und den Umweltverbänden andererseits kritisiert werden, gar nicht so schlecht sein kann, weil er nämlich einen ausgewogenen Ausgleich unterschiedlicher Raumansprüche widerspiegelt?

Ich habe es vor zwei Wochen an dieser Stelle betont: Eine Landesentwicklungsplanung, die sich darauf reduziert, dass alles, was wirtschaftlich und planerisch möglich und gewünscht ist, auch erlaubt werden muss, bedeutet faktisch die Aufgabe jedes

Gestaltungsanspruchs. – Das, was Sie machen, ist eine politische Bankrotterklärung.

Kommen wir zu den Fakten: Der noch gültige LEP aus 1995 ist nach meinem Kenntnisstand der älteste aller Bundesländer. Globalisierung, demografische Entwicklung und technologischer Fortschritt haben zwischenzeitlich zu wesentlichen Veränderungen und damit zu neuen Anforderungen an den Raum geführt. Antworten der CDU hierauf – Fehlanzeige! Die schwarz-gelbe Landesregierung hat bis 2010 selbst nichts zustande gebracht. Sie haben noch nicht mal eine Entwurfsfassung zur Diskussion vorlegen können, als der LEP 15 Jahre alt war.

Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich aus einem Schreiben der damaligen Wirtschaftsministerin Christa Thoben vom 25. März 2008, Vorlage 14/1698, zitieren:

„Die nun beabsichtigte Vorverlegung der Kommunalwahl würde bedeuten, dass noch die alten Kommunalparlamente zu einem Landesentwicklungsplan für die nächsten 15 Jahre beschließen würden. Dies ist m. E. nicht vertretbar; …“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Kein Kommunalparlament wird für 15 Jahre gewählt. Das Argument zieht also überhaupt nicht. Sie haben damals schlicht die Auseinandersetzung vor der Kommunalwahl gescheut und aus dem Grunde dafür gesorgt, dass der neue LEP erst in der nachfolgenden Legislaturperiode förmlich aufgestellt und in Kraft gesetzt werden kann. Sie haben sich, wie man so sagt, einen schlanken Fuß gemacht. Das war nicht im Sinne einer vorausschauenden Landesplanung, sondern das war einfach nur feige und konfliktscheu.

Regionalräte haben über den gleichen LEP-Entwurf beraten wie Sie auch, wie alle politischen Parteien. Sie können sich einem konstruktiven Diskussionsprozess nicht verweigern. Das, was Sie jetzt machen, hat mit seriöser Landesentwicklungspolitik nichts zu tun. – Danke sehr.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht hängen wir alles einmal ein bisschen tiefer und versuchen, ein bisschen Sachlichkeit hineinzubekommen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, inhaltlich tragen wir als FDP viele der in Ihrem Antrag dargestellten Punkte mit. Wir kommen aber letztendlich zu einer anderen Schlussfolgerung. Im Hinblick auf das Verhältnis von Klimaschutzplan zu

Landesplanung usw. stimmen wir zu. Aber Sie kommen mit einer Begründung, weshalb alles zurückzuziehen sein soll, die nicht tragfähig ist.

Sie schreiben, die im Entwurf eines neuen Landesentwicklungsplans jetzt dargestellten Ziele seien „zu beachten“. An anderer Stelle schreiben Sie, sie seien „zu berücksichtigen“. – Wenn, dann sind sie zu berücksichtigen. Aber so ein großes Problem ist das ja gar nicht. Denn zu den allermeisten Zielen, die in dem Entwurf zu einem neuen Landesentwicklungsplan stehen, gibt es gültige Ziele, die nach wie vor gelten.

Das Argument, dass darin Ziele stehen, die schon jetzt die Verwaltung binden würden, ist nicht richtig. Denn es gibt im Hinblick auf die allermeisten Probleme gültige Ziele.

(Beifall von der FDP)

Zeitverzögernd würde es wirken, das jetzt zurückzuziehen, weil wir einen ganz neuen Beteiligungsprozess usw. einleiten müssten. Ich denke, damit würden wir gerade den Kommunen einen Tort antun.

(Beifall von Thomas Eiskirch [SPD])

Dass an diesem Landesentwicklungsplan Kritik geübt wird, hat mich überhaupt nicht gewundert. Aber die Wucht der Kritik hat mich überrascht. Woher kommt das? – Das ist eben schon angesprochen worden – Sie, Herr Kollege Eiskirch, haben das gesagt –: Es wird in diesen Landesentwicklungsplan viel mehr hineininterpretiert, als tatsächlich drinsteht.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Sehr schön!)

Auch das muss man sehen. Aber dazu leisten natürlich auch die Erläuterungen des Landesentwicklungsplans einen Beitrag. Wenn ich Wirkungsgrade für die Darstellung von Kraftwerksstandorten nehme, dann weiß ich, was dahinter steht. Da muss ich mich nicht wundern, wenn dieser Landesentwicklungsplan bis zur letzten Baugenehmigung durchschlägt.

Ich weiß, wovon ich rede. Eine Abrissgenehmigung für mein Haus hat erfordert, dass ich ein Artenschutzgutachten für Fledermäuse beibringen musste. Dann hat der Gutachter gesagt: Kein Problem. Darauf hat die Behörde gesagt: Dann hätten wir gerne ein großes Artenschutzgutachten, denn es kann ja sein, dass sommertags eine Fledermaus einen Rastplatz suchen könnte.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Doch nicht bei Ihnen, Herr Kollege!)

Für die Untere Landschaftsbehörde bin ich ja kein Investor, Herr Kollege, sondern ein Zustandsstörer.

(Beifall von der FDP und der CDU)