Herr Kufen, Herr Eiskirch, auch wenn wir jetzt nicht den letzten Beweis und die letzte Bestätigung haben, dass die Konzerne das, was wir beim „Spiegel“ gelesen haben, tatsächlich so beschlossen hätten – wir wissen doch, wie Politik funktioniert. Das ist möglicherweise erst mal nur ein Testballon, um zu sehen, wie die politische Landschaft reagiert. Und das ist nicht ungewöhnlich in der Politik. Deswegen ist es richtig, sich damit rechtzeitig auseinanderzusetzen.
Das Einstreichen privater Gewinne und die Sozialisierung von Verlusten, Sicherheits- und Folgekosten – bei der Frage der Atommüllendlagerung reden wir ja sogar von Ewigkeitskosten –: Ein solches Ansinnen ist dreist, schäbig und keinesfalls marktwirtschaftlich.
Ach Herr Rohwedder, es ist beachtlich, wie Sie in den letzten Monaten versuchen, irgendwie auf den Atomkurs und die antiatompolitische Bewegung aufzuspringen. Ich habe es schon mal gesagt: Wir haben schon in Brokdorf, in Wackersdorf und anderswo demonstriert, da war Ihr Segelboot noch nicht mal in See gestochen.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Ohoho! Dünnes Eis! – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Der ist Gründungsmitglied der Grünen! – Weitere Zurufe von den PIRATEN)
Entschuldigung, natürlich nicht kritisieren –, ich möchte mich ihr anschließen und unsere Bundesvorsitzende in diesem Zusammenhang zitieren. Simone Peter sagte dieser Tage:
„Das ist ein dreister Vorschlag der Konzerne, die Folgekosten der Atomkraft den Steuerzahlern aufzubürden, nachdem die Unternehmen so lange kräftig daran verdient haben – nicht zuletzt aufgrund staatlicher Subventionen.“
„keine Verhandlungen über diesen Fonds aufzunehmen. Die Verantwortung liegt hier klar bei den Konzernen, die für die vollständigen Kosten aufkommen und als deren Verursacher weiterhin finanziell haftbar bleiben müssen. Wir dürfen keinen Ablasshandel zulassen, mit dem sich Konzerne von ihrer finanziellen Verantwortung freikaufen.“
Angeblich bieten die Atomkonzerne bei diesem Ablasshandel auch noch an, ihre Klagen gegen den beschleunigten Atomausstieg und gegen die
Verantwortung sieht gänzlich anders aus und hört sich auch anders an als dieses Junktim. Das ist allerdings wohl auch eine Folge der seinerzeitigen Laufzeitverlängerung durch die Regierung Merkel.
Die tatsächliche Werthaltigkeit der vorgeschriebenen Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber steht auch bei uns infrage. Dieser Vorschlag ist daher wohl auch ein Eingeständnis seitens der Unternehmen, nicht ausreichend vorgesorgt zu haben.
Daraus folgt aber nicht, dass solch ein – wie der „Spiegel“ schreibt – Geheimplan für eine Bad Bank für Atomkraftwerke eine demokratische und für die öffentliche Hand akzeptable Lösung sein kann.
Apropos Bad Bank: Es ist doch absehbar, dass auch für Konzerne wie RWE und E.ON irgendwann einmal das die soziale Marktwirtschaft aushöhlende Prinzip des „Too big to fail“ eintreten könnte. Kapital würde entzogen, unabsehbare Kosten des Atomausstiegs könnten entstehen, der Konzern damit in Schieflage geraten – und schon müsste die öffentliche Hand den Rettungsschirm aufspannen.
Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht, dass hier ein Privatoligopol plötzlich nach Verstaatlichung ruft, sobald es um Verluste geht, ungeachtet der Gewinne, die aktuell immer noch eingefahren werden, übrigens inklusive der Gewinne der vergessenen Anlage hier in Nordrhein-Westfalen, der UAA in Gronau.
Im Geiste der Freiburger Thesen kann ich da nur sagen, dass für unsere Väter der sozialen Marktwirtschaft wie Rüstow, Böhm oder Eucken wohl eher eine Entflechtung dieser Oligopolstrukturen und auf jeden Fall die Gültigkeit des Verursacherprinzips ganz vorne gestanden hätten.
Daher und auch in Anbetracht der Zeiträume, von denen wir hier faktisch reden, ist eine Stiftungs- oder Fondslösung zwar grundsätzlich diskussionswürdig und nicht von vornherein völlig abzulehnen, aber eben nicht zu den von den Konzernen diktierten Bedingungen.
Unter dem Motto „Besser einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach“ ist aus meiner Sicht ein Treuhandmodell diskussionswürdig – nach britischem Recht spricht man eher vom öffentlichrechtlichen Trust –, das auf die ca. 35 Milliarden € an Rückstellungen Zugriff nehmen muss, damit im Konkursfalle, wie etwa bei RWE, diese Mittel nicht verloren gehen.
Wir dürfen nicht vergessen, über welche Zeitspannen wir hier angesichts der Atommüllentsorgung reden. Mir ist in der Erdgeschichte kein Unternehmen bekannt, das über Tausende von Jahren existiert hätte – sehen wir mal vom britischen Königshaus oder vom Vatikan ab, wenn man die denn als klassische Unternehmen bezeichnen möchte.
Aufgrund der zwingend gegebenen Notwendigkeit zur langfristigen Haltbarkeit des Rechtskonstrukts im Falle von strahlenden Hinterlassenschaften kommen daher für mich zwei Handlungsoptionen in Betracht, um das Begleichen der Ewigkeitskosten tatsächlich zu gewährleisten; denn eine einfachgesetzliche Regelung wird das über die Jahrzehnte kaum sicherstellen: zum einen die Aufnahme einer
entsprechenden Regelung in das Grundgesetz, zum anderen – auch ergänzend möglich – eine Regelung über einen entsprechenden Staatsvertrag.
Darüber sollten wir nachdenken, wenn wir unseren Kindern und Enkeln nicht nur die Hochrisikolast des Atommülls überlassen müssen, sondern auch noch das Kostenrisiko für den Ausstieg, damit das Risiko letztendlich nicht bei ihnen hängenbleibt, sondern dort, wo es nach dem Verursacherprinzip hingehört, nämlich bei den Konzernen.
Knapp zusammengefasst – ich komme zum Ende, Frau Präsidentin –: Die Konzerne sind in der gesetzlichen Pflicht, die sie zu erfüllen haben. Das Restrisiko für die öffentliche Hand und damit für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler muss so gering wie möglich gehalten werden. Schließlich und letztens: Das Primat der Politik über die Wirtschaft gilt auch und insbesondere in diesem Fall. Dies werden die Leitlinien unseres grünen Handelns sein. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Beantragung dieser Aktuellen Stunde der Piraten ist wieder einmal ein gutes Beispiel dafür – leider –, wie man Politik nicht machen sollte.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Ja! – Dietmar Schulz [PIRATEN]: „Süddeutsche“ heute: Po- litik verpennt die Zeit!)
Leider hatten wir diese Diskussion im Oktober letzten Jahres schon mal zu einem ähnlichen Thema. Damals hat der Kollege Schmalenbach dazu gesprochen. Dass er heute als energiepolitischer Sprecher Ihrer Fraktion nicht nur nicht redet, sondern eben auch scheinbar bewusst den Raum verlassen hat, deute ich insofern,
dass zumindest er dazugelernt hat und merkt, dass es falsch ist, wie Sie hier auf Spekulationsbasis Politik betreiben, meine Damen und Herren.
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Fühlen Sie sich wohl in Ihren Deutungen? Denken wir einmal an die Plenarwoche im Oktober letzten Jahres und die damalige Aktuelle Stunde der Piraten zurück. Zuvor gab es eine Zeitungsmel- dung – ich möchte sagen: eine Zeitungsente, wie sich ja bestätigt hat –, dass RWE die Fortsetzung des Braunkohletagebaus im Abbaugebiet Garzwei- ler II über das Jahr 2018 hinaus infrage stelle. Das, meine Damen und Herren, erschien schon damals, als Sie die Aktuelle Stunde beantragt haben, abwe- gig. Heute wissen wir sicher, dass es die rot-grüne Landesregierung ist, die Garzweiler infrage stellt, und nicht das Unternehmen. (Thomas Eiskirch [SPD]: Zur Sache, Schätz- chen!)
Herr Kollege Markert, an Ihren Ausführungen eben merke ich schon, wer bei diesem Thema zündelt und wer Geist dieser Aktivitäten ist – die Unternehmen jedoch nicht.
Meine Damen und Herren, es ist falsch, wenn hier auf Spekulationsbasis politische Debatten geführt werden. Diese Aktuelle Stunde hätten wir – wie die damals schon – nicht gebraucht. Denn als Sie den Antrag bei der Präsidentin zur Prüfung vorlegten, war das Thema schon geklärt.
Zu diesem Zeitpunkt meldete dpa nämlich bereits: „Merkel: Keine Verhandlungen über Atom-Fonds.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Verhandlungen über eine Übernahme des Atomgeschäfts von E.ON, RWE und EnBW durch den Bund dementieren lassen.
„Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu diesem Thema“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium betonen ebenfalls, es gebe hierzu keinen Kontakt mit den Konzernen.