Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Jetzt kommt die Frage, was man als Nächstes hätte tun können. Es gab zwei Vorschläge: Man verschiebt um 300 € alle weiteren Tarifeckwerte. Das hätte noch einmal 2 Milliarden € gekostet. Oder man macht es sogar gestreckt für die höheren noch ein bisschen mehr. – Genau das war der Teil, bei dem der Bundesfinanzminister gesagt hat: Das würde ich auf meine Kappe nehmen! – Er hat nicht die 2 Milliarden € kalten Progressionsabbau, der wirklich den unteren Teil betroffen hätte, gemeint, sondern er hat uns ködern wollen, noch etwas für die Hochverdienenden zu tun, für weitere 2 Milliarden €, um dann zu sagen: Ich übernehme diesen Teil!

Das haben wir nicht mitgemacht. Aus diesem Grunde ist das damals gescheitert. Ich sage deshalb auch heute: Wir können über den Abbau der kalten Progression reden. Man muss dann fragen, woher die Gegenfinanzierung kommt.

Eine mögliche Antwort ist im Übrigen heute in einem Artikel in der „Rheinischen Post“ genannt worden: Man kann über die Frage reden, warum es so ist, dass Einkommensmillionäre den größten Anteil ihres Einkommens aus Kapitalanlagen haben und dafür 25 % Steuern zahlen. An solche Fragen muss man sich dann heranwagen.

Ich glaube nicht, dass hier oben jemand sitzt, der jedes Jahr Millioneneinkommen hat, weil man ihm Aktienpakete oder andere Kapitalanlagen zur Verfügung stellt, und der dann mit 25 % davonkommt.

Das halte ich für ungerecht. Wenn wir aber „Gerechtigkeit“ als Paket nehmen, haben wir einen Teil, in dem wir etwas senken können, während wir in dem anderen Teil etwas nach oben korrigieren. Wir haben nämlich kein Ausgabenproblem – Nordrhein

Westfalen hat die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben unter allen Ländern –, sondern wir haben ein Verteilungsproblem. Wir müssen darüber reden, wie wir die Einnahmen, auf die wir auf der einen Seite verzichten wollen, auf der anderen Seite wieder hereinholen. Wenn wir das schaffen, kann man auch an die Frage der kalten Progression herangehen. Dann bin ich mit Sigmar Gabriel absolut einig. Aber Sigmar Gabriel hat auch bundespolitische Interessen zu vertreten, ich hingegen landespolitische Interessen. – Danke!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Herr Minister, bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine von Herrn Witzel angemeldete Kurzintervention von der FDP-Fraktion. Jeder hat 90 Sekunden. Herr Witzel beginnt. Bitte schön!

Herr Finanzminister, ich muss heute Morgen unbedingt noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, weil ich eben aufgrund der Abläufe nicht mehr die Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen. Sie haben in Ihrem letzten Betrag angedeutet, ich hätte Ihnen in punkto Steuergeheimnis gegebenenfalls eine Straftat vorgeworfen. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Ich möchte Sie herzlich bitten, sich meine Formulierung im Wortprotokoll noch einmal anzuschauen. Ich habe das nicht getan und würde das auch nicht tun, weil ich das nicht für den richtigen Stil halte.

Richtig habe ich zwei Sachen gesagt: Ich habe gesagt, dass es zum Glück ein Steuergeheimnis gibt. Das bezog sich auf meine Nachfrage an Ihr Haus und Sie, wie Sie zu der dpa-Meldung stehen, die SPD-Länder wollten das Steuergeheimnis abschaffen.

Daraufhin kam von Ihnen und Ihrem Haus die Antwort, derzeit gebe es keine entsprechenden Pläne.

Außerdem habe ich am „Fall Hoeneß“ in punkto der Frage, die wir zum Thema „Vorstände“ diskutiert haben, deutlich machen wollen, dass Sie bei Sachverhalten, die an sich grundsätzlich der Vertraulichkeit unterliegen, an anderer Stelle auch Wege gefunden haben, Ihre Haltung deutlich zu machen, wie ich sie mir auch in der Portigon-Frage gewünscht hätte.

Für mich ist das ganz wesentlich, damit kein falscher Eindruck im Raum stehen bleibt. Sie haben zu Recht angesprochen, dass es nicht das Ergebnis parlamentarischer Debatten sein darf, dass es Unklarheiten gibt.

Meine Bitte: Nehmen Sie das so auf und zur Kenntnis, wie ich es Ihnen dargestellt habe! Versichern Sie sich auch noch einmal anhand des Wortprotokolls, dass das zutreffend ist, was ich hier sage, ich Ihnen also keine Straftaten vorwerfen würde.

Herr Minister!

Erstens gibt es dazu Mitschnitte, die man sich angucken kann. Zweitens. Wenn Sie es jetzt so sagen und meinen, wie Sie es sagen, dann ist damit gegebenenfalls selbst eine anders lautende Einlassung von eben erledigt. Das ist überhaupt keine Frage.

Allerdings muss ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, den Sie jetzt verwechselt haben. In der dpa-Meldung stand nicht, dass die SPD das Steuergeheimnis abschaffen will, sondern darin ging es um das Bankgeheimnis. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Das Bankgeheimnis beschäftigt sich mit der Frage, ob Banken verpflichtet werden, Kapitalerträge an die Steuerbehörden zu melden. Denn wenn sie das nicht tun, wird der Betrug geschützt. Beim Steuergeheimnis hingegen muss sichergestellt werden, dass das, was die Steuerbehörden wissen, nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Das zu verletzen wäre eine Straftat, muss eine Straftat bleiben, und es ist richtig, dass es bestraft wird, wenn es herauskommt. Genau darum geht es.

Wenn Sie die Verwechslung möglicherweise eben auch vorgenommen haben, dann erklärt sich sowieso alles. Aber Tatsache ist: Die dpa hat das nicht gesagt. Ich weiß, dass über das Bankgeheimnis geredet worden ist und nicht über das Steuergeheimnis. Und das ist meines Wissens auch richtig berichtet worden. – Danke.

Danke schön, Herr Minister Dr. Walter-Borjans. – Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5752 an den Haushalts- und Finanzausschuss mit abschließender Abstimmung dort in öffentlicher Sitzung. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist einstimmig so überwiesen.

Wir kommen zu:

3 Demografiefeste Gesetze, Richtlinien und

Verordnungen in Nordrhein-Westfalen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5761

Ich erteile Herrn Schmitz für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 2014 ist ein besonderes Jahr. Es ist ein Jubiläumsjahr. Denn wir feiern den 1200. Todestag Karls

des Großen, 600 Jahre Konstanzer Konzil, 100 Jahre Rhein-Herne-Kanal, und – das ist dem einen oder anderen vielleicht auch wichtig – vor 60 Jahren wurde in Deutschland, und zwar in Duisburg, die erste Parkuhr aufgestellt.

(Heiterkeit)

Aber in diesem Jahr 2014 wird auch der geburtenstärkste Jahrgang, den es in Deutschland je gegeben hat, 50 Jahre alt. Das heißt, wir alle hier im Raum werden hoffentlich auf viele Geburtstagsfeiern eingeladen.

Aber, meine Damen und Herren, man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass dieser Jahrgang in 13 bis 17 Jahren in seine verdiente Rente oder in den Ruhestand gehen wird. Bereits vorher werden die so genannten BabyboomerJahrgänge, also diejenigen Jahrgänge, die seit Mitte der 50er-Jahre geboren wurden, in Rente und Ruhestand gegangen sein.

Das werden nicht nur einschneidende Veränderungen in individuelle Biografien sein, nein, meine Damen und Herren, wir alle, die gesamte Gesellschaft, werden dabei eine einschneidende Veränderung erleben. Denn wir werden spüren, welche Folgen der demografische Wandel wirklich hat.

In der abstrakten Theorie herrscht über diesen demografischen Wandel seit Langem, vor allem in der Politik, ein breiter Konsens. Man ist sich im Prinzip einig, dass durch die Bevölkerungsentwicklung große Probleme und Herausforderungen auf unsere Gesellschaft zukommen werden.

In wenigen Jahren aber ist dieser demografische Wandel nicht mehr nur graue Theorie für Zukunftsforscher, Arbeitskreise in der Politik oder Enquetekommissionen. Zu Beginn der 2020er-Jahre erleben wir hautnah den Praxistest, ob die politischen Entscheidungen, die wir heute treffen, langfristig gedacht, generationengerecht geplant und nachhaltig sind.

Dann, meine Damen und Herren, wird sich beweisen, ob die Sozialsysteme so aufgestellt sind, dass sie einer rasch alternden Bevölkerung Sicherheit geben, ohne dabei die jungen Menschen im Generationenvertrag zu überfordern. Dann wird sich beweisen, ob die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass Familienleben und Berufsplanung Hand in Hand gehen und wir heute für junge Menschen eine familienfreundliche Politik gestaltet haben. Und dann wird sich beweisen, ob Bildungswege so angelegt sind, dass sie den Anforderungen an qualifizierte Fachkräfte genügen.

Verehrte Damen und Herren, in wenigen Jahren werden wir sehen, ob die öffentliche Verwaltung den demografischen Praxistest besteht. Finden wir dann noch genügend Personal für den öffentlichen Dienst, in einer Phase, in der auf dem Arbeitsmarkt der Wettbewerb um motivierte, gut ausgebildete

junge Menschen regiert? Spätestens im Jahr 2025 wissen wir, ob die Pläne von Land und Kommunen bei Infrastruktur und öffentlichen Investitionen zukunftsorientiert oder aber nur kurzfristige Effekte waren.

Wenn wir schon den ganzen Morgen über die Finanzen reden, dann möchte ich Ihnen auch noch Folgendes sagen: Haben wir im Jahr 2025 überhaupt noch Geld in den Haushaltskassen? Sind wir nachhaltig und finanziell klug mit den öffentlichen Mitteln umgegangen? Für alles das, meine Damen und Herren, kommt am Ende der nächsten Legislaturperiode der Praxistest.

Heute haben wir deswegen zwei Möglichkeiten: Entweder wir lassen diese Entwicklung auf uns zukommen, das heißt, wir stellen uns blind, blöd und taub, oder aber wir machen das Gegenteil. Wir werden aktiv und nehmen schon jetzt die richtigen Weichenstellungen vor.

Und das bedeutet konkret, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir richten heute bereits ein Instrumentarium ein, um alle neuen Gesetzesvorhaben und Gesetzesänderungen, alle Richtlinien und Verordnungen auf ihre Demografieverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen. Einen Demografiecheck als politische und parlamentarische Selbstverpflichtung – das fordern wir.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Große Koalition festgelegt, genau das für den Bund einzuführen. Dabei geht es vor allem darum, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Politik und Verwaltung für die demografierelevanten Auswirkungen Ihrer Ent

scheidung und für mögliche Zielkonflikte noch stärker zu sensibilisieren als in der Vergangenheit.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die im Bund neu entwickelten Prüffragen dieses Checks helfen zunächst einmal bei der Analyse eines Gesetzesvorhabens auf Demografierelevanz und die Auswirkungen auf kommende Generationen. Es ist mir wichtig, in diesem Zusammenhang auch noch einmal zu betonen, dass darin die Belange aller Generationen berücksichtigt sind.

Insgesamt leistet dieser Check einen entscheidenden Beitrag, um politische Entscheidungen in Deutschland aus der Begrenzung auf Legislaturperioden herauszulösen. Die Tatsache, dass die Bundesregierung beispielsweise ihr Rentenpaket daran wird messen lassen müssen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend ist, dass die Zielrichtung stimmt. Deswegen frage ich mich, lieber Kollege Hafke: Warum soll es dann nicht auch einen Demografiecheck für Landesgesetze geben?

Die rot-grüne Landesregierung – um Ihnen ein Beispiel zu nennen und Ihnen damit vielleicht die Entscheidung zu erleichtern – in Rheinland-Pfalz hat 2012 genau das gemacht. Sie hat einen Demografiecheck für Landesgesetze eingeführt. Deshalb bin

ich guten Mutes, dass der vorliegende Antrag von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen wird.

Wir sind gerne bereit – das sage ich an der Stelle auch –, in einem zweiten Schritt mit allen Fraktionen hier im Haus zu beraten, wie genau die Kriterien für einen nordrhein-westfälischen Demografiecheck

aussehen sollen.

Meine Damen und Herren, ein Demografiecheck ist nach Ansicht unserer Fraktion entscheidend, um die Zukunft in Nordrhein-Westfalen richtig zu gestalten. Deswegen bitte ich Sie an dieser Stelle: Stimmen Sie für unseren Antrag, für die Einführung eines nordrhein-westfälischen Demografiechecks! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Schmitz. – Nun wollen wir mal hören, wie die SPD-Fraktion die Sache sieht. Herr Kollege Weske hat das Wort. Bitte schön.