Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Lassen Sie mich noch auf eines deutlich hinweisen. Es hat natürlich keinen Stillstand der Rechtspflege gegeben, seit das Europäische Parlament und der Ministerrat entschieden haben. Wir haben vielmehr die Ministerin gebeten, sich auch auf Bundesebene zu erkundigen und schlauzumachen, welche Vorgehensweise dort geplant ist. Sehr aktuell hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel mitgeteilt, dass er auf Bundesebene Handlungsbedarf sieht und in den nächsten Monaten dieses Thema aufgreifen wird –

(Ministerin Barbara Steffens: Er, nicht wir! Wir nicht!)

unter anderem unter Beteiligung des Bundesrates in einem engen Dialog mit den beteiligten Kommunen.

Deswegen sollten wir hier keine Anträge stellen, die letztendlich nur dazu beitragen, die Organisationen und diejenigen, die im Rettungswesen tätig sind, zu verunsichern. Wir sollten ihnen Rechtssicherheit geben, sobald wir auf allen Ebenen Klarheit haben. Dann werden Sie uns an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, ein vernünftiges Gesetz zu verabschieden, in dem ausgeschlossen wird, dass der Rettungsdienst mit Lohndumping betrieben wird, und sichergestellt ist, dass das Tariftreue- und Vergabegesetz so angewendet wird, dass die vor Ort tätigen Kolleginnen und Kollegen etwas davon

haben. Wir wollen nicht, dass sie – wie das bei einem Anbieter, der aus dem Norden Europas kommt, der Fall ist – auf einmal 500 € im Monat weniger in der Tasche haben, weniger Urlaub bekommen und geringere Überstundenvergütungen erhalten.

Wir wollen vernünftige Strukturen für den Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen. Dafür werden wir so bald wie möglich sorgen, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Hilfsorganisationen leisten mit ihren Rettungsdiensten und ihren vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in NRW eine unverzichtbare Arbeit. Die Rettungsdienste in NRW sind Teil eines Gesamtsystems aus Zivilschutz, Katastrophenschutz und alltäglicher Gefahrenabwehr, das vor allem durch das Zusammenwirken der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Helferinnen und Helfer der Feuerwehren und Hilfsorganisationen, getragen wird. Sie können daher sicher sein, dass wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Hilfsorganisationen weiterhin erfolgreich arbeiten können und ehrenamtliche Strukturen im Rettungsdienst gesichert bleiben.

Das Europäische Parlament hat am 15. Januar 2014 neue Richtlinien beschlossen. Demnach sehen die europäischen Vorgaben jetzt eine Bereichsausnahme für den Rettungsdienst vor. Rettungsdienste können künftig also wieder außerhalb der strengen EU-Vergaberichtlinien oder der entsprechenden Regelungen beauftragt werden.

Die CDU irrt jedoch, wenn sie glaubt, dass die europäische Bereichsausnahme für den Rettungsdienst direkt nach dem Inkrafttreten unmittelbar durch die Länder und ihre Rettungsgesetzgebung übernommen werden kann. Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinien zunächst in ihr nationales Recht umsetzen. Notwendig ist also zuerst eine entsprechende Änderung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen seitens des Bundes. Die EU-Mitgliedstaaten haben hierfür zwei Jahre Zeit. Bis zur Umsetzung der Richtlinie gelten natürlich die vergaberechtlichen Regelungen des Bundes weiter. Die Länder können auch nicht von diesen bundesrechtlichen Regelungen abweichen.

Allerdings ist der Beratungsprozess des Rettungsgesetzes NRW wieder aufgenommen worden. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf des Rettungsgesetzes NRW in Kürze vorgelegt wird und eine Verbändeanhörung eingeleitet werden kann. Ziel ist

ein rechtssicheres, verlässliches Gesetz, in dem die bestehenden Rahmenbedingungen des Rettungswesens qualitativ und patientinnen- und patientenorientiert weiterentwickelt werden. Dabei werden durch die Novellierung des Rettungsgesetzes NRW ehrenamtliche Strukturen keineswegs zerschlagen.

Schon seit geraumer Zeit besteht deshalb seitens der regierungstragenden Fraktionen und der Landesregierung ein intensiver und konstruktiver Austausch sowohl mit den Hilfsorganisationen als auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir werden zusammen mit den Hilfsorganisationen im Rahmen des Rettungsgesetzes NRW eine Lösung finden, mit der die Hilfsorganisationen weiter wie bisher arbeiten können. Deswegen werden wir den CDU-Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Fraktion der FDP spricht Herr Kollege Lürbke.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Täglich grüßt das Murmeltier“, kann man bei der Debatte den Eindruck bekommen. Wir haben bereits vor einem Jahr – Frau Scharrenbach hat es gesagt – zu dem Thema debattiert. Sie hat die Historie auch aufgezeigt. Deswegen ist die viel spannendere Frage an der Stelle: Was ist wirklich seitdem passiert, was hat sich seitdem bewegt? Mein Eindruck ist: die Landesregierung jedenfalls nicht. Denn immer noch herrscht Unsicherheit, immer noch herrscht Klarstellungsbedarf über die Vergabepflichtigkeit in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich ist es nicht nur Klarstellungsbedarf, sondern es herrscht tatsächlich auch Rechtsunsicherheit in dieser Frage.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Doch, Frau Ministerin. Denn mit dem Erlass, den Sie in das Land gebracht haben, haben Sie vor allen Dingen eines gemacht: Sie haben Unsicherheit bei den Kommunen, bei den Aufgabenträgern über die Vergabepflichtigkeit geschaffen, und diese Rechtsunsicherheit besteht bis zum heutigen Tag.

Verehrte Vertreter insbesondere der SPD, Ihre Partei tönt im Europawahlkampf immer, die EUKommission müsse zu einer „echten Regierung“ werden. Die EU-Kommission ist keine Regierung, aber seit dem 17. April gibt es eine Richtlinie. Dieses Vorhaben ist also Realität geworden mit der Richtlinie. Doch Sie dagegen gehören zu einer echten Regierung, zu einer Landesregierung, bekommen es jedoch nicht hin, hier eine Gesetzesnovelle auf den Weg zu bringen, wohlgemerkt eine Gesetzesnovelle für das Rettungswesen, eine der bedeutendsten Säulen unserer Zivilstruktur.

Da mag man sich schon ein wenig wundern, denn Sie stehen nun wahrlich nicht in dem Verdacht, etwas gegen staatliche Regelungsbestrebungen zu haben. Das Rettungsgesetz in Nordrhein-Westfalen ist über 20 Jahre alt. Es besteht Modernisierungsbedarf in vielerlei Hinsicht, an vielen Ecken und Enden. Im Prinzip verpassen Sie hier eine wunderbare Gelegenheit, sich bei einer zu regelnden Materie einmal so richtig auszutoben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der interessierte und mit der Materie halbwegs vertraute Zuhörer wird sich fragen: Warum muss die Landesregierung nicht nur zur Vorlage der Novelle getragen, sondern auch noch extra dazu aufgefordert werden, eine Bereichsaufnahme aufzunehmen? Die EU – wir haben es mehrfach gehört – gibt diese ja seit Kurzem vor.

Der Grund ist doch, dass Sie sich auf den Standpunkt stellen, zuerst sei der Bundesgesetzgeber mit einer Veränderung des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen gefragt. Sie müssten nicht direkt das Landesrettungsrecht ändern. Sie haben auch Angst vor einer Klatsche vor dem EuGH. Ich frage mich: Warum an dieser Stelle so zögerlich? Herr Scheffler hat es sogar angesprochen. Beim Tariftreue- und Vergabegesetz sind Sie doch auch so flott vorangeprescht, ohne besondere Kompetenzbedenken zu berücksichtigen.

(Ministerin Barbara Steffens: Das haben wir!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns in der Sache klar machen, worüber wir reden und was hier vor allen Dingen auf dem Spiel steht.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Es geht um nichts weniger als um die ehrenamtlichen Strukturen im Rettungswesen und im Katastrophenschutz. Es ist – gelinde gesagt – höchst fraglich, ob die Aufgaben, die bislang ehrenamtliche Helfer wahrgenommen haben, insbesondere im Sanitätsdienst, im Betreuungsdienst, auch bei vermehrten Kommunalisierungen, mit hauptamtlichen Kräften weiterhin erfüllt werden können.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Auch wenn Kommunen und Kreise den Rettungsdienst weiterhin förmlich ausschreiben, müssen wir diesem Problem ins Auge sehen, weil die Erfüllung der Aufgaben des Rettungsdienstes noch nicht hinreichend an die Katastrophenschutzhilfe geknüpft ist. Ohne Klarstellung der Rechtsnorm, am besten über die Formulierung einer Bereichsausnahme, werden die Aufgabenträger jedoch nachvollziehbarerweise versucht bleiben, zu rekommunalisieren oder förmlich auszuschreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir wollen ehrenamtliche Strukturen erhalten. Aber einen letzten Punkt gilt es dennoch zu erwähnen: Qualität ist bei alledem, über das wir hier reden, das oberste

Gebot. Das gilt insbesondere im Rettungsdienst. Aber wer diese Qualität, diese Leistung bietet, der darf unserer Meinung nach nicht ausgeschlossen werden. Denn es gilt, auch Privatunternehmungen eine Chance auf dem Gebiet des Rettungsdienstes ebenso wie des Katastrophenschutzes zu geben, wenn sie diese Leistung, diese Qualität bringen.

(Ministerin Barbara Steffens: Was wollen Sie denn?)

Auch private Unternehmen haben sich vielerorts in vielen Kommunen bewährt, und auch sie können zum Katastrophenschutz beitragen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Was wollen Sie?)

Kurzum: Frau Ministerin, verehrte Vertreter der Landesregierung, fassen Sie sich ein Herz und legen Sie endlich, insbesondere im Dienst der vielen ehrenamtlichen Helfern im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz eine Gesetzesnovelle, idealerweise mit einer Bereichsausnahme, vor. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Ministerin Barbara Steffens: Die Erde ist keine Scheibe!)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Lamla.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich habe ein Déjà-vu, auch ich habe das Gefühl, schon einmal darüber gesprochen zu haben. Und ich habe auch das Gefühl, alles wurde schon gesagt.

Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, trotzdem noch meine Kritik an dem jetzigen System zu äußern. Herr Lürbke sagte es eben ganz richtig: Das System, so, wie wir es jetzt haben, ist halt jahrzehntealt, und es ist bei Weitem nicht gut. Denn es bietet sehr viele Regelungslücken, und es wird tatsächlich missbraucht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Ein großer Kritikpunkt ist, dass wir momentan eine Kultur des Ausnutzens von ehrenamtlichem Engagement haben. Auch in NRW sind heute tagtäglich, besonders am Wochenende, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von ehrenamtlichen Rettungsdienstlern im Regelrettungsdienst eingesetzt.

Sie können sich das so vorstellen: eine Fahrzeughalle, eine Garage, zwei Fahrzeuge mit jeweils zwei Personen, die einen Notfallsanitäter oder Rettungsassistenten nach TVöD bezahlt mit Wochenendzuschlägen, die anderen ehrenamtliche Kräfte, zwar genauso ausgebildet, doch diese bekommen nur eine Aufwandsentschädigung von 50, 60 oder 70 €. Die machen eine 24-Stunden-Schicht und fahren im Wechsel raus und fahren auch die gleichen Einsätze. Das kann es nicht sein. Das ist falsch.

(Beifall von den PIRATEN)

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind im Vergleich zum TVöD zudem noch strengeren und schlechteren Tarifverträgen unterworfen und müssen deutlichere Abzüge verzeichnen. Einige der Privatanbieter hingegen schließen in ihren eigenen Haustarifverträgen deutlich mitarbeiterfreundlichere Verträge ab.

Die Anwendung des Tariftreuegesetzes ist da grundsätzlich zwingend notwendig, kann aber momentan von Hilfsorganisationen zum Beispiel durch eigene Flächenverträge umgangen werden. Das wird auch schamlos gemacht. Auch das ist nicht richtig.

Zudem haben wir noch das Problem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel von den Johannitern oder Maltesern dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfen sind und dadurch deutlich zurückgesetzte Arbeitsrechte haben. Zum Beispiel sind da zu erwähnen der Zwang zur Kirchenmitgliedschaft, die Kündigung bei Scheidung oder Homosexualität. All diese Dinge, meine Damen und Herren, sind nicht mehr zeitgemäß. Und das können wir hier ändern.

(Beifall von den PIRATEN – Marc Olejak [PIRATEN]: Peinlich ist das!)

Ein letzter Appell: Wir brauchen Transparenz vor allem im Vergabeverfahren, weil das viele der entstandenen verkrusteten Strukturen aufbrechen würde. Profitieren würden davon die Mitarbeiter. Insofern der Appell an die Landesregierung: Arbeiten Sie auch mit den Hilfsorganisationen zusammen!

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, das machen wir doch!)

Ich weiß, Sie tun es, Frau Ministerin. – Wir haben hier eine einmalige Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich tatsächlich zu verbessern; denn sie sind bei Weitem nicht gut. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN und Marc Lürbke [FDP])