Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

„Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu diesem Thema“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium betonen ebenfalls, es gebe hierzu keinen Kontakt mit den Konzernen.

Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, hat kein einziges Unternehmen, kein einziger Konzern diese Position vertreten oder sich diese Überlegungen zu eigen gemacht.

Wie Sie in Ihrem Antrag darüber hinaus einen Bezug zum Land Nordrhein-Westfalen herstellen, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Lesen Sie die „RP“ von heute!)

„Der Spiegel“ berichtet über Spekulationen, dass die Energieversorger wohl eine Art Bad Bank für ihre Atomanlagen gründen wollen. In Ihrem Antrag heißt es dazu – ich zitiere –:

„Im Falle konsequenter Umsetzung der Stiftungsidee unter Einbringung der Rückstellungen würde NRW sofort zur Kasse gebeten. Im Fall RWE redet man von notwendiger Kapitalerhöhung, was dazu führen würde, dass die Kommu

nen zur Kasse gebeten würden, um ihre Sperrminorität zu erhalten.“

Ihre Feststellung, meine Damen und Herren, dass Nordrhein-Westfalen sofort zur Kasse gebeten werden soll, ist hanebüchen. Denn schließlich haben die Kommunen hier noch ein Wörtchen mitzureden, wann und wie der RWE-Vorratsbeschluss zur Kapitalerhöhung umgesetzt wird.

Mir scheint eher: Sie suchen verzweifelt nach einem Thema, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Und um die Aktuelle Stunde genehmigt zu bekommen, haben Sie den Antrag fantasievoll aufgehübscht, damit die Dramaturgie stimmt – um es einmal höflich auszudrücken.

Trotzdem ist das zugrundeliegende Thema ein ernstes. Daher möchte ich mich hierzu unabhängig vom Piratenantrag äußern.

Wir haben derzeit das Problem, dass jährlich über 20 Milliarden € durch die Umverteilungsmaschinerie des EEG an die erneuerbaren Energien fließen. Die erneuerbaren Energien tragen zurzeit mit rund 25 % zur Stromerzeugung bei – im ersten Quartal waren es 27 % –, aber gleichzeitig führen sie zu sinkenden Börsenstrompreisen, sodass die Kraftwerke, die über 70 % unseres Stromes erzeugen, nicht mehr rentabel arbeiten können. Das betrifft ganz massiv auch die AKW-Betreiber, sodass sich einige die Frage stellen: Was passiert eigentlich bei einer Insolvenz eines AKW-Betreibers?

Ich möchte an dieser Stelle klarstellen: Was die Rücklagen für den Rückbau von Atomkraftwerken und die Endlagerfrage angeht, so gibt es glasklare gesetzliche Rahmenbedingungen. Es gilt das Verursacherprinzip. Und das bedeutet: Zuständig sind die Betreiber. Dabei sollte es auch bleiben, meine Damen und Herren.

Übertragungen der Rückstellungen auf Fonds oder Ähnliches brauchen wir nicht. Dieser Idee hat der Landtag bereits im April eine Abfuhr erteilt, sogar mit Zustimmung der Grünen – auch wenn Frau Höhn in Berlin das anscheinend nicht zur Kenntnis genommen hat oder nicht zur Kenntnis nehmen will.

Meine Damen und Herren, worüber wir in erster Linie reden sollten, ist:

Wie müssen die Rahmenbedingungen auf dem Energiemarkt neu gefasst werden, sodass diejenigen, die zurzeit entscheidend zur Versorgungssicherheit beitragen, die fossilen Kraftwerke – die brauchen wir noch bis mindestens 2050 –, in Zukunft wieder rentabel wirtschaften und weitere Rückstellungen bilden können?

Wie kommen wir dahin, dass die Gewährleistung von Versorgungssicherheit als Komponente im Strompreis angemessen berücksichtigt wird? Diese Frage ist nicht nur für die Kraftwerke, sondern auch für mögliche Speicherbetreiber wichtig.

Hierüber sollten wir in diesem Hohen Hause debattieren, aber nicht Scheindebatten führen, wie die Piraten es gerade gemacht haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zumindest die letzten vier Redebeiträge haben gemeinsam noch mal eines deutlich gemacht: Wir reden hier über einen Presseartikel, der weder vom Bund noch von den Unternehmensvertretern, die dort genannt werden, in seinen Inhalten bestätigt wird. Wir reden über die Konzeption einer Stiftung, die in ihrer Ausgestaltung, ihrem Umfang, hinsichtlich der Beteiligten und der gegenseitigen Verpflichtungen in keiner Weise feststeht.

(Zuruf von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Wir reden über möglicherweise nicht leistbare Beiträge einzelner Beteiligter, über möglicherweise damit verbundene notwendig werdende Kapitalerhöhungen von Unternehmen, wenn diese ihre Rückstellungen nicht auflösen können und sie dann in eine Stiftung einbringen. Wir reden auch über mögliche Auswirkungen auf NRW und seine Kommunen, die über ihre Beteiligungen an der Finanzierung der Kapitalerhöhung herangezogen werden können.

All das tun wir nur auf der Grundlage eines Artikels vom 12. Mai 2014 im „Spiegel“. Die einen sagen: Das war vielleicht ein Testballon. – Andere sagen: Das ist der Aufguss eigentlich kalten Kaffees, weil es solche Diskussionen zu früheren Zeiten mal gegeben hat und man das jetzt journalistisch noch einmal aufgewärmt hat.

Wie es auch sei: Weder von den dort genannten Unternehmen wurde das bestätigt oder kommentiert, noch wird das – auch das ist schon mehrfach zitiert worden – von der Bundesregierung bestätigt, die ja dann, wenn das, was in dem Artikel steht, denn stimmen würde, mit in die Verantwortung genommen würde.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ramsauer und Bouffier sagen, das finden sie gut!)

Herr Ramsauer ist, glaube ich, nicht mehr Mitglied der Bundesregierung, sehr zu seinem persönlichen Leidwesen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Macht doch nichts! Aber Bouffier!)

Aber wenn der irgendetwas sagt, hat das mal gar keine Relevanz für die Haltung der Bundesregierung.

Die Bundesregierung führt im Gegenteil hierzu aus – wie Sie auch der Presse entnehmen konnte -: „Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu diesem Thema.“ Es ist aber sehr schwierig, Vorschläge zu kommentieren, die sich im rein spekulativen Bereich bewegen.

Trotzdem ist unstreitig, dass uns das Thema „Folgen des Atomausstiegs und damit verbundene Zukunftslasten“ in der Folgezeit immens beschäftigen wird. Das sollten wir dann aber auf der Basis eines gesicherten Konzeptes und gesicherter inhaltlicher Daten diskutieren.

Die Idee ist nicht neu, Rückstellungen für Rückbau und Entsorgung von Kernkraftwerken nicht mehr über die jeweiligen Unternehmensbilanzen, sondern zum Beispiel in einer Stiftung oder einem Fonds zu sichern. Aber über die Bedingungen und Risiken einer solchen Lösung wird man dann mit den Kernkraftbetreibern reden müssen. Das wird weder kurzfristig noch auf der Basis von unbestätigten Presseberichterstattungen erfolgen.

Es ist schon darauf hingewiesen worden – der Kollege Remmel wird das sicherlich auch noch ausführen –, dass sich die Umweltministerkonferenz mit diesem Thema beschäftigt hat. Nichts anderes hat im Grunde auch die Bundestagsabgeordnete Höhn in ihren Äußerungen bestätigt. Da sehe ich überhaupt gar keine Differenzen.

Klar ist für uns als Landesregierung – ich glaube, das in den Aussagen der Bundesregierung in gleicher Weise erkennen zu können –: Wir lassen die Unternehmen nicht aus der Verantwortung. Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Die Verantwortung tragen die Unternehmen und nicht die Steuerzahler.

Meine Damen und Herren, auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat ohne Wenn und Aber in den vergangenen Tagen noch einmal zum Ausdruck gebracht: Betreiber von Kraftwerken tragen die volle Verantwortung für Betrieb, Rückbau und Entsorgung. – Sie verweist damit auf das sogenannte Verursacherprinzip. Ich habe nicht feststellen können, dass das in dieser Debatte von irgendjemandem grundsätzlich in Zweifel gezogen wird.

Deswegen werden alle diese Punkte in die Überlegungen miteinbezogen werden müssen. Dabei wird man in der Tat auch berücksichtigen müssen, dass die Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken zunehmend infrage gestellt ist: ob durch kürzere Betriebszeiten, durch entsprechende Steuerung im Bereich der erneuerbaren Energien oder durch sinkende Strompreise an der Börse.

So oder so ist aber klar, dass Spekulationen und Mutmaßungen in dieser Frage nicht weiterhelfen,

auch nicht Aktuelle Stunden kurz vor Wahlterminen, sondern ein sachlich fundierter Dialog mit denjenigen, die an diesem Thema arbeiten. Das ist in dieser Landesregierung gewährleistet. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Da die CDU zurzeit keinen zweiten Redner gemeldet hat, hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr van den Berg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Herrn Schulz vorhin habe ich natürlich viel Leidenschaft herausgehört. Natürlich möchte keiner, dass die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Ich habe das aus keinem der Wortbeiträge der Fraktionen hier im Hause wahrgenommen, auch nicht aus denen der Regierung.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das wäre ja auch noch schöner!)

Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren – natürlich mit mir nicht! Das sage ich auch als überzeugter Sozialdemokrat.

Aber, Herr Schulz, ein Stück weit müssen wir Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung an der Stelle auch mal ansprechen. Sie sagen: Das droht, und die einzigen, die hier mahnen, stehen an diesem Pult. Es sind die Piraten, die sich hier mahnend hinstellen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Von „einzigen“ war nicht die Rede!)

Ja, ja, lesen Sie Ihre Rede nach. Sie haben gesagt, Sie stehen mahnend hier und wollen uns das verkünden.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Aber nicht allei- ne!)

Max Weber hat mal auf den Punkt gebracht, was einen guten Politiker ausmacht: Leidenschaft und Augenmaß! – Das Augenmaß vermisse ich an dieser Stelle sehr deutlich bei Ihnen.

(Beifall von der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Dann bleiben Sie auch dabei! Was soll die persönliche Angreiferei hier? Das ist doch Käse! Bleiben Sie sachlich! – Weitere Zurufe von der SPD und den PIRATEN)

Ich komme mal zum Augenmaß und zu der Sachlichkeit, die Sie einfordern, Herr Schulz.

(Zurufe von der SPD)

36 Milliarden € – diese Summe ist zum Teil in Rückstellungen gebunden, die nicht in Geldform vorliegen, sondern in Form anderer Kraftwerksleistungen. Gleichzeitig soll eine Verhandlungssituation aufge