Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Der zweite Punkt der Gemeinsamkeiten betrifft die Opt-out-Regelung. Grundsätzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, kann auch ich mir sehr gut eine Opt-out-Regelung vorstellen. Das fordern Sie ja in Ihrem Antrag. Die nationale und, wie ich finde, durchaus auch die regionale Politik

sollten ein Mitspracherecht auf der Grundlage Ihrer jeweiligen örtlichen Gegebenheiten haben. Ich teile an dieser Stelle also Ihre Position mit einer kleinen Einschränkung. Ich halte es – Sie schließen das in Ihrem Antrag leider aus – in diesem Zusammenhang durchaus für sinnvoll, über zeitliche Befristungen nachzudenken, alleine schon, damit das Thema nicht für immer und ewig in der Schublade verschwindet.

Dritter Punkt: Transparenz. Wir sind uns beim Verbraucherschutz oftmals über das Ziel am Ende des Weges einig. Über den genauen Weg dahin bzw. über die Maßnahmen streiten wir durchaus. Im vorliegenden Fall – das muss ich sagen – sehe ich aber noch nicht einmal einen Dissens; denn – das muss ganz klar sein – eine der größten Herausforderungen im Bereich der grünen Gentechnik besteht darin, dass die Verbraucher ein Recht darauf haben, zu erfahren, was in ihren Lebensmitteln drin ist. Das gilt im Übrigen meiner Meinung nach natürlich auch über das reine Endprodukt hinaus. In anderen Bereichen haben wir uns schon oft über die Deklarierung unterhalten. Betroffen ist also auch definitiv das Futter von Nutztieren. Bei der Lebensmittelkennzeichnung müssen Klarheit und Wahrheit gelten. Da gibt es definitiv Nachholbedarf. – So weit die Gemeinsamkeiten.

Ich finde es schade, dass im Antrag der regierungstragenden Fraktionen eine grundsätzliche Ablehnung der grünen Gentechnik mitschwingt. Eine solche Haltung halte ich für fortschrittsfeindlich, durchaus für egoistisch und auch für gefährlich. Wie bei jeder Technologie gibt es natürlich auch bei der grünen Gentechnik Risiken. Ich denke dabei – das ist angesprochen worden – an die Transparenz für die Verbraucher. Es geht auch um die große Herausforderung: Was ist denn eigentlich beim Einsatz in der Landwirtschaft mit benachbarten Feldern, benachbarten Erzeugern? – Es gibt aber eben auch Chancen.

Eine rationale Entscheidung bedeutet eben, dass man Chancen und Risiken genau betrachtet und abwägt. Der Wissenschaftskabarettist und Physiker Vince Ebert hat in diese Richtung hin in einem Gastbeitrag in der „Welt“ am 2. April 2014 Folgendes geschrieben – ich zitiere –:

„Dabei ist wissenschaftlicher Fortschritt erst einmal nie gut oder schlecht. Es kommt immer auf die Anwendung an. Mit einem Laser zum Beispiel kann man eine Pershing-Rakete steuern oder im CD-Player Roberto Blanco hören. Was ist schlimmer?“

Es geht also um die Frage des Wie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sprechen leider ausschließlich über die Risiken. Sie vergessen die Chancen und blenden aus, dass eine bessere Resistenz gegen Schädlinge den Einsatz von Pestiziden reduziert. Weiter blenden Sie aus, dass effizien

tere Pflanzen unter schwierigeren Bedingungen einen besseren Ertrag bringen können – insbesondere da, wo es klimatisch schwierig ist.

Herr Rüße, es ist sicherlich so, dass wir die nicht mehr matschende Tomate noch nicht erreicht haben, wobei ich gar nicht weiß, ob dieser konkrete Fall so wünschenswert wäre. Stellen Sie sich aber einmal vor, wir hätten in allen Bereichen bzw. Technologiefeldern, wenn wir in 15 oder 20 Jahren noch nicht da gewesen wären, wohin wir gerne gekommen wären, gesagt: Okay, nach 20 Jahren ziehen wir jetzt einen Schlussstrich, es hat ja nicht funktioniert. Lassen wir das Ganze bleiben. – Ich glaube, wir wären um einiges ärmer. Darum ist das schade.

Wir brauchen eine ehrliche und sachgerechte Debatte. So ist es zum Beispiel, wenn wir an die vollumfassende Transparenz denken, nicht sachgerecht, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, in Ihrem Antrag lediglich vom notwendigen Schutz der ökologischen Landwirtschaft sprechen. Denn auch im Bereich der konventionellen Landwirtschaft müssten Produzenten eigentlich in der Lage sein, wenn Sie es denn wollten, ohne Gentechnik auszukommen. Das müsste auch gesichert werden.

Ich glaube, wir müssten Risiken und Chancen ehrlicher abwägen. Vor allem müssten wir – das gehört zu einer sachorientierten Debatte dazu – als Politik auch mehr erklären und mehr aufklären. Ich finde es schade, dass Sie daran offensichtlich kein Interesse haben.

Die Redezeit.

Das zeigt die Tatsache, dass Sie hier in eine direkte Abstimmung wollen. Eine weitergehende Beratung im Ausschuss schließen Sie aus. Ich hätte sehr gerne die Debatte intensiver im Ausschuss geführt.

Die Redezeit!

Da Sie sich aber dieser Debatte verweigern, können wir Ihren Antrag in dieser Form nur ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nordrhein-Westfalens Landwirtschaft soll gentechnikfrei bleiben. Toll! Das wollen wir

auch. Wir sagen gleich noch dazu: Wir Piraten sind grundsätzlich gegen Patente auf Lebewesen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir unterstützen – um es gleich vorweg zu sagen – den Unionsantrag, weil wir ihn inhaltlich für gut halten. Weil er aber eben nicht die Frage der Patente berührt, haben wir als Fraktion beschlossen, uns dazu zu enthalten.

Man könnte jetzt natürlich auch argumentieren, dass das für den Kommunalwahlkampf in NRW richtig ist. Das ist sicher richtig; aber da sage ich als Kölner: Mer muss och jünne könne. Aufgrund der Tatsache, dass die Bundesregierung sich dazu bei der EU enthalten hat, ist es sicher wichtig, von einem Landesparlament aus einmal eine Initiative zu ergreifen.

Zur Faktenlage: Der Mais ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Süßgräser. Er stammt ursprünglich aus Mexiko. Weltweit werden jährlich über 850 Millionen Tonnen im Rahmen der Getreideproduktion geerntet.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch gegoogelt!)

Nein, das habe ich nicht gegoogelt, das kann man auch so wissen. – In den USA beträgt der Anteil an transgenen Sorten mittlerweile 85 %. Herr Höne, 2006 hat Puerto Rico die hier behandelte Maisserie 1507 vom Markt genommen. Wissen Sie, warum?

(Henning Höne [FDP]: Erst Uruguay, dann Puerto Rico!)

Nein, Puerto Rico hat sie deshalb vom Markt genommen, weil der Schädling gegen das Cry1FEnzym, das dort produziert wird und mit dem er vernichtet werden sollte, resistent geworden ist. Komisch – wenn man immer nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt und nur straight linear denkt, produziert man gerade im Bereich der Gentechnik – und nicht nur in der neuen Gentechnik, sondern auch in der Old-School-Gentechnik – über Züchtungen Dinge, die uns, wenn wir nicht aufpassen, an den Rand einer Katastrophe führen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Mais 1507 ist im Genom an genau zwei Punkten modifiziert: Zum einen produziert er das Enzym Phosphinothricin-Acetyl-Transferase, welches gegen das Herbizid Glufosinat unempfindlich machen soll, und das eben schon genannte Protein Cry1F, wogegen ein Maisschädling in Puerto Rico schon Resistenzen entwickelt hat.

Ich denke, das können wir uns nicht leisten. Ich möchte zunächst versuchen, fernab von den ethischen Fragestellungen, die auch wichtig sind, einmal grundsätzlich zu werden. Dazu erzähle ich Ihnen ein ganz anderes Beispiel:

Im Jahr 1950 hatte die Sowjetunion Devisenprobleme und hat versucht, über Pelzproduktion den westlichen High-Society-Pelzmantelmarkt zu befüttern, und das mit Silberfuchspelzen, die es nur in Russland gibt. Das Problem bei diesen Tieren ist aber, wenn man sie in Gefangenschaft hält, dass sie aggressiv werden, auch gegen sich selbst, bis hin zur Sterilität.

So erhielt der russische Genetiker Dmitri Beljajew den Auftrag, zahme Silberfüchse zu züchten. Das hat er dann auch getan. Er hat aus einer Riesenpopulation von 500 Tieren die am wenigsten aggressiven herausgesucht und diese sich miteinander verpaaren lassen. Das hat er fünfzehn Mal gemacht, über 15 Generationen hinweg.

Die Veränderungen waren hochinteressant: Die Silberfüchse hatten Schlappohren, warfen sich auf den Rücken, wenn der Pfleger kam, um gestreichelt zu werden, und bellten.

(Zuruf von den PIRATEN: Und wurden zum FDP-Wähler!)

Das Problem war aber: Sie hatten nunmehr gescheckte Felle und waren daher nicht verwendbar für die Pelzmantelproduktion.

Das heißt: Wenn man genetisch irgendeinen Eingriff vornimmt, kommt in einer Nebenwirkung immer etwas anderes heraus als das, was man ursprünglich beabsichtigt hat. Das hat einen ganz einfachen Grund – vorhin haben wir ja über die Wissenschaftslandschaft debattiert –: Es liegt daran, dass das Denken im wissenschaftlichen Mainstream geschieht, dass unsere Verstandesmechanik noch nicht ausreicht, um die – in Anführungszeichen – „Mechanik des Lebens“ voll zu begreifen. Von daher haben wir immer mit Nebenwirkungen zu rechnen. Das ist einfach so. Von daher schließen wir uns natürlich dem Antrag an.

Was die EFSA, die Europäische Lebensmittelbehörde, angeht, so muss man hier noch einmal vorstellig werden; denn sie hat zum Thema der Zulassung von Mais 1507 sehr schlampig recherchiert. Es gibt andere Untersuchungen, die besagen, dass bei der EFSA nur Analogieschlüsse gezogen worden und nicht Cry1F selber betrachtet worden ist. Es hat keine Untersuchung dahin gehend stattgefunden, wie sich das toxische Enzym im Boden gegenüber anderen Insekten verhält. Da muss man auf die EU einwirken.

Darüber hinaus besteht noch eine weitere Gefahr; selbst wenn wir einen Beschluss herbeiführen und die Bundesregierung dem zustimmt, dass wir keinen gentechnisch modifizierten Mais in NordrheinWestfalen oder in ganz Deutschland verwenden. Wenn wir ein Freihandelsabkommen mit den USA abschließen, besteht nämlich die Gefahr, dass uns in zwei, drei Jahren eine Klage von DuPont Chemicals ins Haus flattert, die auf einer Marktzulassung

von Mais 1507 besteht. Und davor kann ich nur warnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal den Umstand in den Mittelpunkt stellen, warum wir heute im Landtag überhaupt über Gentechnikfreiheit diskutieren.

Wir alle wissen – das haben alle Rednerinnen und Redner betont –, dass eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung starke Bedenken gegen den Anbau von gentechnikveränderten Pflanzen hat. Die Menschen wollen keine Gentechnik – weder auf dem Teller noch auf dem Feld.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen auch – so steht es jedenfalls geschrieben –, dass die Große Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung erklärt hat, dass auch sie die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik anerkennt. Wir wissen, dass wir im Bundesrat breite Mehrheiten jenseits der Parteigrenzen haben.

Das Bemerkenswerte an der jetzigen Situation ist jedoch, dass es eine Person in Deutschland gibt – keine unwichtige –, nämlich die Kanzlerin, die sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung, gegen die eigene Koalition und gegen die Mehrheit im Bundesrat stellt. Das ist schon ein sehr bemerkenswerter Vorgang, den man, glaube ich, ausführlich und intensiv diskutieren muss.

Was passiert hier eigentlich, auch unter Demokratiegesichtspunkten? Es gibt eine klare Mehrheit, es gibt politische Mehrheiten in der ganzen Breite – und eine Kanzlerin entscheidet gegen den eigenen Fachminister, sich in Brüssel anders zu verhalten. Das war die entscheidende Stimme, die verhindert hat, dass die neue Maissorte eben nicht zugelassen wird.

Deshalb versuchen wir jetzt, uns mit ein paar Krücken zu behelfen. Wiederum in einem großen Konsens mit Bayern und mit anderen Bundesländern haben wir hierzu Anträge im Bundesrat gestellt und entsprechende Mehrheiten bekommen. Wir wollen versuchen, eine rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, dass nationale Anbauverbote ausgesprochen werden können. Wir wollen erreichen, dass die Koexistenzregelungen der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung geprüft werden.

Außerdem wollen wir bundeseinheitliche Regelungen für den Schutz der Imker vor einer Verunreini

gung des Honigs schaffen. Im Bundesrat wird Nordrhein-Westfalen ebenfalls dafür streiten, dass Honig, der Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen enthält, auch weiterhin entsprechend gekennzeichnet werden muss.