Wir alle kennen die Situation: Die Europäische Union und das Europäische Parlament werden immer wieder – in den letzten Monaten besonders intensiv – mit Kritik überschüttet. Viele stellen sich die Frage: Wozu dient diese Wahl eigentlich? Wir hören das auch an den Infoständen, die wir alle bedienen. Die Leute wollen wissen, worum wir uns auf europäischer Ebene kümmern und warum wir die Menschen davon überzeugen wollen, zur Europawahl zu gehen.
Das ist eigentlich der Punkt, um den es geht. Wir wollen alle zusammen für diese Europawahl werben. Ich kann aber bei keiner Partei hier im Landtag erkennen, dass es dafür nicht ein großes Interesse gibt. Deshalb bin ich schon ein bisschen enttäuscht; das muss ich Ihnen sagen, Frau von Boeselager. Als Sie den Antrag eingebracht haben und wir von Rot-Grün Ihnen das Angebot gemacht haben, doch etwas Gemeinsames auf den Weg zu bringen, diesen Antrag mit einem Änderungsantrag zu erweitern, vielleicht dafür zu sorgen, dass alle Parteien in diesem Landtag sich diesem Antrag anschließen können, um einen gemeinsamen Wahlaufruf zu machen, haben Sie sich dem verweigert.
Mittlerweile liegen ein Änderungsantrag der Piraten, ein Entschließungsantrag der FDP und ein rotgrüner Entschließungsantrag auf dem Tisch. Ich hätte es schöner gefunden, wenn wir uns alle darum gekümmert hätten. Wir alle betonen in all diesen Anträgen, wie wichtig die Europawahl für Nordrhein-Westfalen ist – und das bei aller Unterschiedlichkeit unserer Positionen auch im Wahlkampf. Ich finde das ein Stück weit schade.
Sie haben recht mit Ihrer Kritik – das will ich durchaus sagen –, dass die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes zu jener Tageszeit nicht mehr so prickelnd ist – für uns alle nicht. Das sieht man auch am Plenarsaal. Er ist nicht mehr so toll gefüllt.
Ich möchte noch etwas dazu sagen: Sie als antragstellende Fraktion hätten im Ältestenrat dafür sorgen können, dass der Antrag zu einem etwas prominenteren Zeitpunkt behandelt wird. In der Hinsicht
ist auch nichts gelaufen. Sie sollten daher mit der Kritik an dieser Stelle ein bisschen vorsichtig sein.
Lassen Sie mich noch zwei oder drei Dinge sagen, die von entscheidender Bedeutung sind. Sie kritisieren die Benelux-Strategie der Landesregierung. Sie sagen, es gebe gar keine Strategie. Da passiere seit Jahre nichts mehr. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben diese Benelux-Strategie intensiv mit Ihnen diskutiert. Es ist schon fatal, dass man in einem solchen Antrag, in dem es um die Europawahl geht, die Benelux-Strategie der Landesregierung kritisiert.
Sie kritisieren die Nichtanwesenheit der Ministerin, die heute in Berlin weilt. Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen. Das ist schon abenteuerlich. Sie geht eben den Interessen des Landes nach im Auftrag von uns allen. Das sollte man auch zur Kenntnis nehmen.
Wir reden in diesem ganzen Zusammenhang immer – und das ist in Ihrem Antrag zu sehen – zu viel vom Binnenmarkt und zu wenig von einem sozialen Europa.
Wir haben eine europäische Wirtschafts- und Finanzunion. Das ist richtig, und das ist auch wichtig. Wir brauchen aber endlich auch eine Sozialunion. Es ist nach meiner Überzeugung ein Konstruktionsfehler der Europäischen Union, dass wir uns darum noch nicht gekümmert haben. Eines der Beispiele dafür, wohin das führt, ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Gerade in Griechenland beträgt sie 60 %, in Spanien 50 %.
Nur mithilfe – jetzt kommen wir zu einem Punkt, den ich hochspannend finde – des Europäischen Parlaments wurde eine Jugendgarantie eingebracht. Die Regierungschefs – und deshalb brauchen wir ein starkes Parlament, das etwas durchsetzt – haben sich aber dieser Jugendgarantie zumindest hinsichtlich der finanziellen Verantwortung bisher entzogen, auch Frau Merkel. Das muss man deutlich sagen.
Wir brauchen ein starkes Parlament zur Kontrolle der Kommission. Mittlerweile ist die Kommission die Regierung Europas. Also braucht man in einer Demokratie ein starkes Parlament, das diese Regierung kontrollieren kann.
Der nächste Kommissionspräsident – Sie haben es gesagt – wird vom Parlament auf Vorschlag des Rates gewählt. Aber wie ist denn die Haltung von Frau Merkel dazu? Wie ist Ihre Haltung als Partei dazu? Ich habe nicht gehört, dass es dazu ein klares Bekenntnis gibt, welcher Spitzenkandidat die Mehrheit hinter sich bringt, damit er dann auch vom Rat vorgeschlagen wird. Da machen Sie sich einen sehr schlanken Fuß. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir verstecken im Übrigen in unserem Wahlkampf den Spitzenkandidaten nicht. Die EVP – besser gesagt
die CDU, die zur EVP gehört – versteckt ihren Spitzenkandidaten in Deutschland. Das ist Ihnen vielleicht peinlich. Ich weiß nicht, ob das so ist.
Wichtig ist in Europa, dass wir dem Rechtsruck in Europa ein Zeichen mit einer hohen Wahlbeteiligung entgegensetzen und dafür sorgen, dass die Menschen in Europa gut vertreten werden, und zwar durch ein starkes Europäisches Parlament. Dafür können wir alle werben. Es geht aber nicht darum, Einzelsüppchen zu kochen. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich schließe mich der Kritik an, die der Kollege Töns geäußert hat. Liebe CDU-Fraktion, liebe Ilka von Boeselager, es wäre gut und besser gewesen für diesen Tagesordnungspunkt, wenn die gute Initiative von der CDUFraktion hätte geöffnet werden können, wenn es eine interfraktionelle Lösung hätte geben können. Wir haben das Angebot gemacht.
Es wurde abgelehnt. Jetzt haben wir unterschiedliche Anträge. Das ist nicht zuträglich, denn eigentlich müssten wir gemeinsam ein starkes Signal aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen an unsere Bevölkerung senden und sagen: Geht am 25. Mai wählen. Denn diejenigen – das wissen wir alle; das muss ich hier niemandem erklären –, die nicht wählen gehen, werden nachher von Mehrheiten im Parlament regiert, die sie nicht haben wollten.
Genau darum geht es bei dieser Europawahl. Bei dieser Europawahl 2014 geht es auch darum, ob der Einfluss von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa weiter zunimmt. Wir sehen: In vielen Staaten der Europäischen Union treten Parteien mit nationalistischen Tönen an, die mit Forderungen nach dem Austritt aus der Europäischen Union, der Abschaffung des Euros und der Einschränkung der Freizügigkeit sowie gegen eine angebliche Bedrohung durch den Islam auf Stimmenfang gehen.
ment zu kommen. Während NPD oder PRO NRW mit offen rassistischen und antidemokratischen Forderungen auftreten, versucht die Alternative für Deutschland, mit wohlstandchauvinistischen, marktradikalen und teils nationalistischen Positionen in das Europaparlament zu kommen.
Gerade vor diesem Hintergrund der Gründungsgeschichte der Europäischen Union, die auf der Überwindung des Nationalismus fußt, ist es bedenklich, wenn sich Parteien zur Europawahl aufstellen, antreten und nachher gewählt werden, die die europäische Vereinigung rückabwickeln wollen. Diesen Tendenzen müssen wir entgegentreten.
Deswegen ist unser Aufruf: Gehen Sie wählen so, dass auch rassistische, antidemokratische und extremnationalistische Positionen keinen Einzug in das Europaparlament erhalten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich teile die Ansicht, dass ein Thema wie Europa elf Tage vor der Wahl eine prominentere Setzung auf der Tagesordnung verdient gehabt hätte. Es ist sicherlich kein Glanzstück, wenn wir uns um diese Zeit über ein Thema unterhalten, das uns alle bewegt und das uns auch in vielen Fällen eint.
Ich finde, dass der Ansatz der CDU, „Europa“ noch mal zum Thema zu machen, richtig ist und auch in Ihrem Papier eine ganze Reihe von Punkten enthalten ist, mit denen wir konform gehen. Das ist etwa die Besorgnis um das Erstarken extremistischer Kräfte sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite.
Selbstverständlich gehört dazu auch die Frage der demokratischen Weiterentwicklung. Wir haben keine Equal Representation. Die großen Staaten sind in der Relation schwächer vertreten als die kleinen. Man kann da eine Menge beklagen.
Ich denke aber – deswegen werden wir uns enthalten –, dass es auch darüber hinaus einige Punkte gibt, die in diesem Antrag fehlen.
Mir ist das Thema „Friedens- und Freiheitsunion“ sehr wichtig. Gerade mit Blick auf die Ukraine ist das Thema „Sicherheit in Europa“ wieder auf die Tagesordnung gekommen. Man hat ein neues Gefühl, auch bei jungen Menschen, die das früher für selbstverständlich gehalten haben.
Wir haben schließlich das Thema „Schengen“, aufkommende neue Grenzkontrollen bei den Niederlanden. Auch das besorgt uns. Das muss man sicherlich auch deutlich machen, dass das für Europa kein Ruhmesblatt ist, wenn wir in solche nationalen Egoismen zurückfallen.
Das zweite Thema ist Stabilitäts- und keine Transferunion, aber auch, lieber Herr Kollege Töns, keine Sozialunion. Wir wollen in der Tat Solidarität gegenüber den Staaten, die sich nicht selber helfen können, aber bitte gegen Solidität. Wir wollen eiserne Leitplanken, wenn Hilfe geleistet wird, und sind insofern nicht froh darüber, dass sowohl auf der CDUSeite als auch auf der SPD-Seite da alles aufgeweicht worden ist, auch was den Einfluss der Troika anbetrifft.
Auch die Frage der Sozialunion, die hier noch mal angesprochen worden ist, will ich sehr kritisch beleuchten. Ich verweise auf eine Stellungnahme des Bundesrates Drucksache 119/14, in der der Bundesrat sehr deutlich sagt, dass es beispielsweise einen Königsweg für angemessenere, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten, der auf alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise angewendet werden kann, nicht gibt.
Das gilt natürlich auch für Löhne, Mindestlöhne, Sozialhilfe. Wir wollen hier den Vorrang der Nationalstaaten, ein deutliches Zeichen, dass dieses keine Verantwortung der Union ist, sondern der einzelnen Mitgliedstaaten.
Letztendlich, meine Damen und Herren, ist auch die Wettbewerbsunion für uns Liberale von ganz großer Bedeutung. Wir wollen Einheit. Aber wir wollen Einheit in Vielfalt. Deswegen soll sich die EU auf die großen Fragen beschränken. Da geht es um Flüchtlingsfragen. Da geht es um Außen- und Sicherheitspolitik. Da geht es insbesondere auch um Energiepolitik, wo wir glauben, dass Alleingänge falsch sind. Wir wollen, dass man die Mitgliedstaaten eben dort stark lässt, wo keine Europarelevanz besteht. Da kann das auch jeder Mitgliedstaat selber regeln. Da brauchen wir keine überbordenden Regelungen aus Brüssel. Das mindert die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für das Thema „Europa“.
Schließlich ein letzter Punkt: Perspektivunion. Wir bilden in unserem Kulturraum eine Blaupause für Freiheit, für Toleranz, für Bürgerrechte, aber auch für Marktwirtschaft.
Deswegen sagen wir Liberale Ja zu Europa. Wir sagen Ja zu einem grenzenlosen Europa innerhalb der Europäischen Union. Wir sagen Ja zum Binnenmarkt und vor allen Dingen auch zu einer EU, einer Europa-Wertegemeinschaft, die sich sehen lassen kann und die es sich auch lohnt, zu verteidigen, auszubauen und in der Welt zum Vorbild zu nehmen, auch wenn wir nicht jeden damit glücklich machen können und werden. Aber wir wollen unse
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und auch zu Hause! Wenn man den vorliegenden CDU-Antrag zum ersten Mal liest, will man eigentlich spontan zustimmen. Er liest sich gut und zeichnet ein blumiges Bild von NRW in Europa mit einer Vielzahl von Allgemeinplätzen und einem echten Wohlfühlcharakter.
Doch der Antrag ist in Wirklichkeit ein recht träges „Weiter so“ in der Europapolitik. Er geht leider an der Lebensrealität vor allem der jungen Menschen in Europa vorbei.