Herzlichen Dank, Herr Schmitz. – Nun wollen wir mal hören, wie die SPD-Fraktion die Sache sieht. Herr Kollege Weske hat das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmitz, mir ist der 60. Geburtstag der Parkuhr immer noch nicht Anlass genug, heute diesen Antrag zu beschließen. Mir ist der Zeitpunkt völlig unklar.
Der Hintergrund ist, dass wir das, was Sie richtigerweise im ersten Bereich formulieren, vor einem Jahr hier bereits diskutiert haben. Wir haben auch Konsens in diesem Thema erzielt und gesagt: Wir wollen eine Enquetekommission einrichten, die sich zwei Jahre mit dem Thema beschäftigt und uns am Ende Handlungsempfehlungen gibt. Eine Handlungsempfehlung könnte dann ja auch sein, einen solchen Demografiecheck immer durchführen zu lassen.
Das Problem ist aber –das stellen wir ja auch in der Arbeit der Kommission fest –: Es fehlen noch die meisten Instrumente, um das auch wirklich zu tun. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sie fordern am Ende Ihres Beschlusstextes, man möge dies nach Kommunen, Regionen usw. spezifisch unterteilen. Wir diskutieren aber gerade doch erst noch in der Kommission, nach welchem Cluster wir eigentlich die Kommunen zuordnen wollen. Erst dann, wenn man die Instrumentarien dafür hat, kann man natürlich auch erst spezifische Ergebnisse herausfinden. Denn auch die Wissenschaft hat ja noch Lücken. Deswegen beraten wir gerade darüber, welche Gutachten wir noch erstellen lassen.
Insofern ist der Zeitpunkt leider sehr, sehr schlecht. Wenn man die Arbeit der Kommission ernst nimmt, muss man heute diesen Antrag ablehnen. In einem Jahr werden wir uns, denke ich, bei den Handlungsempfehlungen durchaus darüber unterhalten, ob wir einen solchen Demografiecheck in Nord
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Schmitz hat eben vorgetragen, wir könnten uns entweder blind, blöd oder taub stellen oder jetzt diesem Antrag zustimmen. So ist meine Zusammenfassung an dieser Stelle.
Ich frage mich, Herr Kollege Schmitz: Haben Sie sich bisher blind, blöd und taub gestellt und deswegen nie bei den CDU-Anträgen darüber nachgedacht, sie im Hinblick auf die Aspekte der Demografiefähigkeit und der Nachhaltigkeit zu untersuchen?
Das finde ich ein bisschen erstaunlich. Vielleicht nur der Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung: Danach ist es zwingend, wenn man Ausgaben macht, dass die Kostenfolgen dieser Ausgaben zum Beispiel bei einer Gesetzesinitiative entsprechend zu beschreiben sind. Ich weiß, dass Sie mit Ihrem Antrag etwas mehr wollen. Aber dann müssen Sie auch sagen, was Sie wollen, Herr Kollege. Denn nur zu fordern: „Wir müssen da was machen“, ist ein bisschen wenig. Das muss nämlich genau definiert werden.
Ich habe mir zutragen lassen bzw. wir haben auch hier im Parlament darüber debattiert: Wir haben auf Ihren Vorschlag hin eine Enquetekommission eingerichtet. Diese Enquetekommission befasst sich genau mit der Frage: Wie ist Nachhaltigkeit, wie ist Demografiefestigkeit zu definieren? Es wird ja in manchen haushaltspolitischen Debatten hier im Plenum immer wieder deutlich, dass möglicherweise die CDU-Fraktion eine andere Auffassung hat als die grüne Fraktion.
Ich halte es zumindest nicht für nachhaltig – das bezieht sich auf das Beispiel der kalten Progression von eben –, einen Vorschlag zu machen, die kalte Progression jetzt abzuschaffen und, wenn wir der FDP folgen würden, das in den Folgejahren immer linear anzugleichen. Dann hätten wir einen Einnahmeausfall von 700 Millionen €. Sie beschreiben aber nicht den nachhaltigen Effekt dieser Vorgehensweise, und Sie beschreiben auch nicht, wie sich das demografisch in den Folgejahren auswirkt.
Der Kollege Kruse fordert zum Beispiel immer wieder mehr Polizistinnen und Polizisten. Wir haben aber – das wissen wir – in den nächsten Jahren viel weniger Menschen. Da muss man sich schon fra
gen: Warum fordert er das denn trotzdem? Weil es gerade Spaß macht oder weil er sich blind, blöd oder taub stellt, um das an der Stelle mit Ihren Worten zu charakterisieren?
Mein Vorschlag, Herr Kollege, ist folgender: Arbeiten Sie in der Enquetekommission an diesem wichtigen Thema intensiv weiter! Ziehen Sie keinen Aspekt scheinheilig – aus meiner Sicht – voreilig heraus, sondern legen Sie ein Konzept auf den Tisch, das das nachvollziehbar macht, was mit diesen Worten zu verbinden ist!
Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel, um zu illustrieren, wo es eventuell handfest wird. Zur Frage der Altersfinanzierung haben wir in den 90er-Jahren immer gehört: Ja, die Demografie, es wird alles schlimm und schwierig; wir haben mehr alte Menschen, und deswegen sind die Sozialsysteme nicht mehr zu bezahlen. – Tatsächlich war es so, dass sich die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in den Jahren zwischen 1995 und 2010 nicht verändert hat. Das liegt schlicht daran, dass früher mehr Kinder da waren, weil die Menschen mehr Kinder hatten
lassen Sie mich bitte ausreden; das können Sie ja dann möglicherweise nachvollziehen –, und jetzt diejenigen, die Rentenbezieher sind, langsam mehr werden. Insofern war es bei dem Vorgang, der dort beschrieben worden ist, ein konjunkturelles Problem.
Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Sie müssen sehr dezidiert beschreiben, wohin Sie wollen. Einfach nur zu sagen: „Wir haben Demografie, wir haben das Thema Nachhaltigkeit“, das sind schlichte Überschriften. Sie müssen das mit Leben füllen, zumindest mit einem Konzept, und dann kann man einen Antrag daraus machen. Das, was Sie hier auf den Tisch legen, sind Überschriften.
Mein Vorschlag ist, wie gesagt: Arbeiten Sie in der Enquetekommission ein vernünftiges Konzept aus, und dann können wir uns darüber unterhalten. Aber schlicht Überschriften zuzustimmen, fällt uns ausgesprochen schwer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der demografische Wandel stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Obwohl der demografische Wandel mittlerweile ja fast Allgemeingut in jeder politischen Rede ist, müssen wir doch immer wieder feststellen: Die Konsequenzen, die eine alternde Gesellschaft erfordert, sind noch lange nicht
gezogen. Die massiven Folgen insbesondere für unsere Sozialsysteme, für Infrastruktur, Bildung und andere Bereiche sind noch lange nicht im Bewusstsein und im politischen Handeln angekommen.
Es ist deshalb sehr richtig gewesen, dass dieses Parlament auf Antrag der Union eine Enquetekommission eingesetzt hat, die genau dieses Bewusstsein und diese Herausforderung für das politische Handeln zum Gegenstand macht.
Genauso richtig finde ich das Anliegen des vorliegenden Antrags. In der Tat benötigen wir eine größere Sensibilität für das Thema „demografischer Wandel“. Und in der Tat müssen wir jede heute getroffene Entscheidung darauf abklopfen, ob sie demografiesensibel ist oder ob sie den ohnehin arg strapazierten Generationenvertrag noch weiter belastet. Das ist eine Aufgabe, der wir uns als Landespolitiker bei jeder Entscheidung stellen müssen.
Das beginnt natürlich bei soliden Finanzen. Dass diese in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün gerade vollkommen ohne jede Sensibilität für die Lasten der nachfolgenden Generationen gestaltet werden, haben wir hier in diesem Haus schon oft diskutiert. Drei verfassungswidrige Haushalte sprechen ja für sich.
Aber auch in Berlin wird die Last des demografischen Wandels momentan komplett den nachfolgenden Generationen aufgehalst.
Insofern ist es natürlich schon ein Stück weit bemerkenswert, dass die CDU heute hier für mehr Demografiesensibilität wirbt – und dann auch noch in einer Rede, in der der Bund als großes Beispiel angeführt wird. In Berlin ist von SPD und CDU, die dort gemeinsam in Regierungsverantwortung stehen, von Verantwortung gegenüber künftigen Generationen nicht viel zu spüren. Als Beispiel erinnere ich nur an die Pläne für die Rente mit 63 und die Mütterrente. Da werden Milliarden über Milliarden den zukünftigen Generationen aufgehalst, ohne dass es gegenfinanziert ist und ohne dass dort ein Demografiecheck nachvollzogen wurde. Deswegen ist das eine sehr unfaire Politik.
Damit komme ich auch zu dem Forderungsteil des hier vorliegenden Antrags der Union. Ob eine formale Ausweisung in einem Antrag oder einem Gesetzentwurf tatsächlich die Lösung ist, möchte ich bezweifeln und infrage stellen. Hier in NordrheinWestfalen möchte ich das noch viel stärker infrage stellen, weil es viele Gesetze gibt, die überhaupt nichts mit Demografie zu tun haben, beispielsweise Gesetze zum Tierschutz. Dann braucht man auch keinen Demografiecheck vorzunehmen.
Weiterhin möchte ich daran erinnern, dass wir in all unseren Gesetzentwürfen schon jetzt die beiden Punkte „Kosten“ und „Alternativen“ aufführen. Das wird aber ad absurdum geführt; denn unter diesen
Punkten steht meistens nicht sonderlich viel. Man beschäftigt sich nicht großartig damit, ob es Alternativen gibt und wie die Kostensituation aussieht. Dieses Instrument ist wirkungslos.
Daher glaube ich, dass man hier eher Showpolitik betreibt, indem man einen Demografiecheck beantragt.
Besser wäre meines Erachtens eine generelle Befristung von Gesetzen und Vorhaben; denn dann muss man den Bürger alle paar Jahre neu überzeugen und kann hier im Parlament kein Gesetz dauerhaft einführen.
Meine Damen und Herren, die Problembeschreibung des Antrags teilen wir ohne Frage. Die Forderung nach einer größeren Demografiesensibilität teilen wir ebenfalls. Die Frage eines DemografieTÜVs, um es einmal so zu bezeichnen, habe ich gerade kritisch beurteilt. Trotzdem ist es nach meiner Meinung sehr wichtig, dass wir das Ganze in der Enquetekommission weiter ausdiskutieren und uns damit beschäftigen. Vielleicht gibt es ja aufgrund dieses Antrags spannende Ideen, wie man das verbindlicher gestalten kann.
(Beifall von der FDP und der CDU – Ministe- rin Barbara Steffens: Wir stimmen doch direkt darüber ab!)
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier auf der Tribüne und zu Hause! Ich lese selten Zeitung. Seitdem ich auf dem Dorf wohne, mache ich das allerdings ein bisschen öfter. Ganz oft fehlt mir darin der Link zu mehr Informationen. Ich würde einfach gerne weiterklicken.
Bei diesem Antrag ist es ähnlich. Das ist ein guter Ansatz. Sicher ist der demografische Wandel wichtig. Und natürlich müssen wir uns immer Gedanken machen: Wie wirken sich Gesetze überhaupt aus? Die Idee, den demografischen Wandel in den Blick zu nehmen und sich jedes Mal auch die Demografieeffekte anzugucken, ist eine gute Idee.
Das ist aber viel zu wichtig für einen Antrag, den man hier einbringt und direkt zur Abstimmung stellt, liebe Kollegen von der CDU, lieber Kollege Schmitz. Unsere Fraktion hat ja bei Ihnen angefragt, ob man das Ganze nicht in den Ausschuss geben könne. Das haben Sie leider abgelehnt.
Im Ausschuss hätten wir darüber reden können, was wir denn bei Gesetzen machen, die keinen direkten Effekt auf die Demografie haben. Man hätte
darüber reden können, wie kleine Fraktionen – das betrifft Ihre Fraktion zwar nicht, aber drei Fraktionen in diesem Haus auf jeden Fall – überhaupt so eine komplette Untersuchung bewerkstelligen sollen.
Sie wollen direkt über Ihren Antrag abstimmen. Das finde ich persönlich – um jetzt bei Ihren Worten zu bleiben – blind, blöd und taub. Vielleicht ist das auch nur ein schlechter Versuch, hier noch einen populistischen Antrag einzubringen, um ein bisschen Wahlkampf zu machen.
Wir finden die Idee gut. Da Sie Ihren Antrag nicht in den Ausschuss überweisen lassen wollen, enthalten wir uns aber bei der Abstimmung. Unsere Zustimmung können Sie dafür nicht bekommen. – Vielen Dank.